Monday, July 19, 2021

Laschet, Krisenmanager in eigener Sache

Laschet, Krisenmanager in eigener Sache Roman Deininger,Jens Schneider,Jana Stegemann vor 24 Min. | Die anderen machen Fehler, er macht nichts. Das war die Kanzler-Strategie des CDU-Chefs. In der Flutkatastrophe aber zeigt sich gnadenlos, was Armin Laschet kann – und was nicht. Die Lachnummer: CDU-Chef Armin Laschet in Erftstadt. Nicht im Bild ist der deutsche Bundespräsident Steinmeier, der gerade Hilfe für die Bewohner verspricht.© Bereitgestellt von Der Bund Die Lachnummer: CDU-Chef Armin Laschet in Erftstadt. Nicht im Bild ist der deutsche Bundespräsident Steinmeier, der gerade Hilfe für die Bewohner verspricht. Armin Laschet hat gerade die Geschichten der Menschen gehört, die alles verloren haben in den Fluten, die nichts haben retten können mit Ausnahme ihres blanken Lebens. Sie sitzen nun bei Nudeln und Kaffee in der Mensa des Ville-Gymnasiums in Erftstadt, jenem Ort vor den Toren Kölns, den man künftig vor allem mit dem furchterregenden Krater verbinden wird, der sich hier aufgetan hat. Die Schule ist eine Notunterkunft, der Ministerpräsident ist zu Besuch, aber langsam muss er los. «Alles Gute», ruft Laschet, er hebt die rechte Hand, den Daumen gedrückt. Ein älterer Herr erwidert sehr ernst: «Auch Ihnen alles Gute!» Das, so viel steht fest, kann Armin Laschet brauchen. In den Tagen nach Katastrophen aller Art setzt irgendwann die Diskussion ein, ob man schon über politische Konsequenzen reden dürfe. Die Frage wird stets eher früher als später bejaht: Man dürfe nicht nur, man müsse! Nach dem Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, dessen Opfer noch nicht einmal alle geborgen sind, ist dieser Prozess jetzt umständehalber etwas beschleunigt worden, in zwei Monaten wird schliesslich ein neuer Bundestag gewählt. Und natürlich würde niemand – ausser einigen Damen und Herren von der AfD – bestreiten, dass die Verheerung dieser Tage mit dem Klimawandel zusammenhängt, über dessen passgenaue Bekämpfung die Parteien streiten. Die Strategie des Kandidaten Laschet sah vor, sich einen Sommer lang nicht mehr als irgend nötig zu rühren. Aber dann kam das Wasser über Nordrhein-Westfalen. Alle Augen richten sich nun auf Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der CDU, der auf dem Weg zur Macht eigentlich nur noch über die eigenen Füsse stolpern kann. Für die Vorstellung, dass dieser unwahrscheinliche Fall tatsächlich eintreten könnte, reicht heute wesentlich weniger Fantasie als noch vor wenigen Tagen. Da hatte es geheissen: Damit die Grünen die in den Umfragen enteilende Union wieder einfangen könnten, müsste Laschet schon anfangen, schwere Fehler zu machen – Anfängerfehler, wie sie beispielsweise zuletzt der Anfängerin Annalena Baerbock unterlaufen waren. Im Vergleich zu seiner grünen Kontrahentin ist der Regierungschef Laschet jedoch ein erfahrener Profi, und noch dazu ein Mann, der seinen ganzen Wahlkampf darauf ausgelegt hat, Fehler zu vermeiden. Von Grottenolmen weiss die Wissenschaft, dass sie in dunklen Höhlen leben und sich bis zu sieben Jahre nicht bewegen; recht viel mehr weiss man aus genau diesem Grund nicht über sie. Die Grottenolm-Strategie des Kandidaten Laschet sah vor, sich einen Sommer lang nicht mehr als irgend nötig zu rühren. Er hatte durchaus Grund zur Annahme, dass das genügen würde, um am Ende Angela Merkel nachfolgen zu dürfen. Aber dann kam das Wasser über Nordrhein-Westfalen. Noch am Abend entschuldigt sich Laschet für das Lachen Die Naturgewalten wiesen Laschet über Nacht eine Rolle zu, für deren zumindest klassische Besetzung er nicht gemacht ist: den Krisenmanager. Es ist eine Rolle, die – auch wenn es zynisch klingt – oft ein politisches Geschenk war für Exekutivkräfte. Bei Laschet gibt es inzwischen Indizien, dass sie zur Belastung