Thursday, June 30, 2022

Großbritannien: Die sture Schottin und der Traum vom Scexit

SZ.de Großbritannien: Die sture Schottin und der Traum vom Scexit Von Alexander Mühlauer - Gestern um 21:19 Seit sie 16 Jahre alt ist, arbeitet Nicola Sturgeon auf ein großes Ziel hin: unabhängig zu sein von England. Jetzt wagt die Regierungschefin den zweiten Versuch. Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon will auf den Bund mit England gerne verzichten, nicht aber auf die Queen. Die sture Schottin und der Traum vom Scexit Einmal im Jahr kommt die Queen für eine Woche nach Schottland. Holyrood Week heißt diese Woche, sie ist ein Pflichttermin im Kalender der Königin, und so reiste Elizabeth II. am Montag nach Edinburgh. Die Queen residiert dort im Palace of Holyroodhouse, wo sie für Mittwochnachmittag Tausende Gäste zur Gartenparty geladen hatte. Die Queen war diesmal allerdings nicht zugegen, sie ließ sich von Prinz Charles vertreten. Wie schon bei den Feierlichkeiten zu ihrem Platin-Jubiläum nahm die Königin auch in dieser Woche in Schottland nur ausgesuchte Termine wahr, einer davon war der Empfang von Nicola Sturgeon. Die schottische Regierungschefin brachte gleich mehrere Geschenke mit, wobei der Queen eines besonders auffiel: "Das muss Whisky sein." "Das ist Whisky", sagte Sturgeon zustimmend und erklärte dann noch die anderen Mitbringsel. Die Queen zeigte sich erfreut: "Well, what a nice thing to have", was für eine schöne Sache. Ob die Begegnung weiter so harmonisch verlief, ist nicht bekannt, denn nach der Begrüßung mit dem Whisky mussten die Kameras den Raum verlassen. Um Missverständnissen vorzubeugen, hatte Sturgeon zumindest eines schon mal vor dem Treffen klargestellt: Sollte Schottland eines Tages unabhängig sein, werde die Queen Staatsoberhaupt bleiben. In die SNP trat sie ein, um sich gegen Margaret Thatchers Politik zu stemmen Über die Frage, ob sich Schottland vom Vereinigten Königreich lösen könnte, wird seit dieser Woche wieder intensiv diskutiert. Ausgelöst wurde die Debatte einmal mehr von Sturgeon. Die 51-Jährige ist Vorsitzende der Scottish National Party (SNP) und seit 2014 Regierungschefin in Edinburgh. Sie gilt als äußerst zielstrebig, manche sagen auch starrsinnig, jedenfalls dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass sie ausgerechnet am Tag vor dem Treffen mit der Queen ein neues Unabhängigkeitsreferendum ankündigte. Unabhängig sein von den Engländern, darum geht es Sturgeon, seit sie mit 16 Jahren in die SNP eingetreten ist. Sie wurde damals Mitglied, um die konservative Politik von Margaret Thatcher zu stoppen, erzählte sie einmal. Sturgeon, die mit einem SNPler verheiratet ist, bezeichnet sich selbst als Feministin und Pazifistin. Vor allem aber ist sie stolze Schottin, die ihren Traum von der Unabhängigkeit endlich verwirklichen will. Am 19. Oktober 2023 sollen ihre Landsleute ein zweites Mal darüber abstimmen. Der Brexit, das war für sie die Zäsur im Verhältnis zu England Die Frage ist also: Kommt nach dem Brexit nun der Scexit? Sturgeon wäre nichts lieber als das. Sie weiß noch gut, wie es 2014 war, beim ersten Referendum. 55 Prozent stimmten dafür, Teil des Vereinigten Königreichs zu bleiben. Für Sturgeon war das ein Schlag ins Gesicht. Damals konnte sie noch nicht wissen, dass es zwei Jahre später noch mal wehtun würde. 2016 stimmte die Mehrheit im Vereinigten Königreich dafür, die EU zu verlassen. Für Sturgeon war das die Zäsur im Verhältnis zwischen England und Schottland. Seit dem Act of Union im Jahr 1707 sind die beiden Länder vereint. Doch mit dem Brexit änderte sich aus Sturgeons Sicht die Geschäftsgrundlage. Schließlich stimmten die Schotten beim Referendum mit 62 Prozent für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Seitdem ist die Zahl der schottischen Unabhängigkeitsbefürworter erst gestiegen, dann wieder gefallen. Aktuell würden 45 Prozent dafür stimmen, 46 Prozent dagegen. Es gibt viele Unentschlossene, die Zustimmung war schon mal höher. Sturgeon hört das nicht gerne, aber für sie ist klar: Solange der in Schottland unbeliebte Boris Johnson britischer Premier ist, stehen die Chancen nicht schlecht. Das Problem ist allerdings, dass sie für ein Referendum die Zustimmung der britischen Regierung braucht, was Johnson natürlich ablehnt. Wie es aussieht, wird der britische Supreme Court über die Rechtmäßigkeit von Sturgeons Manöver entscheiden. Aufgeben kommt für sie jedenfalls nicht infrage. Und bei allem Kampf um die Unabhängigkeit vom Königreich gilt selbst für Sturgeon: God Save the Queen.