Monday, November 27, 2023
Kritik an Bundesregierung von Verfassungsrechtler - Asyl-Schummel? Wann wir Migranten an der Grenze zurückweisen dürfen
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Kritik an Bundesregierung von Verfassungsrechtler - Asyl-Schummel? Wann wir Migranten an der Grenze zurückweisen dürfen
Von FOCUS-online-Reporter Ulf Lüdeke • 2 Std.
Geflüchtete in Deutschland. IMAGO/Olaf Schuelke
Bundesinnenministerin Faeser (SPD) behauptet, dass selbst Migranten, die keinen Anspruch auf Asyl haben, die Einreise zur Prüfung gewährt werden muss. Stimmt das? FOCUS online erklärt, wann wir Zuwanderer zurückweisen dürfen.
Mitte Oktober kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, dass die Bundesregierung die Abschieberegeln für Migranten, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, verschärfen wolle.
Nachdem sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lange gegen verstärkte stationäre Grenzkontrollen gewehrt hatte, setzte sie nun Forderungen der Opposition um. Allein an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz ging die Zahl der registrierten illegalen Einreisen seit dem 16. Oktober um mehr als 40 Prozent zurück.
Für zunehmenden Streit sorgt allerdings der effektive Umgang mit Abschiebungen von Migranten, die keinen Anspruch auf Bleiberecht haben. Denn sind sie erst einmal im Land und stellen auf deutschem Hoheitsgebiet einen Asylantrag, wird ihnen de facto die Einreise gewährt, auch wenn Deutschland nicht zuständig für die Bearbeitung des Asylantrages ist.
Doch warum ist das so, und welche Möglichkeiten hätte die Bundesregierung zu effektiveren Abschiebungen?
Wie ist die derzeitige Regelung an den Grenzen?
Die Einreise von Migranten wird im deutschen Asylgesetz im Paragraph 18 geregelt. Er legt fest, „dass jedem Ausländer die Einreise zu verweigern“ sei, wenn er aus einem sicheren Drittstaat komme. Deutschland ist inklusive der Schweiz ausschließlich von derartigen Staaten umgeben.
Theoretisch könnte sich die Bundespolizei also darauf berufen und Migranten die Einreise verweigern. In dem Augenblick, wenn Migranten jedoch einen Asylantrag stellen, wird ihnen zur Prüfung die Einreise gestattet.
Verfassungsrechtler wie Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, werfen der Bundesregierung vor, das Asylrecht „zweckentfremdet als Türöffner“ für eine „rechtswidrige Migration von unüberschaubarer Dauer“ zu nutzen. Dies folge dem „falschen Narrativ (...), dass jedem Mann oder jeder Frau auf dieser Welt die Einreise in die Bundesrepublik zu gestatten ist“, sagte Papier der „Welt“.
Warum weist die Bundespolizei die meisten Migranten trotzdem nicht zurück?
Der Hauptgrund ist die so genannte „Dublin-III-Verordnung“ der EU. Sie sieht vor, dass es bei jedem Asylantrag ein Prüfungsverfahren geben muss, wer für den Asylantrag zuständig ist. In der Regel ist dies das Ersteinreiseland. Unter Juristen gilt es überwiegend als unstrittig, dass EU-Recht Bundesrecht bricht.
Das Problem: In den meisten Fällen nimmt eine solche Prüfung viel Zeit in Anspruch. Aus diesem Grund genehmigen die Behörden die Einreise mit einem „vorläufigen Aufenthaltsrecht“. Aus diesem vorläufigen Recht werde laut Verfassungsrechtler Papier dann „vielfach ein Aufenthalt von unüberschaubarer Dauer“.
Welche Möglichkeiten gibt es, Migranten dennoch die Einreise zu verweigern und sofort abzuweisen?
Die Dublin-Regeln räumen Migranten zwar den Anspruch auf eine Prüfung ihres Asylantrages ein, sehen aber nicht zwingend das Recht auf eine Einreise vor. Die Bundesregierung könnte an den Grenzen daher Transitzonen ähnlich den bereits an Flughäfen existierenden einrichten, in denen die Migranten bis zum Abschluss der Zuständigkeitsprüfung blieben.
Das hätte den Vorteil, dass sie nicht von den Erstaufnahmeeinrichtungen an die Kommunen weiterüberwiesen würden, bevor überhaupt klar ist, ob die Bundesrepublik zuständig ist. Das Verfahren setzt jedoch eine funktionierende, schnelle Prüfung voraus, da Migranten nur einen begrenzten Zeitraum in solchen Zentren festgehalten werden können.
Wichtig für eine effektive Bearbeitung der Zuständigkeitsprüfungen ist auch, welche Behörde genau zuständig ist. Da der Bund entscheidet, wer in Deutschland bleiben kann und wer nicht, sollte er auch die Aufnahmezentren betreiben, forderte der Chef der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs, Olaf Jansen, in einem Interview mit FOCUS online. Dazu zähle ebenfalls die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und deren Unterbringung bis zur Rückführung, für die derzeit die Bundesländer zuständig seien.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, in Kooperation mit den Nachbarstaaten Bundespolizeieinheiten grenznah in den Nachbarstaaten patrouillieren zu lassen, so wie es bereits mit der Schweiz seit vielen Jahren praktiziert wird.
Was tut die EU für ein effektiveres europäisches Asylrecht?
Im Oktober hat sich die EU auf ein neues „Asyl- und Migrationspaket“ geeinigt. Zentraler Punkt ist die geplante Schaffung verpflichtender Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Das Verfahren soll für Antragssteller gelten, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt.
Es gilt nicht für Menschen aus Ländern mit hoher Anerkennungsquote. Die EU einigte sich auch darauf, dass die Gesamtdauer der Asyl- und Rückführungsverfahren an der Grenze nicht mehr als zwölf Wochen betragen soll.