Friday, April 7, 2023

FDP will Atomkraftwerke für mindestens ein Jahr betriebsbereit halten

WELT FDP will Atomkraftwerke für mindestens ein Jahr betriebsbereit halten Artikel von Philipp Vetter • Vor 1 Std. Die Abschaltung der drei letzten Atommeiler können die Liberalen nicht verhindern. Doch die Kraftwerke sollen, so die neue Forderung, bis nächstes Frühjahr jederzeit reaktivierbar bleiben. Man wisse schließlich nicht, was noch komme. Auch das Kernkraftwerk Neckarwestheim soll am 15. April abgeschaltet werden Die FDP-Fraktion im Bundestag gibt die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Atomkraft nicht auf. In einem 14-seitigen Grundsatzpapier zur Energiepolitik, das WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt, fordern die Liberalen unter anderem, dass die drei letzten Atommeiler nach ihrer Abschaltung Mitte April noch mindestens ein Jahr in einem betriebsbereiten Zustand bleiben sollen, um sie wieder hochfahren zu können. Deutschland müsse zudem seine Energiesouveränität schnellstmöglich zurückgewinnen, heißt es. Dafür müsse insbesondere die Gasbeschaffung diversifiziert werden. Denn fest stehe: „Die Pipelines Nord Stream I und II dürfen nicht wieder in Betrieb genommen werden.“ „Wir sind überzeugt, dass die Reihenfolge des Ausstiegs aus den bestehenden Kern- und Kohlekraftwerken in Deutschland mit Blick auf das Klima die falsche ist“, heißt es in dem Papier. Zwar werde Atomstrom laut dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) nicht mehr für die Versorgungssicherheit gebraucht, doch Notsituationen seien nicht immer absehbar. „Daher sollten die Kernkraftwerke bis zur vollständigen Substitution des russischen Erdgases durch andere Quellen – voraussichtlich im Frühjahr 2024 – reaktivierbar bleiben“, so die Forderung. Außerdem wolle man „auch das Potenzial neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung und der Kernfusion – insbesondere auch der lasergetriebenen Kernfusion – prüfen und gesellschaftlich diskutieren“. Dazu gehörten explizit auch Mini- und Flüssigsalzreaktoren. Das Papier steht insgesamt unter dem Motto „Energiepreise runter, Versorgungssicherheit rauf“ und soll Perspektiven für die Energiepolitik über die akute Krise des vergangenen Jahres hinaus liefern. „Von Wladimir Putins Russland darf Deutschland auch nach Kriegsende kein Gas mehr kaufen“, so die Liberalen. Innerhalb Deutschlands müssten daher alle vorhandenen Ressourcen genutzt werden. „Energie muss wieder für alle Menschen und Unternehmen in diesem Land bezahlbar werden“, sagt der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Michael Kruse. „Zudem müssen wir die Krisenfestigkeit unseres Energiesystems stärken, mit einem breiten Technologiemix und einer Absicherung gegen Angriffe auf unsere Energiepreise.“ Deshalb solle auch in Deutschland Fracking-Gas und Öl gefördert werden. „Wir müssen dafür offen sein, unsere heimischen Öl- und Gasfelder zu erschließen, an Land und auf See“, heißt es in dem Papier. „Eine temporär beschränkte Gewinnung fossiler Ressourcen in Deutschland ist ökologisch vorteilhaft gegenüber dem Import und erhöht unsere Energiesouveränität.“ FDP verweist auf Technologieoffenheit Auch die Gasnetze sollen weiterbetrieben und langfristig auf Biomethan und Wasserstoff umgestellt werden. Beide Energieträger sollen eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung der Zukunft spielen. Um den Strompreis kurzfristig zu senken, fordern die Liberalen eine Absenkung und langfristig eine Abschaffung der Stromsteuer. „Wir setzen auf einen marktgetriebenen Ausbau von erneuerbaren Energien und Wasserstoff und wollen die teure und wenig zielgerichtete Förderpolitik beenden“, sagt Kruse. „Mir ist besonders wichtig, dass wir technologieoffen vorgehen und neben Wind und Sonne auf Wasserkraft setzen, die insbesondere im Süden unseres Landes große Ausbaupotenziale bietet.“ Durch eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik solle Deutschland Technologieführer werden und die Ansiedlung industrieller Produktion unterstützen. Zudem müsse der Netzausbau beschleunigt werden. „Für alle Vorschläge gilt: Je mehr Wege wir für neue Technologien offenlassen“, so Kruse, „desto schneller gelingt uns die Umstellung der Energieversorgung auf günstige, sichere und erneuerbare Alternativen.“