Thursday, April 27, 2023
"Es staut sich viel Frust im Land auf": Journalistin nimmt Bauministerin Geywitz in die Mangel
teleschau
"Es staut sich viel Frust im Land auf": Journalistin nimmt Bauministerin Geywitz in die Mangel
Artikel von Natascha Wittmann • Gestern um 05:59
Die Zukunft des deutschen Wohnungsmarktes verursacht bei vielen Deutschen Sorgen. Doch wie schlimm ist die Baukrise wirklich? Am Mittwochabend versuchte Bauministerin Klara Geywitz bei "Markus Lanz", Licht ins Dunkle zu bringen. Dabei geriet sie unter anderem mit einer FAZ-Journalistin aneinander.
Seit Ende 2021 ist SPD-Politikerin Klara Geywitz als Bauministerin im Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen tätig. Ein Job, mit dem wohl die wenigsten aktuell tauschen wollen würden, denn die Baukrise versetzt mittlerweile längst nicht nur die Politik in Unruhe. Der Wohnungsmangel sowie der Fachkräftemangel mit Blick auf das neue Heizungsgesetz zeichnen ein düsteres Bild für die Zukunft in deutschen Metropolen. Bei "Markus Lanz" musste sich Klara Geywitz deshalb einigen kritischen Fragen stellen und versuchte gleichzeitig, mit möglichen Lösungsansätzen zu punkten.
"Wir haben bereits Milliarden in den sozialen Wohnungsbau gesteckt", betonte Klara Geywitz (SPD).
Die Politikerin mahnte zunächst in Bezug auf das Heizungsgesetz und anhaltenden Angriffskrieg in der Ukraine: "Was mich tief ins Grübeln gestürzt hat, war, dass im letzten Jahr mehr Gasheizungen eingebaut wurden. Wir haben da einen Diskussionsbedarf in der Gesellschaft, wie wir in Zukunft heizen." Dies brachte Markus Lanz zunächst auf das Thema Wärmepumpen und den jüngsten 12-Milliarden-Dollar-Deal zwischen dem hessischen Heizungsbauer Viessmann und den USA. Der Moderator fragte kritisch: "Warum gibt es kein Interesse, Produktionen in Deutschland zu behalten? Kann es sein, dass wir mal wieder einen Mega-Markt verschlafen haben?"
Am Mittwochabend diskutierte Markus Lanz (links) mit seiner Runde unter anderem den Wohnungsmangel in Deutschland.
Klara Geywitz prognostiziert: "Der Markt für Wärmepumpen wird explodieren"
Klara Geywitz blieb neutral und versuchte, das Familienunternehmen zu verteidigen: "Die Entscheidung ist ihnen sicher nicht leicht gefallen. Sie haben den Markt analysiert und haben festgestellt, dass der Markt für Wärmepumpen explodieren wird in den nächsten Jahren." FAZ-Journalistin Julia Löhr ergänzte, dass Viessmann sich offenbar nicht in der Lage gesehen habe, eigenständig den Produktionsbedarf decken zu können: "Wir sehen asiatische Konkurrenten, die Erfahrung mit dieser Technik und mit der Massenproduktion haben. Sie sind schon startklar, während Viessmann erst noch plant, die Fabriken hochzufahren."
Gleichzeitig erklärte die Wirtschaftsredakteurin, warum dies auch ein gutes Zeichen sein könnte: "Es ist ein Massenprodukt und wird von verschiedenen Ländern produziert. Wir haben da eine Bandbreite an Ländern, die die Technik schon haben." Deshalb sei es nicht nötig sich "komplett abzukoppeln", es gelte aber, sich nicht zu abhängig von einem einzelnen Land zu machen. Wettbewerb sei laut Löhr "per se etwas Gutes": "Da werden die Preise sinken und es wird für den Staat günstiger."
Tim von Winning, Leiter der Fachbereiche Stadtentwicklung, Bau und Umwelt in Ulm. mahnte jedoch vor einem zu starken Fokus auf die Wärmepumpe: "Wir können es uns nicht leisten in einer Gesellschaft, zu sagen, wir setzen mal fünf Jahre auf Gas und dann fünf Jahre auf Wärmepumpen und dann auf was anderes."
Geywitz schlägt Ausbau bestehender Häuser um mehrere Stockwerke vor
Besonders im Bereich des Gebäudebaus sei eine Diversifizierung dringend notwendig. "Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist schwierig. Wir müssen die Kapazitäten ausweiten", gab Klara Geywitz zunächst bei "Markus Lanz" zu. Über die vorherrschende Baukrise sagte die SPD-Politikerin zudem: "Wir haben einen Reformstau und große Kapitalkosten." Wie sie die große Baulücke im Land stopfen will? "Es muss durch staatliche Unterstützung Nachfrage generiert werden. Wir haben bereits Milliarden in den sozialen Wohnungsbau gesteckt. Das ist in dieser Situation eine Stabilisierung."
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Außerdem wies die Politikerin auf ein unterstützendes Programm speziell für junge Familien hin, das im Sommer beginnt. Geywitz unterbreitete zudem den Vorschlag, bereits bestehende Häuser um "ein, zwei oder drei Stockwerke" zu erweitern: "Wir müssen, das, was schon da ist, attraktiver machen." So könne man auch in die Nähe der benötigten 500.000 neuen Wohnungen komme, die man dieses Jahr mit wohl knapp 300.000 Wohnungen noch deutlich verfehlen würde, räumte Geywitz ein. Markus Lanz stichelte: "Die Lage scheint so verzweifelt zu sein, dass Sie schon sagen, die Menschen sollen aufs Land ziehen."
Journalistin Julia Löhr warnt: "Das ist eine gefährliche Entwicklung"
Auch Tim von Winning warnte: "Ich sehe die große Dramatik, dass wir in eine Situation kommen, in der wir eine soziale Schieflage in den Städten haben." Julia Löhr ergänzte dazu mit Blick auf Geywitz: "Als Deutschland insgesamt haben wir keinen Wohnraummangel. Der Wohnraum mangelt dort, wo die meisten Menschen sind." Folglich würden Städte künftig immer mehr unter Druck geraten."
Druck baute Löhr im ZDF-Polittalk auf Geywitz auf: "Sie sind Bauministerin, und die Leute erwarten, dass dort gebaut wird, wo die Nachfrage am größten ist. Da staut sich gerade sehr viel Frust im Land auf. Das ist eine gefährliche Entwicklung, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl." Dennoch sprach sich Klara Geywitz am Mittwoch gegen großflächige Subventionierungen aus: "Wir können nicht mehr mit einer Gießkanne jedem, der ein Haus baut, Steuergelder geben. Das kann sich eine Volkswirtschaft von unserer Größe nicht dauerhaft leisten."