Monday, January 2, 2023
„Unterstützung bis zum Sieg“: Von Macrons Versprechen sollte die Ukraine nicht zu viel erwarten
Tagesspiegel
„Unterstützung bis zum Sieg“: Von Macrons Versprechen sollte die Ukraine nicht zu viel erwarten
Artikel von Benjamin Hirsch • Vor 4 Std.
Frankreichs Präsident benennt das Ziel der Unterstützung für Kiew plötzlich deutlich. Handelt es sich dabei um mehr als eine bloße rhetorische Kurskorrektur?
Kurswechsel im Ukraine-Krieg? Der französische Präsident Emmanuel Macron ließ zuletzt aufhorchen.
Wirklich sicher sein konnte man sich bei Emmanuel Macron in der Vergangenheit nicht. Zumindest, wenn es um seine Haltung zu Russlands Angriff auf die Ukraine geht.
Noch Anfang Dezember sprach der französische Präsident überraschend davon, der Westen solle darüber nachdenken, wie er Russlands Forderung nach Sicherheitsgarantien zur Beendigung des Krieges gerecht werden könne. Gut vier Wochen später gab es aus Paris nun das Neujahrsversprechen an Kiew, man werde die Ukraine „bis zum Sieg“ unterstützen. Ähnlich deutliche Worte hat der deutsche Kanzler Olaf Scholz bisher vermissen lassen.
Auch deshalb sind viele Beobachter von den Aussagen Macrons überrrascht. Nach seinem couragierten, aber letztendlich vergeblichen Auftritt als Vermittler vor und zu Beginn des Kriegs scheine Macron endgültig begriffen zu haben, dass man mit Putin nicht vernünftig verhandeln könne, sagt François Heisbourg, Experte für europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik am International Institute for Strategic Studies (IISS) in London im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
In den ersten Kriegsmonaten sei die französische Unterstützung eher dürftig ausgefallen, erläutert Heisbourg. „In den vergangenen zwei Monaten kam nun etwas mehr aus Paris. Flugabwehrsysteme vom Typ ,Crotale‘ oder Raketenwerfer sind in letzter Zeit immer öfter auf Aufnahmen von der Front zu sehen,“ sagt er.
Frankreich gibt sich schweigsam – und hält sich bei Hilfen bisher zurück
Ähnlich wie lange Zeit in Deutschland hält sich Paris mit genauen Angaben über Waffenlieferungen zurück. Einzelne Hilfpakete, wie die von den ukrainischen Soldaten gelobten Haubitzen vom Typ „Caesar“ werden allerdings öffentlichkeitswirksam angekündigt.
Die wohl aussagekräftigsten Zahlen zu französischen Militärhilfen stammen vom Institut für Wirtschaft in Kiel. Seit Kriegsbeginn werden dort im sogenannten „Ukraine Support Tracker“ sowohl humanitäre als auch Militärhilfen erfasst und zugeordnet. Mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro liegt Frankreich dort auf Rang sechs, hinter Ländern wie Kanada (3,7 Milliarden), Polen (3 Milliarden) und auch Deutschland (5,5 Milliarden).
Setzt man die Zahlungen in Relation zur Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) rutscht Paris sogar auf Platz 21 (0,054 Prozent) ab.
Sowohl bei den äußerst effektiven Caesar-Haubitzen als auch bei Kriegsmunition im Allgemeinen wurde bereits in die Produktion investiert.
François Heisbourg, Experte für europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik am IISS
Doch nicht alles an der französischen Hilfspolitik gibt Anlass zur Kritik. So hat Frankreich früh erkannt, dass auch die Produktion von Militärgerät im Zuge des Krieges hochgefahren werden muss. „Sowohl bei den äußerst effektiven Caesar-Haubitzen als auch bei Kriegsmunition im Allgemeinen wurde bereits in die Produktion investiert“, sagt IISS-Experte Heisbourg.
Auch Frankreich liefert bisher keine Kampfpanzer
Für eine europäische Vorreiterrolle reicht das angesichts des geringen Hilfsvolumens jedoch nicht. Auch die Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine wird in Frankreich geführt. Bisher will Paris aber keien Schritte in diese Richtung gehen.
Dementsprechend nüchtern fällt auch die Bewertung von Sven Arnold aus, der Experte für deutsch-französische Beziehungen sowie Rüstungspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) ist.
„Grundsätzlich sehe ich in Macrons Aussage nicht viel neues“, sagt er gegenüber dem Tagesspiegel. „Nach den Aussagen im Dezember wollte er Frankreichs zweifellose Unterstützung an die Ukraine betonen.“ Es dürfte sich jedoch nicht viel verändern.
Und die Panzer-Frage? Die militärische Unterstützung seitens Frankreichs werde weiterhin Waffenlieferungen und Soldatenausbildung umfassen, aber keine Leclerc-Kampfpanzer. „Ich glaube nicht, dass sich nach dieser Rede der Druck auf die Bundesregierung für die Lieferung von Leopard-Panzern erhöhen wird“, meint der SWP-Experte.