Wednesday, November 9, 2022
Saudi-Arabien: US-Bürgerin inhaftiert – sie warnte vor Reisen in das Land
DER SPIEGEL
Saudi-Arabien: US-Bürgerin inhaftiert – sie warnte vor Reisen in das Land
Anna-Sophie Schneider - Vor 56 Min.
Carly Morris reiste 2019 mit ihrer Tochter nach Saudi-Arabien. Seither kann sie das Land eigenen Angaben zufolge nicht verlassen. Nun warnte die US-Bürgerin andere Frauen – und rief damit die Justiz auf den Plan.
Kritik an der Regierung ist in Saudi-Arabien unerwünscht. Wer sich öffentlich äußert, muss mit harten Strafen rechnen. Nun sorgt der Fall einer US-Bürgerin für Aufsehen.
Die 34 Jahre alte Carly Morris ist 2019 gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter nach Saudi-Arabien gereist. Hintergrund war, dass das Mädchen seinen Großvater väterlicherseits kennenlernen sollte. Von der Reise, die eigentlich kurz andauern sollte, ist Morris jedoch bis heute nicht zurückgekehrt.
Jahrelang habe sie darum gekämpft, gemeinsam mit ihrer Tochter wieder ausreisen zu dürfen, so berichtet sie es. Ihr saudi-arabischer Ex-Mann habe sich jedoch dagegen gewehrt. Zugutekamen ihm dabei die Gesetze des Landes, die ein strenges männliches Vormundschaftssystem vorschreiben. Kürzlich machte Morris ihre Geschichte via Twitter öffentlich und warnte andere Frauen vor Reisen nach Saudi-Arabien. Nun, so bestätigten es US-Beamte der Nachrichtenagentur AP, wurde sie deswegen festgenommen.
»Destabilisierung der öffentlichen Ordnung« lautet der Vorwurf
»Unsere Botschaft in Riad ist in diesem Fall sehr engagiert und verfolgt die Situation sehr genau«, kommentierte ein Sprecher des US-Außenministeriums den Fall. Wie der britische »Guardian« berichtet, wurde Morrison zunächst von der Staatsanwaltschaft vorgeladen und anschließend am Sonntag festgenommen. Ihr werde »Destabilisierung der öffentlichen Ordnung« vorgeworfen, zitiert das Blatt aus einem offiziellen Dokument.
In ihrer Erklärung auf Twitter hatte Morris geschrieben, dass sie und ihre Tochter »gegen unseren Willen« in einem Hotel unter »extremen und schrecklichen Umständen« festgehalten würden, wo sie seit 2019 einer »ausgedehnten sozialen Isolation« ausgesetzt seien.
»Wir haben die vergangenen drei Jahre unter diesen Bedingungen verbracht, wurden unserer grundlegenden Menschenrechte beraubt und unser Leben wurde uns gestohlen«, schreibt Morris weiter. »Über drei Jahre lang habe ich versucht, bei allen Ämtern und Behörden um Hilfe zu bitten. Meine Situation wurde heruntergespielt, vernachlässigt und falsch behandelt.«
Mit eindringlichen Worten richtet sie sich zudem an andere Frauen und warnt davor, ins Land zu kommen. »Ihr werdet eurer Würde, eurer Ehre und eurer Rechte beraubt werden«, schreibt Morris. »Jeder kann Ihnen jederzeit alles antun, und Sie werden nicht die verzweifelte Hilfe erhalten, die Sie brauchen, und es wird keine Gerechtigkeit geben. Im Gegenteil, Sie werden beschuldigt und im Gegenzug kriminalisiert.«
Aufenthaltsort der Tochter unbekannt
Die letzten Sätze wirken im Nachhinein beinahe wie eine Prophezeiung. Kurz nach der Veröffentlichung des Tweets wurde Morris in Gewahrsam genommen. Wo ihre Tochter sich derzeit befindet, ist dem »Guardian« zufolge unklar.
Weder die saudi-arabische Botschaft in Washington noch das Außenministerium hätten bisher auf Anfragen reagiert. Beobachter gehen davon aus, dass Morris bereits mindestens die dritte US-Bürgerin ist, die sich in dem Königreich hinter Gittern befindet. Menschenrechtler fordern, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu prüfen.
»Bevor wir mehr hören über eine mögliche strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien, muss die Misshandlung amerikanischer Bürger beendet werden. Wir brauchen ein Ende der Misshandlung von Frauen und Kindern, deren einziges Verbrechen ihr Geschlecht ist«, sagte Allison McManus, die Forschungsleiterin der Menschenrechtsorganisation Freedom Initiative, dem »Guardian«.