Friday, January 24, 2025
China testet Trump – und ist auf alle Szenarien vorbereitet
Berliner Morgenpost
China testet Trump – und ist auf alle Szenarien vorbereitet
Michael Backfisch • 39 Minuten • 5 Minuten Lesezeit
Wenn die chinesische Führung in diesen Tagen nach Washington blickt, bekommt sie gemischte Botschaften. Der neue Präsident Donald Trump versuchte es zunächst einmal mit Samthandschulen. Kaum im Amt, setzte er den in Amerika verhängten Bann der chinesischen Video-Plattform TikTok für 75 Tage aus. Kurz vor seiner Vereidigung hatte er mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping telefoniert. Es sei ein „sehr gutes Gespräch“ gewesen, verkündete Trump danach. Das klang eher nach einem möglichen Deal zwischen zwei XXL-Akteuren der internationalen Politik, nicht nach Zollkeule und Handelskrieg.
Wenige Tage zuvor hatte Trumps Außenminister Marco Rubio verbale Pfeile Richtung Peking abgeschossen. Die Volksrepublik sei der „mächtigste und gefährlichste Widersacher“ Amerikas, wetterte der als China-Falke bekannte Rubio. In weniger als zehn Jahren könnte „praktisch alles“, was den USA im Alltag wichtig sei, vom Import aus Fernost abhängen – „von der Medizin gegen Bluthochdruck, die wir nehmen, bis zu den Filmen, die wir zu schauen bekommen“, warnte er.
Donald Trump packt die Folterwerkzeuge aus – doch China kann reagieren
In China beobachtet man das derzeit genau, ohne sich auf ein Narrativ zu versteifen. „Die chinesische Führung wartet erst einmal ab, was aus Washington kommen wird. Es wird geprüft: Was sind ernsthafte Signale, was ist Getöse?“, sagte Janka Oertel, die das Asien-Programm des European Council on Foreign Relations leitet, unserer Redaktion.
Trumps harsche Wahlkampf-Rhetorik hat man in der Volksrepublik nicht vergessen. Der Republikaner hatte angedroht, Strafzölle von mindestens 60 Prozent auf alle Importe aus China zu verhängen. Grund hierfür: Amerikas Handelsbilanz-Defizit mit China ist 2024 auf 361 Milliarden Dollar angewachsen. Trump packte die Folterwerkzeuge aus, um Unternehmen zur Produktion in den Vereinigten Staaten zu zwingen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er Waren wie Solarmodule oder Waschmaschinen aus China mit Abgaben belegt – die Chinesen verteuerten daraufhin den Import von Flugzeugen und Sojabohnen aus den USA.
Zu Beginn von Trumps erster Amtszeit sei die Volksrepublik überfordert gewesen, betont Oertel. „China hat in den vergangenen acht Jahre getan, was die Europäer nicht geschafft haben: Es hat sich intensiv auf den ersten Tag einer zweiten Amtszeit Trumps vorbereitet.“ Pekig habe Antwortmöglichkeiten für mögliche Zölle und Zwangsmaßnahmen der Amerikaner entwickelt. „Die chinesische Regierung wird derlei Maßnahmen aber nicht mit dem Holzhammer einführen, sondern kalibrieren“, unterstreicht die China-Expertin.
Peking hat Erfahrung mit handelspolitischer Vergeltung. Als die Amerikaner ein Exportverbot für hochwertige Halbleiter-Technologie verhängten, antwortete China mit Ausfuhrbeschränkungen für Gallium und Germanium – Materialien, die für die Batterie- und Chipindustrie wichtig sind. „Die Botschaft: Wir können an möglichen Schlüsselstellen die Schmerzen für eure Politik und die eurer Alliierten und Partner erhöhen. Schmerzpunkte wären auch Einschränkungen bei der Lieferung chinesischer Produkte im Bereich der Elektronik oder Medizin – etwa Drohnen oder Antibiotika“, erläutert Oertel.
