Saturday, January 20, 2024

Wie Hendrik Wüst doch noch Kanzlerkandidat der CDU/CSU werden könnte

Merkur Wie Hendrik Wüst doch noch Kanzlerkandidat der CDU/CSU werden könnte Artikel von Max Müller • 22 Std. K-Frage der Union Friedrich Merz ist gerade der Favorit auf die Kanzlerkandidatur der Union, sagt Politologe Thomas Biebricher. Doch es gibt da einen Stolperstein – dann könnte Hendrik Wüsts Stunde schlagen. Über Gerhard Schröder kursiert die Anekdote, dass er als Juso-Chef nach einer Kneipentour am Zaun des Bonner Kanzleramts rüttelte und schrie: „Ich will da rein.“ Derlei Geschichten sind 2024 im Rennen um die CDU-Kanzlerschaft nicht bekannt, ja geradezu undenkbar. Am wenigsten dürfte dieses Bild für Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, passen. Und das liegt nicht in erster Linie daran, dass Berlin weiter entfernt ist als Bonn vom NRW-Regierungssitz in Düsseldorf. Dass Wüst aktuell an keinem Zaun rütteln kann, liegt für Thomas Biebricher auf der Hand. „Dafür ist Friedrich Merz aktuell zu klar der Favorit“, sagt der Politikwissenschaftler von der Universität Frankfurt. Doch das müsse nicht viel heißen. Denn im Jahr 2024 könnte durch die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nochmal kräftig Bewegung in die Kanzlerdebatte kommen. „Die Wahlen im Osten spielen eine entscheidende Rolle. Sie können zum Stolperstein für Merz werden, weil sich dann zeigen wird, ob sein Kurs erfolgreich ist. Die Kernfrage lautet: Wie gut behauptet sich die CDU gegen die AfD?“ Hendrik Wüst als Verwalter des Merkel-Erbes Immer wieder wurde Merz in der Vergangenheit vorgeworfen, allzu sehr nach rechts zu steuern. Über ausreisepflichtige Asylbewerber sagte er: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Schüler mit Migrationshintergrund qualifizierte er als „kleine Paschas“. Eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene schloss Merz in einem Interview nicht aus, was viele Beobachter als Dammbruch werteten. Kurze Zeit später relativierte er diese Aussagen und bekräftigte, dass es doch keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. Laut einer Umfrage zur Kanzlerpräferenz liegt Hendrik Wüst (rechts) vor Friedrich Merz. Insofern ist es auch nicht allzu überraschend, dass Hendrik Wüst kürzlich in der Migrationsfrage eine „Allianz der Mitte“ forderte. Denn klar ist: Verfängt Merz‘ Kurs nicht, könnte die Stunde von Wüst schlagen, glaubt Politologe Biebricher. „Er versucht, sich als legitimer Nachfolger von Angela Merkel zu positionieren: nüchtern, unaufgeregt und sehr in der politischen Mitte.“ Wie Merkel fehle Wüst zwar eine große Vision, was seine Chancen aber nicht schmälern müsse. „Wüst hat mehrfach deutlich gemacht, dass er kein Freund vom Merz-Kurs ist. Sollten die Zeichen im Spätsommer eher auf einen moderaten Kurs stehen, dann wäre er natürlich gegenüber Merz der passendere Kanzlerkandidat.“ Wüst liegt aktuell vor Merz Die Zeichen im Januar 2024 stehen jedenfalls klar auf Wüst, zumindest wenn man die Wähler fragt. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage zur Kanzlerpräferenz liegt Wüst vor Merz. Demnach würden sich für Wüst 36 Prozent der Wähler entscheiden, Merz kommt nur auf 28 Prozent. In NRW, aus dem beide Politiker kommen, liegt Wüst sogar mit 46 Prozent deutlich vor Merz (29 Prozent). Das wird nur von Markus Söder, dem dritten Kanzlerkandidaten, getoppt, der in Bayern mit 54 Prozent das Rennen machen würde. Dahinter erhält Wüst 40 Prozent Zustimmung, Merz 32 Prozent. Solche Nachrichten perlen an Wüst bislang ab – zumindest nach außen. Sein Mantra lautet: Sein Platz sei „derzeit“ in NRW. Übliche Rhetorik? „Ja, ein Markus Söder würde auf die Frage auch sagen, dass sein Platz in Bayern sei. Es wäre höchst unprofessionell, seine Ambitionen jetzt deutlich zu machen“, sagt Biebricher. Dennoch zeigt Wüst, dass er mitreden möchte. Ende 2023 sorgte er mit der Ankündigung für Aufsehen, bei der Kandidatenkür mitentscheiden zu wollen. „Wie auch die CSU nachvollziehbar beansprucht, hierbei mitzuentscheiden, tun dies auch die Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU“, sagte er dem Spiegel. Gegenüber Merz hat Wüst einen entscheidenden Vorteil: das Alter. Wüst ist 48 Jahre alt und damit 20 Jahre jünger als Merz. Ein Malus, den Merz im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur selbst thematisierte. „Ich wäre nach Konrad Adenauer der älteste Bewerber um das Amt des Bundeskanzlers. Das sind Überlegungen, die ich auch im Blick behalten muss.“ Wüst kann in dieser Hinsicht ganz gelassen bleiben. „Er hat den Großteil seiner politischen Karriere noch vor sich, alleine schon deshalb wird es sich jetzt zurückhalten. Er muss nicht auf Biegen und Brechen bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren“, sagt Politikwissenschaftler Biebricher.