Wednesday, January 31, 2024

„Nur 2 Geschlechter“ – Grüne erklären Fußball-Banner für „menschenverachtend“

WELT „Nur 2 Geschlechter“ – Grüne erklären Fußball-Banner für „menschenverachtend“ Geschichte von Marcel Leubecher • 1 Std. Der DFB verhängt eine Geldstrafe gegen den Bundesligisten Bayer Leverkusen. Der Grund: Fans des Fußballvereins vertraten auf einem Banner die biologische Definition von zwei Geschlechtern. Im Bundestag gehen die Meinungen über diese Positionierung und die Strafe weit auseinander. Die Frage, was der Begriff Geschlecht bedeutet, ist hochumstritten. Auf der einen Seite stehen jene, die ihn klassisch definieren, also anhand von biologischen Eigenschaften, nach denen sich männliche und weibliche Wesen unterscheiden. Auf der anderen Seite stehen jene, die den Begriff auch oder vor allem als soziale Kategorie begreifen. Der größte deutsche Sportverband, der Deutsche Fußball-Bund (DFB), duldet in dieser Frage keine zwei Meinungen: Weil Anhänger von Bayer Leverkusen am 25. November vergangenen Jahres im Stadion in Bremen ein Banner mit der Aufschrift „Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur 2 Geschlechter!“ zeigten, verhängte der DFB am Montag eine 18.000-Euro-Geldstrafe gegen den Bundesligisten. Die Meinungsäußerung der Bayer-Fans, die von einer Zweiteilung der Geschlechter ausgehen, verurteilte der DFB als „diskriminierendes unsportliches Verhalten“. Der Fußballklub hat dem Urteil bereits zugestimmt, womit es rechtskräftig ist. Geschäftsführer Fernando Carro, sagte der „Bild“-Zeitung: „Diese Aktion war geschmacklos und falsch, und sie hat nichts mit Werten wie Offenheit und Toleranz zu tun, für die Bayer 04 als Organisation steht.“ Laut DFB darf der Verein von der 18.000-Euro-Strafe aber 6000 Euro für „präventive Maßnahmen gegen Diskriminierung“ verwenden, was bis zum 31. Juli 2024 nachzuweisen wäre. Wie die Fraktionen im Bundestag reagieren Im Bundestag stößt das Vorgehen des DFB auf klare Zustimmung – und ebenso klare Ablehnung. Tina Winklmann, die sportpolitische Sprecherin der Grünen, sagte WELT: „Das Banner ist menschenverachtend und diskriminierend und aus diesem Grund zu verurteilen. Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft und macht sie stark.“ Deshalb sei es richtig, dass ein Zeichen gegen diskriminierendes Verhalten gesetzt worden sei. Es sei wichtig, dass Sportverbände und -organisationen Maßnahmen ergreifen, um „klare Kante gegen Diskriminierung“ zu zeigen. „Der DFB ist dieser Verantwortung nachgekommen und hat deutlich gemacht, welche Konsequenzen Fehlverhalten hat und dass Fehlverhalten nicht toleriert wird. Dies ist wesentlich für den Erhalt eines vielfältigen und offenen Fußballs.“ Die SPD-Sportpolitikerin Sabine Poschmann begrüßt „grundsätzlich, dass der DFB konsequent gegen ausgrenzendes Verhalten in Fußballstadien vorgeht und eine klare Haltung zeigt“. Gerade der Sport stehe für Zusammenhalt und solle Diskriminierungen nicht tolerieren. „Das Banner im vorliegenden Fall richtet sich offensichtlich gegen Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. In Deutschland ist die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern jedoch rechtlich anerkannt. Vor diesem Hintergrund halte ich die Entscheidung des DFB für nachvollziehbar.“ Für Stephan Mayer (CSU), bei der Union für Sportpolitik zuständig, ist „Queerfeindlichkeit auch im Sport generell deplatziert. Es ist aber fraglich, ob der DFB mit der Ahndung des Banners klug beraten war, denn dadurch scheint dessen Botschaft eine unangemessen hohe Aufmerksamkeit erlangt zu haben.“ Jörn König, der sportpolitische Sprecher der AfD, sieht es ganz anders: „Die Aussage der Leverkusener Fans ist vollkommen richtig. Selbst wenn die Aussage falsch sein sollte, fiele sie unter die Meinungsfreiheit. Strafzahlungen sind völlig unangebracht.“ Auch unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert Der Psychologe Philip Zimbardo bietet in seinem an vielen Universitäten verwendeten Lehrbuch einen griffigen Versuch, die Geschlechtsdebatte zu ordnen. Er definiert das biologische Geschlecht aufgrund biologischer Merkmale – etwa „unterschiedlicher Funktionen bei der Fortpflanzung, hormoneller und anatomischer Unterschiede“. Im Gegensatz zum biologischen Geschlecht sei das soziale Geschlecht ein „psychologisches Phänomen“, das sozial erlerntes Verhalten und Einstellungen umfasse. Mit der Geschlechtsidentität definiert Zimbardo das individuelle Bewusstsein des eigenen Geschlechts. Geschlechterrollen schließlich sind für den US-Psychologen „Verhaltensweisen und Einstellungen, die in einer Gesellschaft mit dem weiblichen oder männlichen Geschlecht verknüpft und vom Individuum öffentlich zum Ausdruck gebracht werden.“ Auch das Bundesverfassungsgericht befasste sich schon mehrmals mit der Frage nach der Geschlechtsdefinition. In einem Urteil von 2017 heißt es: „In den medizinischen und psychosozialen Wissenschaften besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt, sondern von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird.“ Die bekannte Biologin Christiane Nüsslein-Volhard kritisierte diesen Satz der Karlsruher Richter in einem „Emma“-Interview scharf: „Das ist Unfug. Wie man sich fühlt, das lässt sich durch soziale und psychologische Umstände ändern. Das biologische Geschlecht aber eben nicht. Das ist dort, wo wirklich Wissenschaft betrieben wird, auch völlig unstrittig.“ Der Professor für Sexualwissenschaft, Heinz-Jürgen Voß, erklärte hingegen in der „Berliner Zeitung“, „die Mehrheitsmeinung in der Biologie“ entwickele sich in die Richtung, dass es eine „Vielfältigkeit der Geschlechter“ gebe. Das „zweigeschlechtliche Raster“ werde „innerhalb der biologischen Forschung“ zunehmend infrage gestellt. Während die Forscher noch streiten und argumentieren, ist der DFB schon einen Schritt weiter.