Thursday, January 26, 2023

Großbritannien: 200 minderjährige Flüchtlinge verschwunden

DER SPIEGEL Großbritannien: 200 minderjährige Flüchtlinge verschwunden Artikel von Sebastian Stoll • Vor 7 Std. Die britische Regierung bringt unbegleitete minderjährige Geflüchtete derzeit in Hotels unter. Nun hat sich herausgestellt, dass viele von ihnen vermisst werden. Kinderschutzorganisationen befürchten das Schlimmste. In Großbritannien werden nach Regierungsangaben 200 Asyl suchende Minderjährige vermisst. Dutzende Wohltätigkeitsorganisationen sprachen am Donnerstag von einem »Kinderschutzskandal« und forderten in einem offenen Brief an Premierminister Rishi Sunak eine unabhängige Untersuchung. Die Regierung müsse ihre Praxis beenden, unbegleitete Minderjährige in Hotels unterzubringen und sie stattdessen in die Obhut von Spezialisten geben. Der zuständige Staatssekretär Robert Jenrick hatte kürzlich gesagt, das Innenministerium habe seit Juli 2021 mehr als 4600 unbegleitete Minderjährige in Hotels einquartiert. »Es gab 440 Vermisstenfälle, und 200 Kinder werden weiterhin vermisst, davon 13 unter 16 Jahren.« 88 Prozent der vermissten Kinder und Jugendlichen seien albanische Staatsangehörige, die restlichen zwölf Prozent stammten aus Afghanistan, Ägypten, Indien, Vietnam, Pakistan und der Türkei. In ihrem Schreiben warfen die Organisationen der Regierung vor, die Unterbringung junger Geflüchteter in Hotels sei eigentlich nur als kurzfristige Notlösung gedacht. Der Chef der Organisation Refugee Council, Enver Solomon, betonte, viele Minderjährige seien schwer traumatisiert. »Die Regierung hat die eindeutige gesetzliche Pflicht, sie zu schützen«, sagte er. Dies habe sie versäumt. Als Ergebnis sei »das Äquivalent mehrerer Klassenzimmer offenbar in den Fängen derer verschwunden, die sie ausbeuten und missbrauchen werden«. Die Zahl der Menschen, die illegal über den Ärmelkanal einreisen, hat zuletzt deutlich zugenommen. Den Zuzug einzuschränken und die Kontrolle über die eigenen Grenzen zu erhalten, war indes eines der Kernversprechen des Brexits. Kritiker weisen darauf hin, dass es kaum legale Einreiserouten für Schutzsuchende gibt. »Sie hätten nicht illegal herkommen sollen« Für Empörung sorgte der konservative Abgeordnete Jonathan Gullis. Auf Fragen von Labour-Politikern nach den vermissten Minderjährigen hatte er gesagt: »Sie hätten nicht illegal herkommen sollen.« Für Aufsehen sorgen zudem seit längerer Zeit Pläne der Regierung, Asylsuchende nach ihrer Ankunft in das ostafrikanische Ruanda zu schicken und dort einen Asylantrag stellen zu lassen. Auch die Möglichkeit der Altersfeststellung von Geflüchteten durch »robuste Kontrollen« wie Röntgenaufnahmen, Computertomografie und MRT-Bildgebung wird derzeit diskutiert.