Wednesday, January 17, 2024
Nach Trumps Sieg in Iowa: Alles schon entschieden – oder doch nicht?
Tagesspiegel
Nach Trumps Sieg in Iowa: Alles schon entschieden – oder doch nicht?
Artikel von Juliane Schäuble •
10 Std.
Bei der Vorwahl in Iowa triumphierte Donald Trump. Die Ergebnisse zeigen aber auch Schwächen seiner möglichen Kandidatur. Wo Experten Hoffnungszeichen für die Demokraten sehen.
Der Sieg Donald Trumps in der ersten Vorwahl des US-Präsidentschaftswahlkampfs in Iowa war überwältigend. Daran gibt es erst einmal nichts zu rütteln.
So überwältigend, dass manche Beobachter den Vorwahlkampf der Republikaner gleich als beendet erklärten – und einige sogar den Vorwahlkampf insgesamt. Denn bei den Demokraten gilt Amtsinhaber Joe Biden als gesetzt.
Für diese Sichtweise spricht so manches. Beispielsweise, dass alle Kontrahenten Trumps zusammen weniger Stimmen in dem Bundesstaat einsammeln konnten als Trump.
Wenn nicht bei der nächsten Vorwahl in New Hampshire am kommenden Dienstag etwas Dramatisches geschieht – etwa, dass die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley in dem Neuenglandstaat vor Trump liegt oder zumindest sehr nah an ihn rankommt –, dann kann sich der Ex-Präsident wohl sicher sein, schon bald auf die nötige Delegiertenzahl zu kommen, um beim Nominierungsparteitag im Sommer zum Kandidaten der Republikanischen Partei gekürt zu werden.
Biden und Trump sind beide unbeliebt
Dennoch sehen einige Experten ausgerechnet in dem überwältigenden Sieg von Iowa gute Nachrichten. Denn bei den demokratischen Strategen und im Weißen Haus herrscht die Überzeugung vor, dass Biden trotz seiner Umfrageschwäche Trump leichter schlagen könnte als einen seiner innerparteilichen Konkurrenten, die jünger und zum Teil gemäßigter sind.
Biden und sein Umfeld versuchen schon seit geraumer Zeit, die Wahl 2024 als eine klare Entscheidung zwischen dem Präsidenten und seinem Vorgänger darzustellen. Beide Politiker haben niedrige Beliebtheitswerte, der Amtsinhaber noch schlechtere als Trump.
Aber Bidens Berater glauben, dass sich die Wähler von Trump abwenden werden, sobald seine Rückkehr ins Weiße Haus in greifbare Nähe rückt – und sich damit die Umfragewerte des Präsidenten wieder verbessern werden. Biden selbst sagt gerne: Vergleicht mich nicht mit dem Allmächtigen, vergleicht mich mit der Alternative.
Ein wichtiger Faktor bei den Überlegungen sind interne Umfragen der Biden-Kampagne, über die die Nachrichtenseite „The Messenger“ berichtete. Diese zeigen, dass die überwiegende Mehrheit (75 Prozent) der von der Kampagne angesprochenen Wähler, die sich noch nicht festgelegt haben, bisher nicht davon ausging, dass Trump der Kandidat der Republikanischen Partei sein wird.
Trumps historischer Sieg in Iowa am Montagabend könnte diese Dynamik bei den Unentschlossenen ändern, heißt es nun. Die Logik geht wie folgt: Indem die Wähler anerkennen müssten, dass Trump quasi unvermeidlich sei, rücke die Hauptwahl im November 2024 in den Vordergrund. Die Wechselwähler in der Mitte, die angesichts der Polarisierung und des Dauerwahlkampfs politikmüde geworden seien, würden dazu gezwungen, dieses Rennen nun als eine Wahl zwischen Trump und Biden zu sehen.
Je stärker Trump ist, desto besser ist Biden dran.
Brad Bannon, demokratischer Stratege
„Je stärker Trump ist, desto besser ist Biden dran“, sagte der demokratische Stratege Brad Bannon, Präsident von Bannon Communications Research, einem Washingtoner Beratungsunternehmen, dem Tagesspiegel. „Donald Trump ist ein wandelnder und sprechender Skandal. Ich glaube, Trump kann Biden im November nur sehr schwer schlagen.“
Natürlich sei diese Strategie auch gefährlich, sagt Bannon weiter. „Denn Trump ist eine große Bedrohung für das Überleben der amerikanischen Demokratie. Wenn Trump die Nominierung der Republikaner gewinnt, denn dann hat er die Chance, Präsident zu werden.“
Iowa habe aber gezeigt, dass Trump es im November sehr schwer haben würde, unabhängige Wähler zu erreichen. „Die republikanischen Wähler in Iowa sind unglaublich konservativ, ja reaktionär. Zwei Drittel der Wähler bei den Iowa Caucuses wollen ein vollständiges Abtreibungsverbot“, so der Wahlstratege.
