Saturday, October 29, 2022

Das schnelle Karriere-Ende der Erbin – Verena Bahlsen verlässt die Führung des Keks-Konzerns

Business Insider Deutschland Das schnelle Karriere-Ende der Erbin – Verena Bahlsen verlässt die Führung des Keks-Konzerns Philip Kaleta - Vor 41 Min. Verena Bahlsen, die Tochter des Patriarchen Werner M. Bahlsen, verlässt die Geschäftsführung des gleichnamigen Keks-Konzerns. Im vergangenen Jahr war die 29-Jährige auf den einflussreichen Posten als aktive Gesellschafterin aufgestiegen. Schon diese Funktion galt als Zugeständnis ihres Vaters, Werner M. Bahlsen. Der wollte nach Informationen von Business Insider in der Vergangenheit nicht, dass sie einen Fuß in die Führungsebene setzt. Aber wer ist die Erbin des Keks-Unternehmens? Wie und wo wurde sie ausgebildet, wofür steht sie ein? Ausbildung und Nachhaltigkeit Nach ihrem Abitur in Hannover hat Verena Bahlsen ein Studium der Kommunikation und des Management am Kings College London und in New York angefangen. Sie hat es aber nie beendet, weil sie es als „sinnbringender“ empfunden habe, sich mit Ernährung zu beschäftigen, wie sie in einem Interview mit dem "Hessischen Rundfunk" einmal sagte. „Das große Thema meiner Generation ist Zukunftssicherung", sagte sie weiter. Und: „Wie sorgen wir dafür, dass wir in 20, 30, 40 Jahren alle etwas Gutes zu essen haben und es dem Planeten gut geht?" Bei dem Online Marketing Rockstars Festival in Hamburg wurde Bahlsen im vergangenen Jahr noch grundsätzlicher: "Wir haben ein Nahrungssystem, das nicht funktioniert. Das Ding wurde vor 100 Jahren erfunden, da haben wir angefangen, unsere Lebensmittel zu einem industrialisierten großen System zu bauen. Seitdem ist es gleich geblieben." Das System funktioniere nicht mehr, weil wir uns als Gesellschaft und als Welt verändert hätten. „Wir produzieren total viel Abfall, es schadet dem Planeten und richtig gesund ist es auch nicht für uns.“ Und darin wittert die Erbin eine enorme geschäftliche Chance. „Das größte Innovationsfeld ever“, nennt sie das. Wenn die Industrie anfinge, Konzepte vorzulegen, wie man bessere Verpackungen herstellt, Rohstoffe nachhaltiger gewinnt, wie man die vielen Menschen auf der Erde ernährt und bessere Nährwerte in die Lebensmittel kriegt — dann könne man das große Geld machen, sagt Bahlsen. Erste Schritte als Unternehmerin Es wundert also nicht, dass sie das Unternehmen „Hermann’s“ gegründet hat, eine hundertprozentige Tochter des Bahlsen-Konzerns. Ihr Startup ist Beratungsfirma und Restaurant zugleich. Letzteres befindet sich am hippen Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte. Dort wird ausschließlich mit nachhaltig angebauten Bioprodukten gekocht, ohne dass dabei Abfall produziert wird. Mit der Beratung will sie vor allem Marken im Lebensmittelbereich helfen, sich neu zu erfinden. Im Kern, so jedenfalls der Eindruck, wenn man die Selbstbeschreibung von Hermann’s auf der Homepage liest, will Bahlsen Unternehmen helfen, sich als nachhaltige Firma im Markt und im Bewusstsein der Kunden zu positionieren. Der Skandal An einem Mittwochvormittag im Mai im Jahr 2019 betritt Verena Bahlsen die Bühne in der Halle B8 der Hamburger Messe. Sie führt das Mikrofon an ihren Mund und braucht während ihrer knapp 19-minütigen Rede gerade einmal exakt 18 Sekunden, um ihre Aussichten auf die Thronfolge im 545 Millionen Euro schweren Keks-Unternehmen ihrer Familie zu gefährden. Verena Bahlsen ist bei dem Online Marketing Rockstars Festival (OMR), einem Event, das „internationale Stars des digitalen Marketings“ zusammenbringt, wie die Organisatoren auf ihrer Internetseite schreiben. Die Erbin ist zu dem Zeitpunkt 26 Jahre alt und verfügt über wenig Führungserfahrung. Sie will nicht falsch verstanden werden: „Ich bin Kapitalistin. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen und da freue ich mich auch drüber. Es soll mir auch weiterhin gehören. Ich will Geld verdienen und mir Segelyachten kaufen von meiner Dividende und so was“, sagt Bahlsen bei dem Auftritt. In den Sozialen Netzwerken schlägt ihr Wut entgegen. Twitter-Nutzer werfen Bahlsen vor, dass sie sich ihren Reichtum nicht selbst erarbeitet habe, dass sie reich geboren worden sei. Außerdem habe sie wohl vergessen, dass ihr ererbter Reichtum eben auch zum Teil auf Zwangsarbeit aus der Zeit des Nationalsozialismus gründe. Bahlsen wehrt sich und gibt der „Bild“ ein Interview. Folgender Satz fällt: „Bahlsen (das Unternehmen) hat sich nichts zuschulden kommen lassen.“ Zwangsarbeiter habe man entlohnt, wie die deutschen Mitarbeiter des Unternehmens, sagt die Erbin. Wie sich wenig später herausstellte, ist an dieser Aussage alles falsch. (Hier die Story zur Bahlsen-Geschichte während der NS-Zeit). Der versuchte Befreiungsschlag der Erbin wird zum Skandal. Bahlsen hat in dem Interview die Rolle des Unternehmens im Nationalsozialismus relativiert. Ein Image-Schaden vor Millionenpublikum. Nach den Äußerungen seiner Tochter gibt Werner M. Bahlsen der „Bild am Sonntag“ ein großes Interview, in dem er die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums ankündigt, das die NS-Vergangenheit von Bahlsen aufarbeiten soll. „Alles muss auf den Tisch“, sagt er. Ein wenig kehrt Werner M. Bahlsen damit auch die Scherben für seine Tochter Verena auf. In Zukunft wolle sich die Keks-Erbin neuen Projekten außerhalb von Bahlsen widmen, wurde nun bekannt. Was Verena Bahlsen genau machen will, ist nicht bekannt.