Andererseits ist Peking in der Lage, flexibel reagieren. „China könnte zu Deals bereit sein, um das massive Handelsbilanzdefizit Amerikas zu verringern. Die Volksrepublik würde dann mehr Güter aus den USA kaufen. Allerdings ist vieles vom Potential vor allem im Agrarsektor bereits ausgeschöpft“, so Oertel. Nach Ansicht des China-Experten Klaus Larres von der University of North Carolina in Chapel Hill geht es um eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Taktik: „Xi Jinping wird versuchen, Trump etwas entgegenzukommen – und wenn dieser nicht entsprechend reagiert, werden die Chinesen wieder auf eine harte Linie umschwenken.“
Ein Name, der in Peking immer wieder fällt, ist Elon Musk. Der Trump-Berater und Tech-Unternehmer, der in Shanghai für seine Firma Tesla Elektroautos fertigen lässt, könnte als Brückenbauer zum Weißen Haus fungieren, heißt es. Doch Musk symbolisiert wie kein anderer die Doppelbödigkeit des chinesisch-amerikanischen Verhältnisses. „Für Musk ist China gleichzeitig Partner und extremer Konkurrent“, sagt Oertel.
Peking weiß, dass ein unkontrollierter Handelskrieg die eigene Export-Maschinerie beschädigen könnte. Denn Chinas Unternehmen befinden sich derzeit in schwierigem Fahrwasser. Zwar ist die Wirtschaft nach Angaben des Pekinger Statistikamts im Jahr 2024 um fünf Prozent gewachsen. Westliche Experten halten dies jedoch für eine geschönte Zahl.
Chinas Konjunktur lahmt – auch aufgrund der Immobilien-Krise
Tatsache ist: Die Volksrepublik leidet unter strukturellen Problemen. Der Binnenkonsum lahmt. Die Immobilienpreise gingen in den Keller, weil die finanziellen Schwierigkeiten der großen Entwickler etliche Bauprojekte abwürgten. Viele Chinesen stecken ihr Vermögen in Wohnungen – als Absicherung für das Alter. Aufgrund dieser Vertrauenskrise halten sich die Bürger mit Anschaffungen zurück. Hinzu kommt eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Bevölkerung ist aufgrund der jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik überaltert. Viele Kommunen und Regionen ächzen unter einer hohen Schuldenlast.
Um sich beim Export weniger von Amerika abhängig zu machen, hat die Volkrepublik jedoch längst die Schalter umgelegt. umgelegt. So wurden neue Märkte in Südostasien, Lateinamerika und Afrika erschlossen. Das wiederum eröffnet Peking Möglichkeiten, Druck auszuüben. „Durch die weltweite Abhängigkeit von Lieferketten aus China kann die Volksrepublik den Preis für andere Staaten, US-Sanktionen mitzutragen, in die Höhe treiben“, hebt die Chinaforscherin Oertel hervor.
Taiwan-Frage ist besonders heikel
Die Führung in Peking denkt jedoch nicht nur taktisch, sie verfolgt einen langfristigen Plan. China will bis 2049 – dem 100. Geburtstag der Volkrepublik – wirtschaftlich und im Bereich der Innovation weltweit an der Spitze stehen. In Schlüsselbranchen wie Elektromobilität, Robotertechnologie oder Luft- und Raumfahrttechnik wird die globale Marktführerschaft angestrebt. „Chinas Führung will bis 2049 wirtschaftlich, militärisch und politisch unangreifbar sein“, so Oertel.
Eines der heikelsten Kapitel in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen ist die Taiwan-Frage. Xi Jinping hat die Vereinigung der Volksrepublik mit Taiwan – „notfalls mit Gewalt“ – zu einem seiner Kardinalziele erklärt. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte im Falle eines chinesischen Angriffs militärische US-Unterstützung für Taiwan zugesagt. Von Trump gibt es kein derartiges Bekenntnis.
Peking hat seine Drohkulisse verstärkt. „Die fast täglichen chinesischen Manöver rund um Taiwan sind besorgniserregend. Das Pentagon ist nervös und schätzt die Gefahr einer Eskalation als hoch ein“, sagt die China-Expertin Oertel. Die chinesische Führung rüstet in allen Waffengattungen rasant auf. Sie habe Zwischenziele der militärischen Modernisierung für 2027, dem 100. Jahrestag der Volksbefreiungsarmee, benannt, so Oertel. „Sie will bis 2049 ein schlagkräftiges Militär aufbauen, das Kriege führen und gewinnen kann.“