werden könnte. Seit Samstagnachmittag gibt es im Besonderen ein Riesentrumm von Indiz, ein Bild, bei dem wohl bereits gar nicht mehr die Frage ist, ob es in allen Jahresrückblicken auftauchen wird, sondern vielmehr, ob es dereinst Buchcover zieren wird – als Wendemoment des Wahlkampfes 2021. So weit ist es jedoch noch lange nicht, aktuell ziert es in erster Linie die Tweets der parteipolitisch oder anderweitig Empörungswilligen. Das Foto, ein Beweisvideo liegt natürlich auch vor, zeigt Laschet in der Feuerwehrleitzentrale des Erftstadter Ortsteils Liblar, die er gemeinsam mit dem Bundespräsidenten besucht. Die Lage ist katastrophal, der Verlust gross – und Armin Laschet lacht. Während Frank-Walter Steinmeier vor den Mikrofonen steht und spricht, ist einige Meter dahinter Laschet zu sehen – der lacht. Es ist kein Grinsen, sondern ein ziemlich herzhaftes Lachen, ein wenig so, als hätte irgendwer einen guten Witz gemacht. Dieser Part könnte einer in der Nähe stehenden Frau zugefallen sein, jedenfalls antwortet Laschet auf deren offenbar äusserst lustige Bemerkung – und ein ganzes Grüpplein von örtlichen Honoratioren und Mitarbeitern gerät für einige Sekunden ins Gackern. In einer speziell unvorteilhaften Sekunde schiebt Laschet die Zunge unter den Zähnen hervor. «Laschet lacht im Leid», titelt die Bild. «Ich bin wirklich sprachlos», lässt der erfahrungsgemäss selten sprachlose SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wissen. Der Pianist Igor Levit erkennt «würdeloses Verhalten»; Peter Dabrock, ehemals Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, kritisiert «Pietätlosigkeit» gegenüber den Opfern. SPD-Vize Kevin Kühnert erklärt die Sache gleich zu «einer Frage des Charakters», die sich aber offensichtlich nur bei Kanzlerkandidaten von der CDU stellt, nicht bei Bundespräsidenten von der SPD. Denn auch Steinmeier ist auf einigen Aufnahmen lachend zu sehen – ebenfalls im Gespräch mit dieser einen offenkundig wirklich sehr humorbegabten Dame. Das Glück des politisch in Niedersachsen sozialisierten Steinmeier ist es, dass sein Amüsement sich weniger wiehernd ausdrückt als das des Rheinländers Laschets. Am Abend reagiert Laschet bei Twitter. Er schreibt, wie sehr ihn das «Schicksal der Betroffenen» der Flut am Herzen liege: «Umso mehr bedauere ich den Eindruck, der durch eine Gesprächssituation entstanden ist. Dies war unpassend und es tut mir leid.» Aus Laschets Umfeld ist zu hören, dass die Szene «nicht hätte passieren dürfen». Erklärend wird angeführt, dass sowohl Laschet als auch Steinmeier die Fernsehstatements des jeweils anderen nicht hatten hören können. Die Bild wartet dann noch mit der Theorie auf, dass wenigstens das Lachen des Bundespräsidenten einem Reporter gegolten habe, der sich auf dem Bauch liegend Notizen machte. Nun ist Laschets Lachen am Ground Zero der Zerstörung ohne jeden Zweifel sehr unglücklich. Über den Menschen Laschet sagt es allerdings wohl weit weniger aus, als es seinen Kritikern recht wäre. In deren Sinne könnte es aber schon reichen, wenn die Begebenheit etwas über den Politiker Laschet aussagte – über den Kanzlerkandidaten, der zur Unzeit Schwäche zeigt, dem für ein paar verhängnisvolle Sekunden die Konzentration fehlt. Und über die röntgenähnliche Beobachtung, der er nun bis zum Wahltag am 26. September ausgesetzt sein wird. Seit Samstag ist Armin Laschet auch Krisenmanager in eigener Sache. «Germany's Next Deichgraf» wird er jetzt eher nicht mehr werden. Bisher hatte gefühlt jedes deutsche Hochwasser seinen politischen Deichgrafen, und das ist verknüpft mit klaren Vorstellungen über dessen Profil, das vor fast sechzig Jahren Helmut Schmidt geprägt hat: zupackend, klar und, ja, ernst. Im Februar 1962 zog der damalige Hamburger Innensenator bei der grossen Sturmflut die Einsatzleitung an sich und