Saturday, April 8, 2023

Wie Habecks Ministerium die Wärmepumpe schönrechnet

Frankfurter Allgemeine Zeitung Wie Habecks Ministerium die Wärmepumpe schönrechnet Artikel von Julia Löhr • Vor 7 Std. Die Zeit läuft: Nur noch bis Dienstag, 18 Uhr, haben Verbände und Bundesländer Zeit, zu den umstrittenen Hei­zungsplänen der Bundesregierung Stellung zu nehmen. Die knappe Frist von nur einer Woche und dann auch noch über die Osterfeiertage kam bei den Betroffenen nicht gut an. Doch das Kabinett will die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) noch im April beschließen und an den Bundestag weiterreichen. Vom 1. Januar 2024 an soll dann jede neu eingebaute Heizung mindestens zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Auch auf Reisen an nachhaltigen Heizungen interessiert: Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck besichtigt den Tank einer Wärmepumpe eines Krankenhauses in der Nähe von Kiew während seines Staatsbesuchs in der Ukraine. Auch auf Reisen an nachhaltigen Heizungen interessiert: Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck besichtigt den Tank einer Wärmepumpe eines Krankenhauses in der Nähe von Kiew während seines Staatsbesuchs in der Ukraine. Viele Hauseigentümer überlegen nun, schnell noch eine neue fossile Heizung zu bestellen. Eine neue Gasheizung kostet im Schnitt etwa 10.000 Euro, die politisch erwünschte elektrische Wärmepumpe rund 30.000 Euro. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hielt kürzlich im Gespräch mit der F.A.Z. dagegen: Über den Lebenszyklus einer Heizung sei die Wärmepumpe günstiger als eine Gasheizung, sagte er. Im Anhang zum Gesetzentwurf nennt das Ministerium dazu Zahlen: 19.115 Euro kostet es demnach im Schnitt mehr, in einem Einfamilienhaus eine Luft-Wasser-Wärmepumpe statt einer neuen Gasheizung zu installieren. Dem stünden über eine Betriebszeit von 18 Jahren Einsparungen von 21.996 Eu­ro gegenüber. Der durchschnittliche Ein­familienhauseigentümer spart demnach knapp 3000 Euro – mit den staat­lichen Fördermitteln, die 25 bis 40 Prozent der Kosten für die Wärmepumpe abdecken, sogar noch deutlich mehr. Ökonomen vom EWI haben nachgerechnet Doch fällt die Rechnung wirklich so eindeutig pro Wärmepumpe aus, wie Ha­becks Ministerium es darstellt? Das Energiewirtschaftliche Institut an der Univer­sität Köln (EWI) hat für die F.A.Z. am Beispiel eines bereits sanierten Einfamilienhauses in Nordrhein-Westfalen vier Sze­narien mit sich unterschiedlich entwi­ckelnden Energiepreisen durchgerechnet. Die Kosten für die Installation der neuen Heizung wurden dabei auf die Betriebsdauer umgelegt; 25 Prozent staatliche Förderung sind schon abgezogen. Trotzdem ist, Stand heute, in allen Szenarien der Einbau einer neuen Gasbrennwertheizung auf die Laufzeit der Heizung ge­rechnet günstiger als eine Luft-Wärmepumpe. Unter der Annahme, dass die Strom- und Gaspreise bis 2026 in etwa auf dem Niveau der derzeit geltenden Energiepreisbremsen bleiben und danach steigen – was dem EWI am wahrscheinlichsten erscheint – müssen Eigentümer für eine neue Gasheizung der Analyse zu­folge, alle Kosten eingerechnet, im Schnitt mit 17,7 Cent je Kilowattstunde kalkulieren. Für die Luft-Wärmepumpe sind es dagegen mit einem Haushaltsstromtarif 20,2 Cent. Mit einem vergünstigten Wärmepumpen-Strompreis sinkt der Betrag auf 19,4 Cent. Erst für Einbauten vom Jahr 2027 an ändert sich das Verhältnis, dann schneidet die Luft-Wärmepumpe in der Laufzeitbetrachtung besser ab als die Gasheizung, was mit dem steigenden CO2-Preis auf Gas, aber auch unterstellten Effizienzgewinnen der Wärmepumpe zu tun hat. Etwas anders fällt das Fazit aus, wenn auch die Sole-Wasser-Wärmepumpe in den Vergleich einbezogen wird, die mit Wärme aus dem Erdreich arbeitet. Dieser Heizungstyp kommt mit einem ge­wöhnlichen Stromtarif in der EWI-Rechnung mit 18,1 Cent schon heute nah an die Kosten der Gasheizung heran. Mit einem vergünstigten Wärmepumpen-Stromtarif entsprechen die Kosten denen einer Gasheizung. „Erdwärmepumpen werden wegen der hohen Investitionskosten oft gescheut“, sagt EWI-Managerin Johanna Bocklet. „Es lohnt sich aber, auch da die Kosten über den gesamten Lebenszyklus zu vergleichen. Da schneiden diese Anlagen oft besser ab.