Saturday, April 8, 2023
Iran will mit Kameras auf öffentlichen Plätzen Frauen ohne Kopftuch identifizieren
DER SPIEGEL
Iran will mit Kameras auf öffentlichen Plätzen Frauen ohne Kopftuch identifizieren
Artikel von Katharina Koerth • Vor 1 Std.
Das iranische Regime hat wohl erste Überwachungskameras an öffentlichen Orten angebracht. Es will Frauen ausfindig machen, die ihre Haare zeigen. Die Aktion könnte aber auch ein Bluff sein.
Iran hat offenbar angefangen, auf öffentlichen Plätzen und Straßen Kameras anzubringen – damit sollen Frauen davon abgehalten werden, sich den strengen Kleidervorschriften des Regimes zu widersetzen. Das kündigte die Polizei laut Berichten staatlicher iranischer Medien an. Wo genau Kameras installiert sein sollen, gab die Polizei nicht bekannt. Allerdings sollten unverschleierte Frauen, die so entdeckt werden, künftig eine »Warnmeldung« per SMS über mögliche Strafen erhalten, hieß es.
Ein Regierungsbeamter hatte den Schritt bereits im Herbst angekündigt. Unklar ist weiterhin, ob Teheran wirklich über Technologien verfügt, die es dem Regime ermöglichen könnten, den Sitz eines Hidschabs auf Überwachungsbildern fehlerfrei zu überprüfen und die gezeigten Personen sicher zu identifizieren.
Ebenfalls ist nicht bekannt, ob das Land die Technik selbst entwickelt hat oder von einem Unternehmen einkauft. So ist Iran beim Bau von Drohnen weiter auf westliche Elektronik angewiesen, wie ein Experte im SPIEGEL berichtete. Bei der Kamerainstallation könnte es sich deshalb auch um reine Drohgebärden zur Abschreckung handeln.
Iran sammelt Daten auf biometrischen Personalausweisen
Iranische Menschenrechtlerinnen und Experten waren nach der Ankündigung der Überwachung im Herbst trotzdem alarmiert. Einige fürchteten, dass die iranische Regierung auf Daten aus biometrischen Personalausweisen zurückgreifen könnte. Diese werden seit 2015 schrittweise eingeführt, auf dem Chip in den Ausweisen können Iris-Scans, Fingerabdrücke und Gesichtsbilder gespeichert werden.
Seit Monaten zeigen sich Frauen in Iran immer wieder ohne das vorgeschriebene Kopftuch – obwohl Demonstrationen gewaltsam niedergeschlagen und wohl Hunderte Regierungsgegner getötet wurden. Die Proteste ausgelöst hatte der Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini im vergangenen September. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben soll. Kurz darauf starb sie in Polizeigewahrsam.