Thursday, January 26, 2023
Schweden und die Rechten: Premier Kristersson meidet klare Worte
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Schweden und die Rechten: Premier Kristersson meidet klare Worte
Artikel von Thomas Borchert • Vor 29 Min.
Schweden und die Rechten: Premier Kristersson meidet klare Worte
In Schweden wird eine Koranverbrennung aus Reihen der rechtsextremen Koalitionspartner initiiert. Premier Kristersson findet keine deutlichen Worte.
Stockholm – Nach der Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft in der schwedischen Hauptstadt Stockholm und drohenden Reaktionen aus Ankara hat Premier Ulf Kristersson seine Landsleute vor „Naivität“ gewarnt: „Es gibt Provokateure, die Schwedens Beziehungen zu anderen Ländern verschlechtern wollen“ sowie „Kräfte in Schweden und anderswo“, die den Nato-Beitritt verhindern wollten. Kurz darauf stand jetzt bei der Pressekonferenz zum 100. Tag der neuen Regierung neben Kristersson mit Jimmie Åkesson ein Mann als geschätzter Partner, der damit eigentlich gemeint sein musste.
Denn die Koranverbrennung vom Wochenende, die den Widerstand des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Nato-Aufnahme Schwedens enorm befeuert hat, ist aus den Reihen von Åkessons rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) initiiert worden. Kristerssons Minderheitsregierung hat sich von dieser Partei mit braunen Wurzeln, bei 20,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft im Reichstag, als Mehrheitsbeschafferin auf Gedeih und Verderb abhängig gemacht.
Rechte Aktivisten bekennen sich zu der Koranverbrennung in Stockholm – Premier Kristersson äußert sich
Freimütig bekennt der SD-Aktivist Chang Frick, Programmchef auf dem parteieigenen Youtube-Kanal „Riks“, er habe über seine „rechtsextremen Kontakte“ den für die stets maximale Provokation von Muslimen berüchtigten Rasmus Paludan zu einer Aktion vor der türkischen Botschaft aufgefordert. Die Gebühr für deren polizeilichen Anmeldung übernahm er selbst.
Zur Seite stand ihm ein Reporter der ebenfalls rechtsextremen Newssite „Exakt 24“. Chefredakteur Erik Almqvist gehörte zum SD-Führungskreis, bis er im Gefolge eines Schlägerei-Skandals sein Parlamentsmandat 2012 niederlegte und seinen Wohnsitz für mehrere Jahre nach Ungarn verlegte. Die ukrainischen Maidan-Proteste 2014 beschrieb er als Staatsstreich und ließ sich von Moskau 2020 als „Wahlbeobachter“ zur Volksabstimmung über den Anschluss zu Russland auf die Krim einladen.
SD-Chef Åkesson findet Premier Kristerssons Reaktion auf die Koranverbrennung „sehr bedenklich“
Derart aus dem Fenster hängt sich SD-Chef Åkesson schon lange nicht mehr. Seine Partei hat ihren Widerstand gegen Schwedens Nato-Mitgliedschaft gestrichen. Nach der Koranverbrennung stellte sich Åkesson als kompromisslosen Verteidiger der Meinungsfreiheit dar. Er begnügt sich dabei nicht damit, auf Facebook „deren Bedrohung durch „einheimische Islamisten“ anzuprangern.
Er geht außerdem auf seinen Kooperationspartner Kristersson los, weil der in seiner Reaktion auf die Koranverbrennung Verständnis für die verletzten religiösen Gefühle von Muslimen äußert. Åkesson findet das „sehr, sehr bedenklich“ und will dem Ministerpräsidenten den Marsch blasen; „Ich werde ihm mitteilen, was wir von dieser Weichlichkeit gegenüber islamistischen Kräften in und außerhalb von Schweden halten“.
Premier Kristersson hält Rede: „Die SD müssen ihre Rolle bei der Koranverbrennung selbst aufarbeiten“
Beim Studium von Kristerssons Reaktionen auf diese Anwürfe drängt sich der Theatertitel „Biedermann und die Brandstifter“ auf. Der konservative Regierungschef drückt sich mit Ausreden um eine Stellungnahme. In Malmö sagte er: „Die SD müssen ihre Rolle bei der Koranverbrennung selbst aufarbeiten. Ich trage Verantwortung für die Regierung und meine Partei.“ Eindeutig ernster als Åkesson nimmt er auch bei buchstäblicher Brandstiftung einen Satz im Regierungsabkommen, der auf Betreiben der SD vereinbart wurde: „Die Partner tragen zu einem guten Klima der Kooperation bei, indem sie gegenseitig respektvoll über die Entscheidungsträger sprechen.“ (Thomas Borchert)