koordinierte die Rettungsaktionen. Weit über seine Heimatstadt hinaus formten die Ereignisse das Bild eines bewährten Krisenbewältigers, das ihn Jahre später ins Kanzleramt trug. Dabei würde Schmidt heute für den eigenmächtigen Einsatz der Bundeswehr im Inland vermutlich nicht belobigt, sondern ins Bezirksamt Altona strafversetzt. Mythische Fluthelden Der Ruhm der mythischen Fluthelden der deutschen Politik wird im Nachhinein immer noch grösser, und gelegentlich kann man den Eindruck haben, dass Medien und Menschen bei einem Hochwasser sofort den passenden Helden suchen. Ähnlich legendär wie Schmidt, wenn auch im kleineren Massstab, sollte das Auftreten von Matthias Platzeck bei der Oderflut 1997 werden, als der Brandenburger Umweltminister auf den Deichen Präsenz und Entschlossenheit zeigte. Bald folgten Jahre als Ministerpräsident in Potsdam. Und dann war da das Hochwasser im Wahljahr 2002. Als zupackender Regierungschef war in Sachsen der christdemokratische Ministerpräsident Georg Milbradt auf den Deichen unterwegs, er empfing auch den Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber, zeigte ihm im Hubschrauber das verwüstete Land. Nur wo hätte der CSU-Politiker aus Bayern zupacken sollen? Es war der sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder, der in Sachsen in Gummistiefeln an der Seite der Landespolitiker die zerstörten Städte besuchte. Viele Bilder zeigten ihn im direkten Gespräch mit Flutopfern, denen er schnelle, unbürokratische Hilfe versprach. Bald holte Schröder in den Umfragen gegenüber Stoiber auf, und im September 2002 lag seine SPD hauchdünn vor CDU und CSU. Gerhard Schröder und Georg Milbradt in Gummistiefeln im überfluteten Grimma.© Foto: Eckehard Schulz (Keystone/AP) Gerhard Schröder und Georg Milbradt in Gummistiefeln im überfluteten Grimma. War es Stoibers Fehler, dass er zu zurückhaltend war? Diese Frage stellt sich mit gewisser Dringlichkeit für Armin Laschets Konkurrenten um das Kanzleramt, die Hobbyhistoriker Olaf Scholz und Annalena Baerbock. Der SPD-Spitzenkandidat Scholz besitzt immerhin als Bundesfinanzminister die Lizenz zum Gummistiefel-Tragen – und zum Einsatz der Fluthilfen-Bazooka. Die Opfer, kündigt er am Sonntag an, wolle er sofort mit 300 Millionen Euro unterstützen. Ausserdem werde er ein milliardenschweres Aufbauprogramm für die betroffenen Regionen vorlegen. Für Baerbock ist die Lage komplizierter, auch wenn immerhin auf einen Schlag die Tage vorbei sind, an denen sie nach Zitaten aus ihrem Buch gefragt wird, die nicht direkt von ihr stammen. Es gibt jetzt wichtigeres, und das spüren die Grünen schon an diesem Wochenende bei allen Anfragen. Baerbock und ihre Parteifreunde können davon ausgehen, dass dieses dramatische Hochwasser ihnen politisch mehr nutzen als schaden wird. Aber sie müssen gar nicht darauf hinweisen, das machen schon die anderen. Jede Geste des Triumphes würde unpassend wirken, auch jedes: Haben wir euch doch schon lange gesagt. Die Parteiführung der Grünen setzt momentan auf grösstmögliche Zurückhaltung. Bloss keinen Gummistiefel-Tourismus, bloss keine Fotos. Allein: Was die Kandidatin nun genau tun und sagen soll, das bedarf sorgfältigster Abwägung, eine Qualität, mit der die Grünen-Kampagne bisher nicht aufgefallen ist. Die Parteiführung setzt momentan auf grösstmögliche Zurückhaltung. Bloss keinen Gummistiefel-Tourismus, bloss keine Fotos, so ist die Haltung, auch im Wissen, dass Politiker ohne Amt und Aufgabe in einem Krisengebiet immer ein wenig deplatziert wirken. Wie sagte doch Robert Habeck in einer seiner freundlichen Handreichungen für die Kandidatin schon am Freitag: Man stört da schnell. In Erftstadt-Blessem sind die Verwüstungen gewaltig.