Sunday, April 23, 2023
Heizungsstreit: CDU warnt vor "Aufruhr in der Bevölkerung", Habeck beschwört Zusammenhalt beim Klimaschutz
DER SPIEGEL
Heizungsstreit: CDU warnt vor "Aufruhr in der Bevölkerung", Habeck beschwört Zusammenhalt beim Klimaschutz
Artikel von Benjamin Bidder • Vor 7 Std.
Weg von der Gasheizung: Sachsens CDU-Regierungschef Kretschmer sieht deshalb die Gefahr einer "Destabilisierung Deutschlands". Der grüne Vizekanzler Habeck dagegen warnt davor, Klimaschutz zum »Milieu-Thema« zu machen.
Die Heizungsdebatte entwickelt sich immer mehr zum Lagerkampf zwischen Grünen auf der einen Seite und FDP und Union auf der anderen Seite. Warum das so ist? Weil auf der einen Seite die Notwendigkeit besteht, schnell CO2-Emissionen zu reduzieren, um den Anstieg der weltweiten Temperaturen zu dämpfen. Auf der anderen Seite geht die Frage der zukünftigen Regulierung des Einbaus von Heizungssystemen aber auch fast die gesamte Bevölkerung an, Mieter wie Immobilieneigentümer. Und bei letzteren steigt die Verunsicherung, weil es für sie um potenziell enorme Investitionen geht (auch wenn die Bundesregierung umfangreiche Förderprogramme plant).
Die FDP hat sich gerade auf dem Bundesparteitag gegen das Heizungsgesetz gestellt, das sie in der Bundesregierung selbst mit ausgehandelt hatte. CDU/CSU wiederum wollen die Ampel-Koalition bei der Heizungsfrage vor sich hertreiben. »Die Ampel kündigt das Gleichgewicht von Ökonomie, Ökologie und Sozialem gerade auf«, sagte der CDU-Politiker Michael Kretschmer jetzt der »Bild am Sonntag«. »Die Pläne dieser Regierung führen zu Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung.« Kretschmer, Regierungschef in Sachsen, kritisierte vor allem das geplante Gebäudeenergiegesetz zur Heizungserneuerung: Es sei »mit der Brechstange« gemacht worden.
»Viele Bürger werden sich den geforderten Umbau ihres Häuschens oder ihrer Wohnung schlicht nicht leisten können. Auch Vermieter und Wohnungsunternehmen schlagen Alarm«, meinte der Landeschef. »Die Energiewende wird für die Bürger unbezahlbar und die Politik wird damit einen großen Teil der Bevölkerung verlieren.« Es werde wegen der Klimapolitik zu massiven Standortverlagerungen von Unternehmen weg aus Deutschland kommen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat seinen Kurs unterdessen verteidigt. Der aktuelle Streit um den Austausch fossil betriebener Heizungen sei unvermeidlich gewesen. Die vergangene Bundesregierung habe noch den Einbau von Gasheizungen gefördert, sagte der Grünen-Politiker am Samstag bei einer Veranstaltung der Tageszeitung »taz« in Berlin. »Da zu glauben, das ginge ohne Debatten, das wäre absurd.«
Habeck: Klimaschutz ist keine Frage des Lebensstils
Den Vorgängerregierungen unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf Habeck mangelndes Engagement für den Kampf gegen die Erderwärmung vor. »Abstrakt fanden wir Klimaschutz gut, und damit konnte man in der Ära Merkel auch durchkommen, aber es wurde nie wirklich konkret, und jetzt wird es halt konkret«, sagte Habeck. »Und logischerweise gibt es da nun Debatten.« Es sei in einer Demokratie auch nicht schlimm, dass gestritten werde. »Wir müssen uns jetzt um das Konkrete kümmern. Und deswegen knirscht es so.«
Habeck zeigte sich aber alarmiert darüber, dass Klimaschutz anders als noch 2019 und bis in das vergangene Jahr hinein nicht mehr als Aufgabe aller wahrgenommen werde. »Das war schon ein gesamtgesellschaftliches Thema«, sagte der Minister, auch wenn es unterschiedliche Antworten auf die damit zusammenhängenden Fragen gegeben habe. »Aber dafür war nicht eine Gruppe, eine Partei oder ein Ministerium zuständig.« Klimaschutz sei als allgemeines Gut verstanden worden wie das Wahlrecht oder die Pressefreiheit.
Nun hingegen sei »diese kulturelle Auseinandersetzung wieder voll da«, beklagte Habeck. »Kulturelle Auseinandersetzung heißt: Klimaschutz soll zu einem Lebensstil-Thema, zu einem Milieu-Thema, zu einem Parteithema gemacht werden.« Das werde das Land zurückwerfen. »Wir können darüber streiten, was die besten Konzepte sind, aber wir sollten nicht darüber streiten, dass wir alle verantwortlich sind, Konzepte vorzulegen. Und das, glaube ich, bricht gerade auf.«