Friday, August 25, 2023
Anklage in Georgia: Trump wird zu Insasse P01135809
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Anklage in Georgia: Trump wird zu Insasse P01135809
Artikel von Sofia Dreisbach •
3 Std.
Das Büro des Fulton County Sheriff in Atlanta hat das Polizeifoto des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump öffentlich gemacht.
Als Donald Trump sich im April im Zuge der ersten strafrechtlichen Anklage vor Gericht in New York einfand, verzichteten die Behörden auf ein erkennungsdienstliches Foto. Trumps Team aber wollte den sogenannten Mug Shot nutzen, um Spenden einzutreiben und kreierte ein eigenes Motiv, das es für 36 Dollar auf einem T-Shirt zu kaufen gibt. Darunter die Aufschrift: „Nicht schuldig“. Seit Donnerstag gibt es nun das erste echte Polizeifoto eines amerikanischen Präsidenten. Im Falle der vierten Anklage gegen Trump bestanden die Behörden in Georgia erstmals darauf, keine Ausnahme von der Regel zu machen – Status des Angeklagten hin oder her.
Trump trägt auf der Aufnahme einen dunkelblauen Anzug, eine rote Krawatte und schaut grimmig in die Kamera. Er solle „angriffslustig“ aussehen, hieß es aus seinem Team. Trump selbst sagte Fox News später, so eine Aufnahme fühle sich nicht gut an, besonders dann, wenn man „nichts falsch gemacht“ habe.
Er nutzte das Bild trotzdem für seine Rückkehr auf die Plattform X, vormals Twitter, nach gut zweieinhalb Jahren. Sein letzter Beitrag war vom 8. Januar 2021 gewesen: Kurz nach dem Sturm auf das Kapitol schrieb er da, er werde nicht an der Amtseinführung Joe Bidens teilnehmen. Diesmal steht unter dem Foto: „Wahleinmischung. Niemals aufgeben!“ Die Bezirksstaatsanwältin Fani Willis hatte Trump und 18 Mitangeklagten Mitte August Wahlbetrug und die Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen, um das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu seinen Gunsten zu verändern. Bis zum Freitag mussten sich alle Angeklagten den Behörden in Atlanta stellen.
Donald J. Trump, männlich, weiß
Trumps Prozedere im Gefängnis von Fulton County am Donnerstagabend dauerte keine halbe Stunde. Um halb acht rollte die Kolonne schwarzer Limousinen in den Hof der Haftanstalt und der frühere Präsident wurde offiziell zu Insasse P01135809. In der öffentlich zugänglichen Kartei heißt es: Donald J. Trump, männlich, weiß, blonde bis rotblonde Haare, blaue Augen, 1,92 Meter groß und 97 Kilogramm schwer, wobei er das Gewicht selbst angegeben hat. Nach der Aufnahme seiner Daten, dem Foto und Fingerabdrücken durfte Trump das Gefängnis für die vorab vereinbarte Kaution von 200.000 Dollar wieder verlassen.
Auf dem Rollfeld in Atlanta sprach er anschließend von einem „sehr traurigen Tag für Amerika“. Die Wahl sei „schwach“ und „gestohlen“ gewesen und er habe alles Recht gehabt, das Ergebnis anzuzweifeln. Es handele sich um eine „Verzerrung der Justiz“, sagte Trump weiter. „Ich habe nichts falsch gemacht. Das wissen alle.“ Vor dem Gefängnis hatten sich laut Medienberichten rund hundert Trump-Fans und einige Gegendemonstranten versammelt.
Entscheidend wird als nächstes die Frage des Prozessbeginns. Trump führt die Reihe der republikanischen Bewerber für die Präsidentenwahl im nächsten Jahr bislang zwar mit weitem Vorsprung an. Doch seine inzwischen vier strafrechtlichen Prozesse kollidieren mit der heißen Wahlkampfphase. Bezirksstaatsanwältin Willis hatte schon bei der Bekanntgabe der Anklage auf ein schnelles Verfahren gedrungen und eigentlich einen Termin im März 2024 vorgeschlagen.
Am Donnerstag dann forderte sie einen Prozessbeginn am 23. Oktober dieses Jahres. Willis nahm dabei Bezug auf einen Antrag des Mitangeklagten Kenneth Chesebro. Der Anwalt hatte ein beschleunigtes Verfahren gefordert, möglicherweise, um der Staatsanwaltschaft weniger Zeit zur Vorbereitung zu lassen. Ein Richter hatte dem stattgegeben und den Beginn für den 23. Oktober angesetzt – jedoch ausdrücklich nur für Chesebro. Staatsanwältin Willis schloss sich diesem Zeitplan mit ihrer Forderung an. Entscheiden wird der zuständige Richter.
Was kommt als nächstes?
Der nächste Schritt sind die Anklageerhebungen, die nach dem Willen der Staatsanwaltschaft in der ersten Septemberwoche stattfinden sollen. Laut Medienberichten könnten die Angeklagten die Bekenntnisse ihrer Schuld oder Unschuld laut einer Regel des Bezirks jedoch auch schriftlich einreichen, was den Prozess beschleunigen würde. Danach legt der zuständige Richter den Zeitplan für Anträge vor – etwa solche zum Umgang mit Beweisen oder der Forderung, einige der Verfahren der insgesamt 19 Angeklagten separat zu verhandeln. Drei Mitangeklagte, unter ihnen Trumps früherer Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, haben bereits beantragt, die Anklage von Staaten- auf Bundesebene zu heben, weil sie schließlich auch auf Bundesebene tätig gewesen seien.
Für Trump gilt die Anklage in Georgia als besonders gefährlich. Dort besäße er – anders als im Fall der beiden Bundesanklagen wegen Geheimdokumenten und Wahlbetrugs – selbst als wiedergewählter Präsident keine Befugnis, die lokale Anklage zu unterbinden. Es gehört zur Wahlkampfstrategie der Republikaner, die rechtlichen Schritte gegen den Präsidentschaftskandidaten als Wahleinmischung darzustellen. Erst am Donnerstag wetterte Trump auf seiner Onlineplattform „Truth Social“ gegen Bezirksstaatsanwältin Willis. Sie sei „gescheitert“ und „radikal links“ und habe „keine Zeit, kein Geld und kein Interesse daran, die echten Kriminellen“ in Atlanta zu verfolgen.
Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben am Donnerstag eine formale Untersuchung der Ermittlungen in Georgia eingeleitet. Der Justizausschuss will demnach herausfinden, ob Willis „politisch motiviert“ gehandelt habe. In einem Brief ist von „ernsthaften Bedenken“ die Rede. Trump schien seine Verteidigungsstrategie in Georgia in letzter Minute noch einmal zu überdenken. Wenige Stunden bevor er im Gefängnis in Atlanta vorstellig wurde, tauschte er seinen führenden Anwalt aus. Künftig wird er in diesem Fall von Steve Sadow vertreten, der in einem Schreiben sogleich die Unschuld seines Mandanten hervorhob.
In der Anklageschrift wird Trump und seinen Mitangeklagten vorgeworfen, sich „wissentlich und vorsätzlich“ verschworen zu haben, „um das Wahlergebnis gesetzeswidrig zugunsten Trumps zu ändern“. Die Staatsanwaltschaft bemüht dabei unter anderem ein Gesetz, das üblicherweise bei Ermittlungen im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität angewendet wird. Das sogenannte RICO-Gesetz gilt in sieben von 50 amerikanischen Bundesstaaten und ermöglicht es den Anklägern, von verschiedenen Personen begangene Verbrechen zusammenzufassen, wenn diese einem gemeinsamen Ziel galten.