Saturday, April 8, 2023

Eine noch größere wirtschaftliche Verflechtung anzustreben, ist risikoreich

WELT Eine noch größere wirtschaftliche Verflechtung anzustreben, ist risikoreich Artikel von Glacier Kwong • Gestern um 14:27 EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zog in China ungewöhnlich klare Grenzen bei Themen wie Menschenrechten, wirtschaftlicher Erpressung und Desinformation. Nun muss die EU ihren Worten Taten Folgen lassen. In ihrer jüngsten Rede lieferte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine klare Analyse der Herausforderung, die China für die EU darstellt, und schuf durch die Strategie der Risikominderung Spielraum für eine EU-Führungsrolle. Die von China ausgehenden Risiken für die EU zu minimieren ist sinnvoll und könnte auch für nicht mit den USA verbundene Länder erhebliche geostrategische Vorteile haben. Die Risikominderung zielt darauf ab, wirtschaftliche Interessen und Sicherheitsaspekte in Einklang zu bringen. Das ist angesichts des wachsenden Selbstbewusstseins Chinas auf der Weltbühne besonders wichtig. Dabei darf das Thema Entkopplung aber nicht komplett vom Tisch sein – denn ein Taiwan-Konflikt würde genau das erfordern. Ich hoffe, dass dieser Ansatz auch bei von der Leyens Peking-Besuch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron deutlich geworden ist. Auch wenn das angesichts der Zusammensetzung der französischen Delegation unwahrscheinlich wirkt. Neben Macron nahmen vier Minister, fünf Regierungsbeamte, 15 Mitglieder der Zivilgesellschaft und 53 Wirtschaftsführer an der Reise teil. Es widerspricht einer Strategie zur Risikominderung, wenn man in Wirklichkeit eine noch größere wirtschaftliche Verflechtung mit China anstrebt. Falls die EU bereit ist, den Worten auch Taten folgen zu lassen – und nur dann –, ist das ein enormer Schritt in der EU-Chinapolitik. Das würde nämlich bedeuten, dass Europa die Notwendigkeit erkannt hat, in globalen Angelegenheiten eine größere Rolle einnehmen zu müssen und beim Thema China einen proaktiveren Ansatz zu verfolgen. Die EU steht zu ihren Werten Von der Leyens Rede war auch deshalb bemerkenswert, weil sie ungewöhnlich klare Grenzen bei Themen wie Menschenrechten, wirtschaftliche Erpressung und Desinformation zog. Sie betonte zum Beispiel, wie wichtig es sei, in den China-Beziehungen für europäische Werte und Grundsätze einzutreten – einschließlich Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Diese entschlossene Haltung zeigt, dass die EU zu ihren Werten steht und nicht zulassen wird, dass China sie verletzt. Noch ein wichtiger Aspekt der Rede war die eindeutige Positionierung zur Ukraine. Ursula von der Leyen ist nicht auf das Narrativ hereingefallen, dass die EU China braucht, um Russland in Schach zu halten. Das könnte angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen entscheidend sein und zu einer Deeskalation beitragen. Insgesamt stellt ihre Rede einen wichtigen Fortschritt in der EU-Chinapolitik dar. Risikominderung ist ein überzeugender Ansatz, während die Abgrenzung in Sachen Ukraine zeigt, dass die EU bei ihren Grundwerten und Prinzipien keine Kompromisse macht. Von der Leyen hätte in ihrer Rede aber stärker auf das Klima eingehen können, das für Europa und die ganze Welt ein extrem wichtiges Thema ist. Indem sie solche Fragen anspricht, kann die EU dazu beitragen, dass die Beziehung zu China auf gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit beruht – und nicht auf Ausbeutung und Erpressung.