© Foto: Michael Probst (Keystone/AP) In Erftstadt-Blessem sind die Verwüstungen gewaltig. Baerbock hat ihren Urlaub abgebrochen, sie ist zu Gesprächen ins Krisengebiet gereist, aber ausdrücklich nicht in die Orte schlimmsten Leids. Es gab keine Ankündigungen und keine Pressebegleitung, und nach der Entrüstung über Laschets Lachen kann die Partei erst mal das Gefühl haben, dass sie jetzt alles richtig macht – auch wenn es einige jucken wird, es nun doch öffentlich schon immer gewusst haben zu wollen. Wann darf man, wann muss man über politische Konsequenzen reden? Baerbock ist in der Stoiber-Situation, sie hat so ganz direkt im Krisengebiet nichts zu schaffen, aber der Unterschied ist natürlich, dass das Klimathema auch so für sie arbeitet. Die Grünen haben Zeit, das strahlt die Partei am Wochenende aus, nachdem allzu forsche Stimmen aus den eigenen Reihen erfolgreich zur Ordnung gerufen wurden. Erst mal sendet die Kanzlerkandidatin nur vorsichtig formulierte Botschaften auf Twitter, kurz und ohne Besserwisserei. Sie schreibt über den Wiederaufbau, der Wochen, wenn nicht Monate dauern werde, «eine nationale Aufgabe und gemeinsam werden wir das schaffen». Und über die Notwendigkeit, das Land besser auf Krisen vorzubereiten, sowie, selbstverständlich, ein «Klimaschutzsofortprogramm», das jetzt gebraucht werde. Laschet will Politik nicht ändern Alles ist vom Gefühl geprägt, dass sie sich nicht ins Bild drängen muss. Sie wird gefragt sein, wenn es um die Folgerungen aus dieser Katastrophe geht – für den Montag ist schon ein Fernsehinterview geplant. Fernsehinterviews zum Klimawandel sind wiederum nicht gerade Armin Laschets Paradedisziplin – das Thema wird für ihn kein echtes Gewinnerthema mehr werden. Er gerät da rasch in die Defensive, reagiert genervt, manchmal fast ungehalten auf Fragen, die ihm nicht passen. Seine Antworten beginnen dann meist mit einem lang gezogenen «Neeeein» und mit dem Argument, dass NRW ja schneller als gedacht aus der Braun- und Steinkohle aussteige. Emotional wird Laschet nur, wenn er darüber spricht, was das für Bergleute bedeutet, sein Vater Heinz arbeitete Jahrzehnte in einer Zeche. Bei der Feuerwehr Hagen sagte Laschet am Donnerstag, es brauche «mehr Tempo bei Massnahmen zum Klimaschutz». Aber auf eine Nachfrage sagte er auch: «Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.» Diesen Satz wiederholte er am Abend im WDR. Eine Erzählung vom Klima-Aufbruch nach dem Hochwasser, wie sie möglicherweise ein anderer Ministerpräsident aus dem Süden jetzt stricken würde? Klingt anders. Er kann auch ernst: Armin Laschet beim Besuch der Notunterkunft in Erftstadt. Sein Wahlkampf wird nach seinem missglückten Auftritt im Krisengebiet wohl eher schwieriger werden.© Foto: Oliver Berg (Keystone/DPA) Er kann auch ernst: Armin Laschet beim Besuch der Notunterkunft in Erftstadt. Sein Wahlkampf wird nach seinem missglückten Auftritt im Krisengebiet wohl eher schwieriger werden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man nur darüber spekulieren, ob und wie die Jahrhundertflut den Wahlkampf verändern wird. Werden wir uns an das Hochwasser 2021 eines Tages so erinnern wie an das von 2002? Sicher ist lediglich, dass ein ereignisloser Wahlkampf nun ein Ereignis hat. Und dass dieses Ereignis den Wahlkampf für Laschet mehr zum Auswärts- als zum Heimspiel macht. Anderseits gibt es solche Krisenmanager und solche. Wenn Schröder der Macher war, war Platzeck der Erklärer. Dass Laschet kein übermässiges Talent für wuchtige Auftritte und eindeutige Botschaften mitbringt, hat die Pandemie gezeigt. Aber erstens wird Laschet nun ganz schlicht daran gemessen werden, ob die Soforthilfen auch sofort ankommen – Dinge, die in Lederslippern verrichtet werden, sind oft weitreichender als jene, die Gummistiefel erfordern. Und zweitens: Wer mit ihm am Samstag die Notunterkunft für Evakuierte in Erftstadt besucht, erkennt ein anderes Talent, das ihm noch nützlich sein