Tuesday, November 29, 2022
Energieversorgung: Habecks Diener in Qatar war doch nicht ganz umsonst
FAZ
Energieversorgung: Habecks Diener in Qatar war doch nicht ganz umsonst
Artikel von Helmut Bünder • Gestern um 18:14
Qatars Energieminister Saad Scharida al-Kaabi
Im Frühjahr erntete die Bundesregierung viel Häme für ihr plötzliches Interesse an Qatar. Eigentlich ist das kleine Emirat wegen seiner politischen, sozialen und rechtsstaatlichen Missstände in der Ampelkoalition nicht gut gelitten, wie sich bei der Fußballweltmeisterschaft zeigt. Außerdem lebt es von Öl und Gas, jenen fossilen Quellen, die Berlin im Sinne des Klimaschutzes austrocknen will. Doch im März, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, reiste Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) überstürzt nach Doha und verneigte sich tief vor dem Handelsminister.
Das Bild dieses Dieners wurde als Ausdruck deutschen Katzbuckelns verstanden, um an qatarisches Flüssiggas (LNG) als Ersatz für russische Importe zu gelangen. Qatar hat weniger Einwohner als Berlin, verfügt hinter Russland und Iran aber über die größten Gasreserven. Im Mai konnte Habeck mit Qatars Energieminister Saad Scharida al-Kaabi eine Energiepartnerschaft schließen. Mit dabei waren auch der Emir sowie Kanzler Olaf Scholz (SPD). Doch echte Lieferverträge gab es lange nicht, sodass Skeptiker die Vorstöße als gescheiterte Anbiederung kritisierten. Der Bund verwies darauf, dass er lediglich die politischen Bedingungen schaffen könne, die Verträge müssten die Handelsgesellschaften untereinander schließen.
Das ist jetzt erstmals passiert. Al-Kaabi gab am Dienstag bekannt, dass der Staatskonzern Qatar Energy ein Abkommen über Flüssiggaslieferungen nach Deutschland geschlossen habe. Käufer ist der drittgrößte amerikanische Ölkonzern Conoco-Phillips aus Houston in Texas. Dieser will das LNG zum gerade entstehenden neuen Terminal in Brunsbüttel an der deutschen Nordseeküste verschiffen. Die Aufkäufer dort sind die Terminalbetreiber RWE und Uniper. Zu Preisen gab es keine Angaben, wohl aber zum Umfang von mindestens 2 Millionen Tonnen im Jahr über 15 Jahre. Lieferbeginn soll 2026 sein, wenn die Festanlagen im Terminal stehen. Zunächst wird in Brunsbüttel nur eine schwimmende Einheit (FSRU) in Betrieb sein.
Al-Kaabi sprach von „guten Beziehungen zu deutschen Unternehmen und zur deutschen Regierung“. Das Gas stamme aus den Meereslagerstätten North Field East und North Field South. Habeck sagte, es sei „schlau“ von Uniper und RWE, „die günstigsten Angebote auf dem Weltmarkt einzukaufen“. Das beschränke sich nicht auf Qatar. Zur Vertragsdauer sagte er: „15 Jahre ist super, das scheinen mir gute Bedingungen zu sein.“ Auch längere Laufzeiten seien denkbar, doch wolle Deutschland 2045 klimaneutral sein. Das ist auch der Grund, warum die LNG-Terminals wasserstofftauglich ausgelegt werden.
Der Branchenverband Zukunft Gas lobte, dass die 15 Jahre eine gute Perspektive für das Landterminal und die spätere Wasserstoffnutzung böten. „Der Handel mit Qatar Energy darf aber auch nicht überbewertet werden“, warnte Verbandschef Timm Kehler. 2 Millionen Tonnen LNG im Jahr entsprächen nur 30 Terawattstunden Energie, 3 Prozent des deutschen Bedarfs. Ersetzt werden müssten 500 Terawattstunden aus russischen Gaslieferungen. Der Energieverband BDEW verwies aber darauf, dass das Gas aus Qatar Brunsbüttel zu einem Drittel auslasten werde.
Allerdings dürfte der Vertrag mit Conoco-Phillips nur ein Auftakt gewesen sein. Al-Kaabi verwies in Doha darauf, dass Qatar auch direkt mit deutschen Abnehmern über Lieferungen spreche. Bei früherer Gelegenheit hatte er RWE und Uniper genannt. Die Konzerne wollten sich nicht äußern, beide bestätigten lediglich, dass sie mit mehreren Ländern verhandelten. In der Branche werden vor allem RWE gute Chancen eingeräumt, mit Qatar ins Geschäft zu kommen. Über eine RWE-Wandelanleihe beteiligt sich der Staatsfonds des Emirats an der Finanzierung einer großen Unternehmensübernahme. Im Ergebnis wird Qatar mit 9 Prozent der RWE-Aktien zum größten Anteilseigner des Essener Energieriesen.
Unter Dach und Fach hat RWE Vereinbarungen über LNG aus Abu Dhabi: Ende Dezember wird ein erstes Schiff mit 137.000 Kubikmetern in Deutschland ankommen. Nach Angaben einer RWE-Sprecherin wird das die erste Lieferung sein, die über Brunsbüttel abgewickelt wird. Wann und wie es nach dem Jahreswechsel weitergeht, wird gerade verhandelt. In einem Grundsatzabkommen haben sich RWE und die Energiegesellschaft des Emirats bereits auf „mehrjährige“ Lieferungen von 2023 an verständigt.
Vorvereinbarungen gibt es ebenfalls für Lieferungen aus den USA: Darin geht es um eine Laufzeit von 15 Jahren über ein Volumen von 2,25 Millionen Tonnen im Jahr. Anders als beim Vertrag mit Abu Dhabi ist Deutschland nicht das alleinige Bestimmungsland: RWE kann das Gas an jeden Ort verschiffen. Diese Flexibilität ist für die Unternehmen bei langen Laufzeiten sehr wichtig. Denn LNG ist in Deutschland und Europa nur eine Übergangslösung, bis grüner Wasserstoff bereitsteht. Andererseits brauchen die Lieferländer Sicherheit durch langfristige Verträge, damit sie neue Gasfelder erschließen und Transportinfrastruktur aufbauen.
Eine feste Größe im LNG-Geschäft ist seit vielen Jahren Uniper. Im vorigen Geschäftsjahr hatte der Konzern 360 Schiffsladungen auf den Weg gebracht und war damit einer der großen Akteure auf dem internationalen Markt. Während die meisten Lieferungen damals in Richtung Asien gingen, wird nun sogar LNG aus dem fernen Australien für Europa geordert: Am vergangenen Montag legte ein von Uniper beauftragtes LNG-Schiff des Gaskonzerns Woodside mit 75.000 Tonnen in Rotterdam an. Uniper hat bei Woodside bis 2039 jährlich 0,8 Millionen Tonnen Flüssiggas für Deutschland und Europa geordert. Dieser Rahmenvertrag läuft ab kommenden Januar.