Tuesday, April 18, 2023

Habeck will keine Gasheizungen mehr: Warum lässt er dann so viele LNG-Terminals bauen?

Berliner Zeitung Habeck will keine Gasheizungen mehr: Warum lässt er dann so viele LNG-Terminals bauen? Artikel von Liudmila Kotlyarova • Gestern um 14:45 Robert Habeck will eine Heizungswende mit Verzicht auf neue Öl- und Gasheizungen ab 2024 und unterstützt gleichzeitig den Bau weiterer LNG-Terminals an der Ost- und Nordseeküste: Wie passt das zusammen? Es ist zwar klar: Im letzten Jahr mussten deutsche Importeure Flüssigerdgas (LNG) als Ersatz für das russische Pipeline-Gas nicht zuletzt deswegen besonders teuer beschaffen, weil Deutschland keine eigenen LNG-Terminals hatte. Nun gibt es seit einigen Monaten drei deutsche Importterminals: in Wilhelmshaven in Niedersachsen, in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern und in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein – und die Gasspeicher hierzulande sind mit 66 Prozent für diese Jahreszeit mit geringem Verbrauch mehr als gut gefüllt. Der Gasmarkt ist mit LNG zudem bereits überschwemmt. Kommen noch weitere vier Terminals dazu – und so viele sollten nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe und des NewClimate Institute bis 2026 in Betrieb gehen: zuerst schwimmend und dann fest –, werden sie in der Summe genauso viel Gas nach Deutschland liefern können, wie Deutschland nicht mehr über Nord Stream aus Russland bekommt. Ein Ausgleich 1:1 also, und zwar gerade da, wo die Gasheizungen allmählich an Wert verlieren sollten? Die Haushalte haben schließlich einen ähnlich großen Gasverbrauch wie die Industrie. „Wir bauen bei den schwimmenden Flüssigerdgasterminals erstmals eine neue Infrastruktur auf, die es bislang in Deutschland nicht gibt und die ein zentraler Baustein zur Stärkung der Vorsorge ist“, erklärt die Ministeriumssprecherin Susanne Ungrad auf Anfrage. Der Ausbau einer LNG-Infrastruktur für FSRU, also für Regasifizierungsschiffe, die Gas aus einem verflüssigten in den „normalen“ Zustand verwandeln, sowie die Anmietung von FSRU seien essenziell für die Energiesicherheit, heißt es. Die Reduktion und dann der Wegfall von russischen Gaslieferungen im vergangenen Jahr hätten den Aufbau dieser neuen Infrastruktur zwingend notwendig gemacht. Warum müssen es aber so viele sein? Die deutsche Gasversorgung werde so über die kommenden Jahre sichergestellt, erwidert die Sprecherin. Auch mittel- und osteuropäische Nachbarn könnten über deutsche Terminals künftig Mengen importieren, die sie nach dem Wegfall der russischen Lieferungen bräuchten. „Die deutsche LNG-Importinfrastruktur ist deshalb nicht nur ein nationales, sondern auch ein europäisches Vorhaben.“ Beim Chartern der FSRU seien zudem auch sehr bewusst Mietverträge und keine Kaufverträge geschlossen worden, da sich hier Änderungen in Folgejahren ergeben könnten, wenn der Bedarf sinke, so die Argumentation. Falls ein FRSU in der Länge der Anmietung nicht gebraucht werde, könne es weitervermietet werden, bis der Mietvertrag beendet sei. Auch für das Wirtschaftsministerium ist es klar: „Gas wird für eine begrenzte Übergangszeit wichtig bleiben, um die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen.“ Denn ein weitestgehender Ersatz über andere terrestrische Fernnetzleitungen (wie die Nord-Stream-Pipelines) sei derzeit nicht möglich. „Insofern ist die schnelle Errichtung von LNG-Terminals noch wichtiger geworden. Gas wird derzeit nicht nur zum Heizen, sondern auch für die Wirtschaft noch gebraucht. Wir steigen mehr und mehr auf erneuerbare Energien um, auf Wind oder Sonne und Wasserstoff. Bis dahin braucht es aber noch Gas als Brücke.“ Dies stelle das klimapolitische Ziel Deutschlands nicht infrage, denn man wolle parallel noch die erneuerbaren Energien schnell ausbauen, erwidert das Ministerium auf Kritik. Das bereits funktionierende schwimmende LNG-Terminal in Brunsbüttel zum Beispiel werde zudem bald zu einem landseitigen festen LNG-Terminal, das sich im nächsten Schritt ab 2026 zu einer Ammoniak-Anlandestation entwickeln solle. Denn der grüne Wasserstoff sollte nach dem Plan der Bundesregierung nach Deutschland künftig in Form von Ammoniak kommen. Den Unternehmen, die die LNG-Terminals bauen, seien die Anforderungen für eine spätere Verwendung als Wasserstoffterminal bekannt, bekräftigt die Ministeriumssprecherin. Spannend an der Argumentation ist, dass das Argument „Gas als Brücke“ früher vor allem von CDU- und SPD-Politikern verwendet wurde. Grünen-Politikerinnen wie Annalena Baerbock oder Claudia Roth hatten das Argument im Bundestag mehrmals abgelehnt. Damals ging es den Gegnern der fossilen Energien in den Diskussionen allerdings noch um das russische Pipeline-Gas. Auch kritisieren Umweltorganisationen wie Nabu, die gegen mögliche Umweltschäden durch die zahlreichen LNG-Terminals vorgehen, dass das Wirtschaftsministerium trotz der schönen Versprechungen immer noch nicht genug gegen die Überbürokratisierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien mache. Der Bau der LNG-Terminals binnen kürzester Zeit sei dagegen mit dem LNG-Beschleunigungsgesetzt forciert worden, und zwar ohne ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung, so die erste Vorsitzende des Nabu in Wilhelmshaven, Stefanie Eilers.