Tuesday, January 16, 2024
Holger Zastrow tritt aus FDP aus
DER SPIEGEL
Holger Zastrow tritt aus FDP aus
4 Std.
Er ertrage die Berliner Politik nicht mehr, sagte der ehemalige sächsische FDP-Chef Holger Zastrow. Nun verlässt er die Partei, deren Landesverband er 20 Jahre lang führte. Mit der FDP-Spitze geht er hart ins Gericht.
Die FDP in Sachsen verliert ein prominentes Mitglied: Holger Zastrow, einst Landeschef der Liberalen, kehrt seiner Partei den Rücken. Zastrow bestätige entsprechende Medienberichte auf X (vormals Twitter).
Er habe nach 30 Jahren die FDP verlassen, schrieb er. »Die Entscheidung fiel mir nicht leicht und ist für mich hochemotional. Aber es geht nicht mehr.« Zur Begründung verwies Zastrow auch auf die Rede von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Bauerndemonstration am Montag in Berlin. Diese sei »der letzte Tropfen« gewesen.
Anlass für seinen Schritt sei bei aller Kritik nicht die Politik des sächsischen FDP-Landesverbandes oder die der FDP in Dresden, sondern die Politik der FDP in der Ampel, hieß es. Vor allem das Zusammengehen der Liberalen mit den Grünen sei ein No-Go. In seiner Austrittserklärung schreibt Zastrow, solange Guido Westerwelle die FDP geführt habe, sei das seine Partei gewesen. Mit Westerwelles Sturz habe ein »schleichender Entfremdungsprozess« begonnen. Er habe in der Folgezeit gehadert. Es habe zehn Jahre gedauert, »bis ich mir eingestanden habe, dass wir uns auseinandergelebt haben«.
Endpunkt dieser Entwicklung war demnach Lindners Rede am Montag. »Es war der Tiefpunkt in 30 Jahren FDP für mich.« Er sehe Leute, »für die wir einst in den politischen Kampf gezogen sind und deren Interessen wir vertreten haben«. Nun bringe die Sorge um unser Land diese Menschen auf die Straße. »Die Rede zeigte, wie weit weg wir inzwischen von der Lebenswirklichkeit unserer Klientel sind«, so Zastrow. Er leben »wohl in einer anderen Welt als meine Partei«.
Mit der Bundesregierung geht Zastrow hart ins Gericht. »Die Politik der Ampel ist aus meiner Sicht falsch und zwar so vollkommen, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Nahezu nichts entspricht meiner Erwartung, nichts ist wirklich gut für unser Land.« Die FDP sei »Teil der vermutlich schlechtesten Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik«.
Der sächsische FDP-Generalsekretär Philipp Hartewig dankte Zastrow für ein »einzigartiges Engagement«, blickte aber auch auf die jüngste Vergangenheit zurück. »Seine Entfremdung zur FDP war in den letzten Jahren häufiger sichtbar geworden. Wir bedauern trotzdem seine Austrittsabsicht sehr, denn einen Holger Zastrow kann man sich ohne FDP eigentlich gar nicht vorstellen.« Sein Austritt sei politisch wie auch menschlich ein großer Verlust für die Freien Demokraten, so Hartewig.
Zastrow gilt als Urgestein der sächsischen Liberalen. Zur Wendezeit gründete er die Nachwuchsorganisation Jungliberale Aktion in Dresden mit. 1999 übernahm er die FDP als Vorsitzender, nachdem sie bei der Landtagswahl im selben Jahr mit 1,1 Prozent der Stimmen abgestürzt war.
20 Jahre lang führte Zastrow die Sachsen-FDP, war von 2004 bis 2014 zugleich ihr Fraktionschef im Landtag. Von 2009 bis 2014 war die FDP im Freistaat in einer Koalition mit der CDU. Zwischen 2011 und 2013 war Zastrow Vize-Bundesvorsitzender der Freien Demokraten. Zurzeit ist er Stadtrat für die FDP in Dresden.
Zastrow steht für einen deutlich konservativeren Kurs der FDP – auch deshalb haderte er wohl mit dem Ampelbündnis in Berlin. FDP-Parteichef Christian Lindner und er galten nicht als politische Freunde.