Monday, August 21, 2023
Frauen-WM: Bei der Vergabe des nächsten Turniers gibt es für den DFB einen weiteren Rückschlag
Berliner Zeitung
Frauen-WM: Bei der Vergabe des nächsten Turniers gibt es für den DFB einen weiteren Rückschlag
Artikel von Frank Hellmann •
3 Std.
Nun ist es nicht so, dass die sportlich wohl beste Fußballweltmeisterschaft der Frauen bei der Abschlusszeremonie im Australia Stadium von Sydney ganz ohne deutsche Beteiligung über die Bühne ging. Klar, überwiegend wurden spanische und englische Spielerinnen aufgerufen, die passenderweise nach dem Finale auch frei verfügbar waren. Doch wer dem Stadionsprecher genau zuhörte, konnte einmal auch den Namen von Alexandra Popp hören. Kein Witz: Wenn Deutschland schon nicht die Fairplay-Wertung gewann für sein selbstloses Ausscheiden gegen Fördernationen wie Marokko und Kolumbien, so heimste die Kapitänin immerhin den Bronzenen Schuh als drittbeste Torjägerin ein. Und mit ein bisschen mehr Zielwasser im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea wäre mit dem fünften oder sechsten WM-Tor sogar auch die Ausführung in Silber oder Gold möglich gewesen.
Dass Popps Heimatland mal die Benchmark bildete, daran erinnerte nur noch das ständig in den WM-Stadien über die Videowände flimmernde Golden Goal von Nia Künzer. Das ist aber bald 20 Jahre her. Den Bedeutungsverlust haben auch die DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich, die in den 90er-Jahren als Teammanagerin die ersten WM-Turniere deutscher Fußballerinnen begleitete, und die Frauenfußball-Gesamtkoordinatorin Doris Fitschen, die als Weltmeisterin die besseren Zeiten prägte, gespürt, als sie zwei Tage bei der Frauenfußballtagung unter Fifa-Hoheit am Darling Harbour weilten.
Im DFB-Campus ist gerade die Analyse des WM-Versagens in den letzten Zügen. Ullrich will auch noch die „richtigen Fragen stellen und mit den richtigen Menschen sprechen“. Wegen der Olympia-Qualifikation der DFB-Frauen mit dem Nations-League-Auftakt am 22. September in Dänemark drängt die Zeit. Die 53-Jährige glaubt nicht, dass das Interesse am Frauenfußball gleich wieder abebbt, „da bin ich optimistisch, vielleicht gibt es eine kleine Delle“. Die beachtlichen Einschaltquoten auch nach dem deutschen Abschied – allein 5,38 Millionen im ZDF beim Finale Spanien gegen England (1:0) – deuten auf ein hohes Grundinteresse hin. Viel schwieriger könnte es werden, die Frauen-WM 2027 in das Dreiländereck Deutschland, Niederlande und Belgien zu holen. Der Slogan lautet „BNG“, Breaking New Ground: Man will neue, vor allem kurze Wege gehen.
Deshalb wären in Deutschland auch nur die Ruhrgebietsstädte Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln dabei – selbst das nur wenig mehr als eine Zugstunde entfernte Frankfurt ist rausgefallen. Ein solch nachhaltiges Konzept wäre das Kontrastprogramm zu den vielen Flugreisen dieser Endrunde, aber das interessiert die überwältigende Mehrheit der Fifa-Funktionäre vermutlich herzlich wenig. Selbst der DFB glaubt an eine „politische Abstimmung“ am 17. Mai 2024 in Bangkok, wenn die 211 Mitgliedsverbände den nächsten Ausrichter unter den vier Kandidaten aus Südafrika, Brasilien, der Doppelbewerbung USA und Mexiko und dem europäischen Dreiländereck bestimmen. Südafrika und Brasilien würden die WM erstmals in ihre Konföderation holen, die USA (1999 und 2003) und Deutschland (2011) waren schon mal Ausrichter.
Entscheidend wird der Block mit 46 Stimmen aus Asien sein, weil von dort keine Bewerbung vorliegt. Die beiden deutschen Repräsentantinnen auf dem Fifa-Convent spürten, welche Strippen der seit WM-Start vor Ort für Südafrika trommelnde Danny Jordaan in der Funktionärsriege bereits gezogen hat. Der Präsident des südafrikanischen Fußball-Verbandes (Safa) besuchte auf Fifa-Einladung bereits das Eröffnungsspiel, während DFB-Boss Bernd Neuendorf erst zum Achtelfinale anreisen wollte – und nach dem deutschen Aus lieber ganz daheim blieb.
„Wir werden eine super Bewerbung vorbringen, haben ein tolles Konzept und gute Chancen“, beteuerte Fitschen, allerdings räumte die 54-Jährige ein: „In Südafrika oder Südamerika war noch nie eine WM. Es kann sein, dass eine Entscheidung für eines dieser Länder fällt.“ Die scheidende Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura aus dem Senegal hatte übrigens insbesondere die Länder Afrikas aufgefordert, mit dem Frauenfußball mutig zu sein: „Die Türen stehen Ihnen alle offen. Und wenn eine verschlossen ist, werfen Sie das Fenster ein!“ Vermutlich muss Südafrika das schon gar nicht mehr tun, um nach einer WM für Männer (2010) die nächste der Frauen auszurichten.