Friday, April 14, 2023
Brexit: Deutsche Punkband darf nicht nach Großbritannien einreisen
DER SPIEGEL
Brexit: Deutsche Punkband darf nicht nach Großbritannien einreisen
Artikel von Charlotte Lüder • Montag
Die Band »Trigger Cut« aus Stuttgart wollte in Großbritannien auf Tour gehen – doch die Mitglieder wurden in Calais abgewiesen. Das Problem könnte viele Musiker aus der EU betreffen.
Eine deutsche Punkband fühlt sich laut »Guardian« »gedemütigt«, weil ihr die Einreise in das Vereinigte Königreich für eine Tournee verweigert wurde. Grund: »undurchsichtige und verwirrende« Brexit-Regeländerungen.
»Trigger Cut«, eine dreiköpfige Band aus Stuttgart, sollte diese Woche in sieben Städten Großbritanniens spielen, wurde aber am vergangenen Donnerstag in Calais von der britischen Grenzschutzbehörde abgewiesen.
Tim Burgess, Frontmann der britischen Band »The Charlatans«, sagte, die »Albtraum«-Erfahrung der deutschen Band zeige, welchen Schaden der Brexit für tourende Musiker anrichte: »Was ›Trigger Cut‹ passiert ist, ist beängstigend, da Bands aus der EU mit verwirrenden und komplexen Regeln konfrontiert sind, die bedeuten, dass sich Tournee-Termine im Vereinigten Königreich für sie einfach nicht lohnen.«
Viel Papierkram und undurchsichtige Regelungen
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Die Mitglieder der deutschen Band berichten, dass ihre Pässe konfisziert und sie in Calais in einem Raum zur Überprüfung festgehalten worden seien, bevor ein Grenzschutzbeamter sie um ein »certificate of sponsorship« (COS) von jedem Veranstaltungsort bat, an dem sie spielen sollten.
Ralph Schaarschmidt, der Gitarrist von »Trigger Cut«, schrieb auf Facebook: »Monatelange Planung, 1750 km Fahrt nach Calais und zurück nach Stuttgart, Van-Mietkosten, teure Zollerklärungen, Fährticket – alles umsonst. Wir sitzen gerade in einem tiefen, dunklen emotionalen Loch, das ist ein Albtraum … Ich glaube, ich habe mich noch nie so erniedrigt, traurig und schlecht gefühlt wie heute.«
Die Band war nicht im Besitz der geforderten COS-Zertifikate. Stattdessen planten die Mitglieder die Einreise ins Vereinigte Königreich im Rahmen der Ausnahmeregelung »Permitted Paid Engagement« (PPE), die kostenlos ist.
Dies ermöglicht es Musikern, bis zu einem Monat im Vereinigten Königreich auf Tour zu gehen, wenn sie von einer in Großbritannien ansässigen Organisation oder einem Kunden eingeladen und bezahlt werden. Die Künstler müssen eine förmliche Einladung zu einer im Voraus vereinbarten Veranstaltung vorlegen und nachweisen, dass sie während der Reise für ihren Lebensunterhalt sorgen und ihre Rückreise selbst bezahlen können.
Ein COS ist ein alternativer Weg in das Vereinigte Königreich, der als sicherer angesehen wird, aber mit mehr Papierkram verbunden ist. Dazu gehört, dass ein Promoter die Band sponsert, ihre Eignung prüft und für sie während ihres Aufenthalts im Vereinigten Königreich bürgt, der zwischen einigen Tagen und bis zu 90 Tagen dauern kann.
Viele Künstler säßen an der Grenze fest, weil die Leitlinien der Regierung unklar seien und nur auf Englisch gedruckt würden. Ein weiteres Problem sei, dass einzelne Grenzbeamte nach eigenem Ermessen jede beliebige Person an der Grenze zurückweisen könnten und es kein Recht auf Einspruch gebe, so der »Guardian«.
Großbritannien-Tour erst mal auf Eis gelegt
Ein Sprecher der Regierung lehnte es dem »Guardian« zufolge ab, Fragen zum Fall »Trigger Cut« zu beantworten. Er teilte lediglich mit: »Musiker und Interpreten sind ein geschätzter und wichtiger Teil der britischen Kultur und das Land zieht Entertainer und Musiker von Weltrang aus der ganzen Welt an. Aus diesem Grund bieten wir eine spezielle Einwanderungsroute für Kreativschaffende an. Alle Visumanträge werden gemäß den Einwanderungsbestimmungen sorgfältig auf ihre individuellen Vorzüge hin geprüft. Das Antragsverfahren ist so gestaltet, dass alle Entscheidungen über die Erteilung eines Visums auf der Grundlage möglichst genauer Informationen getroffen werden können und für alle Antragsteller fair sind.«
Schaarschmidt sagte, er werde nicht noch einmal versuchen, durch das Vereinigte Königreich zu touren: »Bei aller Liebe zur Musik sind diese bürokratischen, kostenintensiven und demütigenden Bedingungen überhaupt nicht hinnehmbar.«