könnte. Auch die bei Twitter virulente Frage, ob es ihm an Ernsthaftigkeit und Anteilnahme fehle, wird dort beantwortet. Als der Bürgermeister des geplagten Schuld sein Statement unterbrechen und weinen muss, schaut Merkel ihn tröstend an – man wird diese Merkel-Blicke vermissen, egal, wer ihr nachfolgt. «Tach zusammen», sagt er und setzt sich an einen Tisch mit Leuten, die jetzt auf der Strasse stehen. Er hört zu, manchmal berührt er ganz vorsichtig eine Schulter, ab und an tätschelt er eine Hand. «Mein Gott», sagt er, wenn er Geschichten hört, zu denen es erst mal nichts anderes zu sagen gibt. Könnte Armin Laschet nicht einfach der Kümmerer sein? Am Ende sagt der Einsatzleiter der Johanniter, ein Bayer, der schon viele Katastrophen und viele Politiker erlebt hat: «Das hat er gut gemacht. Die meisten laufen nur durch und winken.» Merkel findet die richtigen Worte Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Laschet nicht der politische Marktführer in Sachen Empathie ist. Am Sonntagmittag besuchen Angela Merkel und Malu Dreyer die völlig zerstörte Eifelgemeinde Schuld. Beide laufen Seite an Seite durch das Trümmerfeld, die Bundeskanzlerin stützt die an Multipler Sklerose erkrankte Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, hält ihre Hand. Merkel und Dreyer sollen sich Berichten zufolge – es war nur ein Kamerateam zugelassen – bei Betroffenen und Helfern erkundigt haben, was sie ihnen bitte mit auf den Weg geben wollten. Kanzlerin Angela Merkel und Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, gehen durch das vom Hochwasser verwüstete Dorf Schuld in der Nähe von Bad Neuenahr-Ahrweiler. © Foto: Christof Stache (DPA Pool AFP/Keystone) Kanzlerin Angela Merkel und Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, gehen durch das vom Hochwasser verwüstete Dorf Schuld in der Nähe von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Jetzt sitzen die beiden Politikerinnen vor dem etwa zwölf Kilometer entfernten Rathaus von Adenau, einem 3000-Einwohner-Ort im Herzen der Hocheifel. Beide wirken bewegt von dem, was sie gerade gesehen haben. Die Sonne scheint ihnen ins Gesicht, die Kanzlerin spricht «von der surrealen, gespenstischen Situation». Für die Verwüstung, die sie gesehen habe, kenne «die deutsche Sprache kaum Worte». Merkel findet sie trotzdem. Sie benennt einfühlsam, was sie gesehen hat, sie preist die «überwältigende Hilfsbereitschaft» in der Region, sie sagt: «Wir stehen an Ihrer Seite. Bund und Land werden gemeinsam handeln, um die Welt Schritt für Schritt wieder in Ordnung zu bringen.» Ende August werde sie die Region noch einmal besuchen, kündigt Merkel an. Als der Bürgermeister des geplagten Schuld sein Statement unterbrechen und weinen muss, schaut Merkel ihn tröstend an – man wird diese Merkel-Blicke vermissen, egal, wer ihr nachfolgt. Die Leute klatschen. Nachdem die Journalisten ihre Fragen an Merkel und Dreyer gestellt haben, tritt eine Bürgerin ans Mikro. Dass überhaupt Bürger da sein können, ist schon ein Unterschied zum abgeschotteten Auftritt von Steinmeier und Laschet in Erftstadt. Dreyers Pressesprecherin wird nervös («Es ist eine Pressekonferenz»), doch Merkel und Dreyer bleiben sitzen, hören sich auch diese Frage an. Als Dreyer mit viel Detailwissen die Situation eines Kreiskrankenhauses schildert, wird die Bürgerin von einer Bild-Reporterin weggezogen. Merkel unterbricht Dreyer freundlich und spricht die Journalistin übers Mikrofon an: «Können Sie die Dame vielleicht noch zuhören lassen, was die Ministerpräsidentin sagt und hinterher ihr Interview machen, das wär doch super. So. Damit Sie das einfach noch hören können, was Frau Dreyer sagt.» Die Menge spendet warmen Applaus. Es gibt keinen Deich in Adenau, aber wenn es einen gäbe, gäbe es auch eine ganz heisse Favoritin für den Posten der Gräfin.