Wednesday, January 3, 2024

Das Ja der FDP zur Ampel ist nicht das Ende der Koalitionskrise – im Gegenteil

WELT Das Ja der FDP zur Ampel ist nicht das Ende der Koalitionskrise – im Gegenteil Artikel von Nikolaus Doll • 22 Std. Die Revolution in der FDP bleibt aus – doch für Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ampel-Koalition ist das keine Entwarnung: Parteichef Christian Lindner kündigt an, das „liberale Profil“ in der Bundesregierung zu betonen. So dürfte der Dauerknatsch nur weiter eskalieren. Beim Dreikönigstreffen der FDP hätte der Ruch der Revolution in der Luft liegen können, „König“ Christian Lindner womöglich seine Regentschaft in der Bundesregierung ernsthaft verteidigen müssen. Aber die Mitgliederbefragung ist glimpflich ausgegangen für die Parteispitze. Eine Mehrheit der Befragten hat sich für den Verbleib in der Ampel-Regierung ausgesprochen. Es kann also bleiben, wie es ist: Koalition und Knatsch. Zwar hätten sich die FDP-Oberen einer mehrheitlichen Forderung von den Parteimitgliedern nach Aufkündigung des Regierungsbündnisses nicht fügen müssen. Aber wie hätte FDP-Chef Christian Lindner bei einem Sieg der Ausstiegsbefürworter seiner Partei – und dem Wahlvolk – weiter erklären wollen, dass sein Satz von November 2017, „es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ so überhaupt gar nicht mehr gilt? Bei der Unruhe in der Partei – und angesichts von Umfragewerten der Ampel bundesweit von derzeit deutlich unter 30 Prozent –, wobei die FDP bei fünf Prozent dahindümpelt? Hätten die Liberalen, die die Ampel ausknipsen wollen, obsiegt, würde sich die ohnehin dramatische Haushaltskrise zu einer Regierungskrise auswachsen. Es ist gut, dass das dem Land in diesen Zeiten erspart bleibt. Denn was wären ganz aktuell, also kurzfristig, die Alternativen? Die rot-grün-gelbe Regierung hat sich also wieder über eine Krise hinweggerettet. Aber über den Berg ist die Koalition damit nicht. Noch lange nicht. Denn Christian Lindner hat umgehend erklärt, welchen Schluss er aus dem Ergebnis der Mitgliederbefragung zieht: den „klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen“. Das wird SPD und Grüne weiter reizen. Aus dem Dauerknatsch kann so schnell ein Zerwürfnis werden, das zur Regierungsunfähigkeit führt, weil Einigungen endgültig nicht mehr möglich sind. Wie hart die Bandagen sind, mit denen gekämpft wird, dürfte man in einigen Tagen erleben können – bei der Fortsetzung der Debatte zur Haushaltssanierung. SPD und Grüne werden alles versuchen, um die Schuldenbremse auszuhebeln, die FDP wird nun noch härter dagegenhalten. Geld aber ist der Kitt, der diese Koalition zusammenhält – neben der Tatsache, dass Schwäche zusammenschweißt. Damit die selbsternannte Fortschrittskoalition nicht im Desaster endet, sollten Grüne und FDP einander die Karten legen – und herausfinden, welche Gemeinsamkeiten es noch gibt. Klar ist: Bei solchen „Zitrus-Gesprächen“ muss mehr herauskommen als lustige Selfies. Der Kanzler müsste viel stärker als bisher Führungsstärke zeigen und die Koalition mit klaren Ansagen zusammenhalten. Außerdem wäre die Ampel gut beraten, wenn sie den Koalitionsvertrag endlich ins Altpapier geben würde. Die Prioritäten müssen völlig neu gesetzt werden, gut gemeinte Projekte und Visionen vom Tisch, der Fokus voll auf Krisenmanagement liegen. Erinnerungen an die Ära der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) werden da wach: auf Sicht fahren, anstatt große Politikentwürfe zu wagen. Das klingt schal, ist aber das einzig Richtige in Krisenzeiten.