Sunday, April 23, 2023
„In welcher Welt leben Sie eigentlich?“, fährt Spahn die Bauministerin an
WELT
„In welcher Welt leben Sie eigentlich?“, fährt Spahn die Bauministerin an
Artikel von Dominik Lippe • Vor 7 Std.
Bei „Anne Will“ teilt CDU-Politiker Jens Spahn gegen die Bundesbauministerin Klara Geywitz aus. Die Wärmewende werde zur „Chaoswende“ und Geywitz zur „Baustoppministerin“. Die SPD-Politikerin hingegen verweist bei den Preisen auf die „absolute Mangellage“.
Nach dem Gebäudeenergiegesetz sollen neue Heizungen ab kommenden Januar zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auf ihrer Homepage verspricht die Bundesregierung „großzügige Übergangsfristen und Ausnahmen, einen starken sozialen Ausgleich – und umfangreiche Förderung“. Doch die kontroverse Debatte um das Aus von Öl–und Gasheizungen beschäftigt das Land weiterhin – entsprechend ruppig ging es am Sonntagabend auch bei „Anne Will“ zur Sache.
„Höchste Zeit oder überstürzter Plan?“, fragte die Moderatorin Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), Jens Spahn (CDU), die Journalisten Hermann-Josef Tenhagen und Ann-Kathrin Büüsker sowie Kai H. Warnecke vom Zentralverband Haus & Grund. Es werde noch intensive Diskussionen geben, prophezeite Geywitz zu Beginn. Immerhin sei es ein„sehr intimer Vorgang“ in den Heizungskeller des Eigentümers einzugreifen.
Allerdings müsse Deutschland bis 2045 „klimaneutral“ sein, betonte die Ministerin. In Anbetracht der Lebensdauer einer Heizung sei es somit „höchste Zeit“, den Einstieg in den Ausstieg aus der fossilen Verbrennung einzuleiten. Die Abkehr von Öl- und Gasheizungen sei wichtig, sonst „investieren wir gutes Geld in eine veraltete Technik“.
Sie gehe nicht davon aus, dass die Gesetzesnovelle am „Widerstand“ der FDP scheitere, sagte Geywitz. Das Gesetz lehne ganz im Sinne des Koalitionspartners „harte Eigentumseingriffe“ ab. Es gehe nur um neue Heizungen.
Büüsker und Spahn gingen dazwischen. Die FDP rühre mit „sehr viel Populismus“ die Trommel, da sie mit Blick auf die kommende Bürgerschaftswahl in Bremen „massiv unter Druck“ stehe und sich von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck abgrenzen müsse, kritisierte die Journalistin von Deutschlandfunk Kultur.
Die Wärmewende werde aus Sicht der Bevölkerung zur „Chaoswende“, bemängelte wiederum CDU-Politiker Spahn. Es sei noch immer unklar, welche Regelungen ab dem kommenden Januar gelten. Hohe Kosten, fehlende Handwerker und eine unklare Förderung führen zu „Frust und viel Verunsicherung“, so der ehemalige Bundesgesundheitsminister. Klara Geywitz werde dadurch zur „Baustoppministerin“, kritisierte er. Durch das Gesetz werde der Einbau von Wärmepumpen zur „Haltungsfrage – und keine mehr der Vernunft“, so Spahn.
„Die Heizungsfrage wird zur Teil-Enteignung“
Geywitz wies eine Fokussierung auf die Technologie von sich. Der Entwurf liste neben der Wärmepumpe zahlreiche „Erfüllungsoptionen“ wie Biomasse, Fern- und Nahwärme oder Stromdirektheizungen auf. Zudem gebe es eine „Innovationsklausel“, die noch unbekannte, emissionssparende Technologien beträfe. Nur reine Öl- und Gasheizungen seien künftig verboten, sagte sie.
Der Entwurf „mag technologieoffen“ sein, doch die Realität für die Menschen sei es nicht, hielt Warnecke dagegen. Einen Fernwärmeanschluss gebe es etwa nur für die wenigsten Eigentümer. Für Tenhagen sei die Novelle „technologieoffen genug“. Der Wirtschaftsjournalist sah vor allem ein Kostenproblem angesichts der gestiegenen Kosten für Handwerker beim Einbau von Wärmepumpen.
In der Branche gebe es Menschen, die von der Sorge und der Not der Bevölkerung profitieren wollen. Eine Hybridheizung koste gar über 60.000 Euro, sagte Warnecke zur derzeitigen Kostenentwicklung. „Die Preise, die wir jetzt sehen, sind Preise einer absoluten Mangellage“, rechtfertige Geywitz. „Warum warten wir dann nicht das eine Jahr?“, wollte Spahn wissen. Er warf Geywitz vor, mit der „Brechstange“ zu arbeiten, obwohl sie wisse, dass sie damit „die Preise treibe“.
Der Staat gebe einen Zuschuss für neue Heizungen von bis 50 Prozent und einen zinsvergünstigten Kredit in Höhe von 60.000 Euro, führte die Bundesministerin die Förderungspläne der Regierung aus. „In welcher Welt leben Sie eigentlich?“, fragte Jens Spahn entgeistert. Ein Rentner mit Grundsicherung beispielsweise sei nicht in der Lage, die anderen 50 Prozent aufzubringen.
Die Heizungsfrage beeinflusse den Wert des Hauses und entwickele sich für Eigentümer somit zur „Teilenteignung“. Er appellierte an die Bundesregierung, den Menschen mehr „Planungszeit“ zu geben. Ab 2026 sei die Ölheizung ohnehin verboten. Das habe bereits die letzte große Koalition entschieden.