Friday, January 19, 2024
Habeck will Sozialsystem umkrempeln – damit sich Arbeit wieder mehr lohnt
Merkur
Habeck will Sozialsystem umkrempeln – damit sich Arbeit wieder mehr lohnt
Artikel von Amy Walker •
13 Std.
Wohngeld, Bürgergeld, Kinderzuschlag
In seinem Jahreswirtschaftsbericht fordert Wirtschaftsminister Habeck eine Reform des Sozialsystems. Bürgergeld, Wohngeld und Co. seien schlecht aufeinander abgestimmt.
Berlin – Seit Wochen wird in Deutschland über das Bürgergeld diskutiert und über die Frage, ob die Erhöhung von zwölf Prozent dazu führt, dass weniger gearbeitet wird. Auch wenn immer wieder festgestellt wird: Arbeiten lohnt sich immer mehr als Nicht-Arbeiten. Was sich jedoch nicht immer lohnt, ist das Mehrarbeiten, also mehr Stunden oder zu einem höheren Lohn. Das liegt daran, dass Sozialleistungen bei Mehrarbeit gekürzt werden – Betroffenen bleibt dann weniger netto vom brutto.
Dieses Problem hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in seinem Jahreswirtschaftsbericht erkannt. Der jährlich erscheinende Bericht gibt dem Wirtschaftsminister die Möglichkeit, Reformvorschläge zu machen, die der Wirtschaft helfen würden. 2024 fordert Habeck unter anderem eine Reform des Sozialsystems.
Sozialsystem schlecht abgestimmt - eine Reform muss her
So plant der Vizekanzler dem Entwurf zufolge, „negative Erwerbsanreize“ zu senken, indem „Transferentzugsraten“ gesenkt werden, zitierte das Handelsblatt aus Ministeriumskreisen: In Deutschland seien schlecht aufeinander abgestimmte staatliche Leistungen wie das Bürgergeld, das Wohngeld oder der Kinderzuschlag ein Problem, sodass sich Mehrarbeit nicht lohne.
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Das hat auch Andreas Peichl vom Münchner Ifo-Institut im vergangenen Monat gegenüber Ippen.Media bestätigt. „Für manche lohnt es sich nicht, mehr zu arbeiten und zu verdienen, da ihre Abzüge nach der aktuellen Regelung zu hoch wären“, erklärte er. Es gebe in Deutschland „zwei parallel existierende Sozialsysteme“, die nicht aufeinander abgestimmt seien.
Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck bei der 146. Bundestagssitzung (17.01.24) in Berlin
Vor allem in Gegenden mit hohen Mieten, etwa in München, lohne sich ein höheres Bruttoeinkommen in bestimmten Einkommensintervallen kaum. Denn dann würden die Sozialleistungen, wie etwa das Wohngeld, so stark gekürzt, dass den Betroffenen teilweise netto sogar weniger bleibt. „Das bedeutet, dass es sich zwar immer lohnt zu arbeiten, aber für manche eben kaum“, erklärte Peichl. Dies sei ein Problem, dass schon seit 50 Jahren bestehe – egal, wer gerade regiert habe.
Grundsätzlich gilt für Empfänger von Bürgergeld, dass sie einen Freibetrag von 100 Euro vollständig behalten dürfen. Für jeden zusätzlichen Euro über diesen Betrag bis zur Grenze von 1000 Euro bleiben ihnen nur noch 20 bis 30 Cent. Dann reduziert sich der Betrag auf 10 Cent pro zusätzlichem Euro. Ab einem Einkommen von über 1500 Euro gibt es keinerlei Behaltensanteil mehr. „Die Botschaft lautet: Ihr dürft nur wenig arbeiten. Und je mehr ihr arbeitet, desto stärker werden wir euch bestrafen“, so Ökonom Peichl.
Habeck macht keine konkreten Angaben zur Reform
Wie genau Habeck das Problem nun angehen will, wurde noch nicht bekannt. Vorschläge hat es aber schon zahlreiche gegeben, zuletzt aus dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dort wurde ein Reformvorschlag erarbeitet, der die Zuverdienstgrenzen deutlich anheben würde – was mehr Menschen zu mehr Arbeit bewegen könnte. Am 21. Februar will das Bundeskabinett den Wirtschaftsbericht Habecks dann bewilligen.