Monday, August 21, 2023
Italien: Deutsches Seenotrettungsschiff »Aurora« festgesetzt
DER SPIEGEL
Italien: Deutsches Seenotrettungsschiff »Aurora« festgesetzt
Artikel von Anna-Sophie Schneider •
1 Std.
Italienische Behörden hatten der »Aurora« einen Hafen auf Sizilien zugewiesen, wegen der Versorgungslage an Bord legte die Crew jedoch auf Lampedusa an. Nun zieht die Küstenwache das Seenotrettungsboot vorübergehend aus dem Verkehr.
Italien: Deutsches Seenotrettungsschiff »Aurora« festgesetzt
In den kommenden gut drei Wochen wird das deutsche Seenotrettungsschiff »Aurora« voraussichtlich nicht auf Rettungsmission fahren können. Italienischen Behörden haben das Schiff vorübergehend festgesetzt. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Montag berichtete, ziehe die Küstenwache das Schiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch für 20 Tage aus dem Verkehr. Die Organisation bestätigte den Vorgang.
Als Grund sei angegeben worden, dass das Schiff ein Regierungsdekret missachtet habe. Die Crew des 14 Meter langen Boots steuerte nach der Rettung von 72 Menschen aus dem Mittelmeer die Insel Lampedusa an – die Behörden hatten ihr allerdings zuvor den Hafen im weiter entfernt liegenden Trapani im Nordwesten Siziliens zugewiesen.
Geldstrafe droht
Die Seenotretter erklärten, der Hafen sei mangels Treibstoff für das Schiff nicht erreichbar gewesen, zudem sei an Bord das Trinkwasser ausgegangen. »Wir hatten einfach keine andere Möglichkeit, als nach Lampedusa einzulaufen«, erklärte Sea-Watch-Einsatzleiterin Rebecca Berker in einer Mitteilung. Die Organisation forderte zudem die sofortige Freilassung der »Aurora«. Neben der Festsetzung droht Sea-Watch eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro.
»Alle 72 geretteten Personen der Aurora konnten in Lampedusa von Bord gehen«, schrieb die Organisation auf der Plattform X, ehemals Twitter. »Wir sind erleichtert, unsere Gäste an Land zu wissen, aber wütend über die unmenschliche Politik auf dem Rücken flüchtender Menschen.«
Die zivilen Seenotretter sind der rechten italienischen Regierung von Regierungschefin Giorgia Meloni ein Dorn im Auge. In den vergangenen Wochen wurden mehrfach Seenotrettungsboote von Italiens Behörden aus dem Verkehr gezogen. Auch die »Aurora« wurde im Juni schon ein mal festgesetzt. Damals ging es ebenfalls um die Missachtung des Regierungsdekrets.
Nichtregierungsorganisationen kritisieren seit Wochen das Dekret und werfen der Regierung von Ministerpräsidentin Meloni Schikane vor. Rom wolle durch die Maßnahmen ausländische Helfer abschrecken, so der Vorwurf. Die Regierung verteidigt ihre Entscheidung und sagt, freiwillige Retter würden Regeln missachten und nicht mit den Behörden kooperieren.
Etliche Menschen versuchen immer wieder mit oft seeuntauglichen Booten aus Tunesien und Libyen Italien zu erreichen. Bei den hochgefährlichen Überfahrten kommt es mitunter zu verheerenden Bootsunglücken. Das Innenministerium in Rom zählte in diesem Jahr mehr als 105.440 Menschen, die auf Booten Italien erreichten – im Vorjahreszeitraum waren es knapp 50.760.