Thursday, November 30, 2023
Neue ARD-Recherche an Schumachers Unglücksort: "An so einem Tag fährt man da nicht rein"
teleschau
Neue ARD-Recherche an Schumachers Unglücksort: "An so einem Tag fährt man da nicht rein"
Artikel von Jürgen Winzer •
9 Std.
Vor 32 Jahren stieg Michael Schumacher in die Formel 1 ein. 2013, fast sechs Jahre nach seinem Karriereende, verunglückte er beim Skifahren schwer.
Am 29. Dezember 2013 stand am späten Vormittag die Sport-Welt still. Die Meldung von Michael Schumachers schwerem Skiunfall machte die Runde. Fast zehn Jahre nach dem Unglück begab sich NDR-Autor Jens Gideon für seinen Podcast "Schumacher. Geschichte einer Ikone" auf Spurensuche.
"Michael Schumacher liegt nach einem Unfall mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma im Universitätsklinikum Grenoble." Die Meldung ging am 29. Dezember 2013 um die Welt. In alle Länder und in allen Sprachen. Michael Schumacher, der Mann der sieben Formel-1-Weltmeistertitel gewonnen hatte, ein Superheld der Höchstgeschwindigkeit, war beim Skifahren am Saulire in einem unpräparierten Pistenteil gestürzt und trug eine schwere Kopfverletzung davon.
Damals, gegen 11 Uhr, begann das Drama um Michael Schumacher, sein Überlebenskampf. Und mit ihm die Zeit der Stille. Denn Informationen über Michael Schumachers Befinden gibt es kaum. Und das soll auch so sein. Das sieht auch NDR-Reporter Jens Gideon so, der für seine fünfteilige Podcast-Reihe "Schumacher. Geschichte einer Ikone" mitunter dort auf Spurensuche ging, "wo das Schicksal damals so gnadenlos zugeschlagen hat". Er sagt klar: "Natürlich würde ich gerne wissen, wie es Schumacher geht. Aber ein Recht, es zu wissen, habe ich nicht." Und auch das soll vorab klar sein: "Darum geht es in diesem Podcast nicht."
Auf der Suche nach dem Menschen Michael Schumacher
Sport-Reporter Gideon begleitete das Formel-1-Idol jahrelang. Aber Schumacher bedeutet mehr für den Journalisten: "Ja, ihr dürft mich Fan nennen. Ich nehme euch quasi mit an meine Posterwand. Nur weil es ihn gibt, wollte ich Formel-1-Reporter werden." Gideon begleitete Schumacher um die halbe Welt, war in Momenten des Triumphs und in Augenblicken der Niederlagen an seiner Seite. Jedoch habe Schumacher stets eine "klare Mauer" zwischen den Rennfahrer und den Privatmenschen gebaut. Gideon: "Ich kenne den Star 'Schumi', aber ich will 'Schumacher' kennenlernen."
Für seine fünf Podcastfolgen recherchierte Gideon mit Fingerspitzengefühl. Er sprach mit Schumachers Bruder Ralf und Schumis Sohn Mick, ebenso aber mit Mama Rosella, Schumis liebster Nudelköchin aus Fiorana. Er traf Smudo von den Fantastischen Vier, Schumis "Erben" Sebastian Vettel, Schumi-Fans wie Dirk Nowitzki, Franziska van Almsick oder Bastian Schweinsteiger. Und auch André, einen Skilehrer aus dem französischen Alpen-Skiort Meribel, der rasch am Unfallort war.
Der Unfall: Es ging schief, was schiefgehen konnte
"An so einem Tag fährt man da nicht rein": Ein belgischer Journalisten-Kollege von Gideon, schüttelt jedes Mal den Kopf, wenn er an der Unfallstelle vorbeischaut, was er oft tut. Es war Anfang der Skisaison und es hatte wenig Schnee, erinnert er sich. Wegen einer dünnen Schicht Neuschnee in der Nacht seien die Felsbrocken in dem Steinfeld leicht verdeckt gewesen. "Es war klar, dass zu wenig Schnee lag."
Es sei damals alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte, so die Einschätzung des Kollegen. Schumacher kannte demnach das Skigebiet wie seine Westentasche, er hatte mit seiner Familie ein Chatel nahe der Piste. André, der Skilehrer, der nach den Ersthelfern eintraf, hörte sich um: Schumacher blieb wohl mit einem Ski an einem Stein hängen und knallte mit dem Kopf auf einen anderen.
In der Auftaktfolge "Fahrt in die Dunkelheit" steht im Fokus, wie um Schumachers Leben gekämpft wurde und darum, dass sensationslüsterne Journalisten nicht das Klinikum in Grenoble stürmten. Wie nach dem Kampf um sein Leben der Kampf um seine Würde begann, wie Gideon es formuliert. Wie die Familie Schumacher die Maxime aufrechterhielt, die Schumacher immer angewandt hatte: Was privat ist, ist privat.
Corinna Schumacher: "Jetzt beschützen wir Michael"
Wie berichtet man über etwas, über das es wenig offiziell zu berichten gibt? Gideon schafft es, spannend, aber nicht effekthascherisch das Thema aufzubereiten. Er ist Journalist und bietet Informationen, auch selten gehörte, aber er ist auch Mensch. "Es gibt keinen Anspruch darauf, dabei sein zu dürfen, wenn einem der Schädel geöffnet wird", macht auch sein Interviewpartner, Podcaster und Schumi-Fan Tommi Schmitt ("Gemischtes Hack"), klar.
In den weiteren Folgen geht es um den Aufstieg des Kinderkart-Fahrers zum größten Rennfahrer der damaligen Zeit, es geht um viel Talent und noch mehr Ehrgeiz. Es geht um sein Vermächtnis und um die vielen, vielen auch prominenten Fans. Aber es geht nicht um Schumachers Gesundheitszustand. Der ist ungewiss, die Familie schottet ihn ab. Seine Frau Corinna sagte in einer Netflix-Dokumenation 2021: "Michael hat uns immer beschützt. Jetzt beschützen wir ihn."
Alle Folgen von "Schumacher. Geschichte einer Ikone" gibt es kostenlos in der ARD-Audiothek. Am 14. Dezember ist darüber hinaus die fünfteilige TV-Doku-Serie "Being Michael Schumacher" in der ARD Mediathek verfügbar.