“ Allerdings werden Erdwärmepumpen nicht überall genehmigt. Zuletzt ist der Gaspreis deutlich stärker gefallen als der Strompreis. Statt 40 Cent für eine Kilowattstunde Gas wie im Au­gust 2022 müssen Neukunden aktuell laut dem Vergleichsportal Verivox nur noch 10,4 Cent zahlen. Der Strompreis hat sich dagegen seit seinem Hoch „nur“ halbiert und liegt derzeit bei 33,9 Cent. Das Heizen mit Gas ist dadurch wieder attraktiver geworden. Das hat auch das Wirtschaftsministerium erkannt und deshalb die Energiepreisbremsen angepasst: Mit dem Kabinettsbeschluss vom vergangenen Mitt­woch wird für Heizstrom ein spezieller Strompreisdeckel eingeführt, der 28 Cent statt der üblichen 40 Cent je Kilowattstunde beträgt. Voraussetzung für den reduzierten Strompreisdeckel ist, dass die Wärmepumpe einen eigenen Zähler hat. In diesen Fällen gewähren die Strom­anbieter vielfach Preisnachlässe, sichern sich aber zugleich das Recht, die Wärmepumpe bei zu hoher Netzlast drosseln zu dürfen. Schätzungen zufolge hat etwa die Hälfte der installierten Wärmepumpen ei­nen eigenen Zähler. Die staatlichen Preisbremsen sollen im April 2024 auslaufen. Für Neukunden spielen sie wegen der gesunkenen Marktpreise derzeit aber ohnehin keine große Rolle mehr. Nach einer Analyse des Vergleichsportals Verivox bekommen Haushalte mit einer Wärmepumpe aktuell Verträge für im Schnitt etwas mehr als 29 Cent je Kilowattstunde. Ein Einfamilienhaus mit einer effizient arbeitenden Wärmepumpe (Jahresarbeitszahl 4) be­nö­tige im Jahr rund 5000 Kilowattstunden Heizstrom und zahle dafür rund 1474 Euro. Beträgt die Jahresarbeitszahl nur 2,7, werden 7500 Kilowattstunden Strom und 2188 Euro benötigt. Das entspricht in etwa den Betriebskosten für ei­ne Gasheizung, die Verivox für das Beispielhaus mit 2200 Euro ansetzt. Wärmepumpen-Lobby dringt auf Subventionen Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) drängt darauf, dass die Politik nicht nur die Anschaffung einer Wärmepumpe staatlich fördern sollte, sondern auch den laufenden Betrieb, sprich die Stromkosten. „Deutschland ist zusammen mit Belgien das Schlusslicht in Eu­ropa, wenn es um das Verhältnis von Strom- zu Gaspreis geht“, sagt Ge­schäftsführer Martin Sabel. Der Verband hat kürzlich vom Prognos-Institut die Gesamtkosten für Mieter in einem Mehrfamilienhaus durchrechnen lassen. Der Einbau einer Wärmepumpe war güns­tiger als der einer neuen Gasheizung, allerdings nur knapp. Der Verband wirbt deshalb für eine Senkung der Stromsteuer auf 0,1 Cent je Kilowattstunde und den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent für Heizstrom. Wirtschaftsminister Habeck verweist gern darauf, dass durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie Strom perspektivisch günstiger werde. Schließlich müssen diese Energieträger anders als Kohle und Gas nicht erst teuer beschafft werden. EWI-Managerin Johanna Bocklet warnt aber vor zu hohen Erwartungen. „Ob der Strompreis zeitnah mit dem Ausbau der Erneuerbaren deutlich sinken wird, ist fraglich“, sagt sie. „Solange Gas zur Stromerzeugung genutzt wird, treibt der Gaspreis in diesen Stunden den Strompreis.“ Mit wachsendem Netzausbau werden zudem auch die Netzentgelte steigen. In den Gesamtkostenvergleichen noch nicht berücksichtigt ist, dass es in manchen älteren Häusern mit dem Einbau ei­ner neuen Heizung nicht getan ist, sondern auch in eine bessere Dämmung und neue Heizkörper investiert werden muss. Angesichts der vielen Einflussfaktoren rät Verivox-Energieexperte Thorsten Storck von vorschnellen Entscheidungen ab. „Die konkreten Kosten und die notwendigen Umbauarbeiten hängen stark von der individuellen Situation und den baulichen Ge­gebenheiten ab“, sagt er. Ein Energieberater könne das am besten abschätzen.