Diese Wähler würden nicht entscheiden, was im November passiert. „Wenn man sich die Wechselwähler in den großen umkämpften Staaten wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Georgia ansieht: Die sind nicht konservativ, sondern gemäßigt.“ Trump hat aber sehr wenig Anziehungskraft, sogar auf gemäßigte Republikaner. „Seine Standpunkte sind so extrem, dass es ihm schwerfallen dürfte, die Wechselwähler in den großen umkämpften Staaten von Biden wegzuholen.“
Mobilisiert Trump die Gegenseite?
Aus Bannons Sicht würde ein Kandidat Trump vor allem die Gegenseite mobilisieren. „Die demokratischen Stammwähler – und wir sprechen hier von jungen Leuten, Frauen, Afroamerikanern – hassen ihn.“ Darum sei Biden der richtige Kandidat, weil er beruhigend auftrete und das Land nicht in das Chaos der Trump-Präsidentschaft zurückführe.
Die Biden-Kampagne reagierte in der Nacht zu Dienstag blitzschnell, nachdem die Medien Trump bereits nach einer knappen halben Stunde zum Sieger ausgerufen hatten. Schon kurz danach wurde eine von Biden verfasste E-Mail mit Spendenaufrufen verschickt, in der es hieß: „Die Ergebnisse aus Iowa sind da, und es ist klar: Donald Trump ist der offizielle Spitzenkandidat für die republikanische Präsidentschaftsnominierung 2024.“
Sieht so aus, als hätte Donald Trump gerade Iowa gewonnen. Er ist jetzt der klare Favorit auf der anderen Seite.
Joe Biden, US-Präsident
Biden twitterte anschließend: „Sieht so aus, als hätte Donald Trump gerade Iowa gewonnen. Er ist jetzt der klare Favorit auf der anderen Seite.“
„Für diejenigen von uns, die aufgepasst haben, ist schon seit langem klar, dass Trump der Kandidat sein wird – es sei denn, er landet im Gefängnis“, zitiert „The Messenger“ die demokratische Strategin Christy Setzer. „Aber die normalen Leute werden erst in ein paar Monaten einschalten – bis zum Super Tuesday, wenn Trump die Nominierung abschließt, während er wegen Wahlvergehen vor Gericht steht.“
Gegen Trump laufen vier Strafverfahren mit insgesamt 91 Anklagepunkten, unter anderem wegen Verschwörung zum Wahlbetrug und Anzettelung eines Umsturzversuchs. Fraglich ist allerdings, ob auch nur einer der Prozesse vor der Wahl am 5. November abgeschlossen ist.
Eine andere positive Erkenntnis aus Iowa zieht das demokratische Lager aus diesen Zahlen: 65 Prozent der Teilnehmer der republikanischen Vorwahl erklärten zwar, dass sie Trump auch dann als für das Weiße Haus geeignet einstuften, wenn er wegen eines Verbrechens verurteilt würde. Aber 31 Prozent sagten, dies würde ihn disqualifizieren.
Diese Tatsache könnte sich bei der Hauptwahl entscheidend auswirken. In manchen hart umkämpften „Swing States“ können nur wenige Tausend Wähler den Ausschlag geben – denkbar ist, dass manche Wechselwähler im Fall einer Verurteilung Trumps zu Hause bleiben oder für Biden stimmen würden.
Auf konservativer, Trump-kritischer Seite wiederum wird darauf verwiesen, dass Nikki Haley in New Hampshire immer noch eine Chance gegen den Ex-Präsidenten habe. Sie verfolge die Strategie, jene Republikaner anzusprechen, die Trump entweder nicht leiden könnten oder offen für jemanden anders seien, schreibt etwa die Meinungsredaktion des „Wall Street Journal“. Das habe ihr zu einem knappen dritten Platz in Iowa verholfen.
„Umfragen am Wahltag zeigten, dass sie bei den Wählern, die sich in den vergangenen zwei Wochen entschieden haben, gewonnen hat, und dass sie bei den Wählern in den Vorstädten, die im November über den Wahlsieg entscheiden werden, gut abgeschnitten hat. Sie hat die Chance, am 23. Januar in New Hampshire ein Rennen zu machen, weshalb Mr. Trump sie im Fernsehen so aggressiv angreift“, so die Zeitung.
Haleys relative Stärke in New Hampshire lege die Schwäche Trumps bei der Hauptwahl im November offen. In dem Bundesstaat können Unabhängige in den Vorwahlen der beiden großen Parteien wählen. Genau diese Wähler spricht Haley an, und diese würden in dem halben Dutzend Staaten, die im November den Ausschlag machen können, entscheidend sein.