Friday, December 1, 2023

Klagen in Rheinland-Pfalz - Gericht urteilt gegen Scholz' Grundsteuer - „Schallende Ohrfeige für die Regierung“

FOCUS online Klagen in Rheinland-Pfalz - Gericht urteilt gegen Scholz' Grundsteuer - „Schallende Ohrfeige für die Regierung“ Artikel von dpa • 2 Std. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte 2019 - damals noch als Bundesfinanzminister - das Grundsteuer-Modell eingeführt. Die Richter eines Finanzgerichts in Rheinland-Pfalz zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Bundesmodells zur Grundsteuer. Sie geben zwei Antragsstellern Recht, die Beschwerde gegen die Bescheide eingelegt hatten. Kippt jetzt Scholz' ganzer Plan? Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln für die neue Grundsteuer. Man habe ernste Bedenken, „dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes überhaupt geeignet seien, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen“, teilte die Justizbehörde in Neustadt/Weinstraße mit. Gericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuer-Regeln Das höchste Finanzgericht des Bundeslandes gab damit in einem Eilverfahren zwei Antragstellern recht. Es setzte die Vollziehung ihrer Grundsteuerwertbescheide aus und ließ „wegen der grundsätzlichen Bedeutung“ der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - aufgrund der Abweichung von einem Urteil des Sächsischen Finanzgerichts - die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zu. Das rheinland-pfälzische Finanzministerium will den Beschluss prüfen. In einem Fall ging es um ein 1880 errichtetes, unrenoviertes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 Quadratmetern. Hier hatte das Finanzamt den Grundsteuerwert auf 91.600 Euro festgestellt. Der zweite Fall betraf ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 178 Quadratmetern, das 1977 bezugsfertig errichtet wurde. Obwohl in Hanglage und nur über einen Privatweg erreichbar, stellte das Finanzamt den Grundsteuerwert auf 318.800 Euro fest. Jedoch äußerte das Finanzgericht in Neustadt „ernstliche Zweifel sowohl an der einfachrechtlichen Rechtmäßigkeit der einzelnen Bescheide, als auch an der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Bewertungsregeln“. Steuerpflichtigen fehlt Möglichkeit eines Gegengutachtens Das Gericht hat vor allem Zweifel daran, dass die entscheidend in die Bewertung eingeflossenen Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen sind, auch was zum Beispiel die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse angeht - hier könnten „Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden“. Zudem kritisierte das Finanzgericht, dass Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit hätten, einen unter dem typisierten Bodenrichtwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachweisen zu können - etwa mit einem Gegengutachten, das aber eben nicht vorgesehen ist. Abschließende Entscheidung über Verfassungsmäßigkeit steht aus Die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht, Barbara Weiß, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Entscheidungen betreffe zwei Einzelfälle - eine abschließende Entscheidung auch über die Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln stehe aus. Man rechne mit einer zeitnahen Entscheidung des Bundesfinanzhofs, der sich der Brisanz sicher bewusst sei, betonte die Sprecherin des Gerichts. Das Finanzministerium in Mainz teilte mit, man sei von der Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells überzeugt. Der Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz werde nun geprüft, dann werde über die Einlegung von Rechtsmitteln entschieden. „Schallende Ohrfeige“ für die Regierung Der Eigentümerverband Haus & Grund bezeichnete indes die Entscheidung als „schallende Ohrfeige“ für die Landesregierung. „Die Landesregierung täte gut daran, die Angelegenheit nicht einfach mit einer Revision zum Bundesfinanzhof auszusitzen.“ Vielmehr sollten Maßnahmen für ein verfassungskonformes Landesgrundsteuergesetz ergriffen werden. Die steuerpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Karina Wächter, teilte mit, die Entscheidung gebe den Kritikern der Grundsteuerreform „auf ganzer Linie“ Recht. „Schon seit über zwei Jahren warnen wir vor der rechtlichen Unsicherheit und dem Bürokratiemonster mit hohen Kosten, die die neue Bundesregelung darstellt“, meinte sie. Es brauche jetzt schnellstmöglich Klarheit - für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Kommunen, für die die Grundsteuer eine wichtige Einnahme-Säule sei. Bundesmodell „so bürokratisch“, dass keiner Grundsteuererklärung fristgerecht abgibt „Die neue Grundsteuer nach dem Bundesmodell wurde von der Politik als unbürokratisch, fair und verfassungsfest angepriesen. Doch dieses Märchen zerbröselt stückweise“, teilte der Bund der Steuerzahler mit. Das neue Grundsteuer-Modell sei „so bürokratisch“, dass es das Land Rheinland-Pfalz, aber auch viele Kommunen und Bürger nicht geschafft hätten, ihre Grundsteuererklärungen fristgerecht abzugeben. „Allein in Rheinland-Pfalz gab es rund 280.000 Einsprüche gegen die Bescheide zur Berechnung der Grundsteuer – das spricht Bände“, teilte René Quante mit, Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler in Mainz. Kritik kam auch von den Freien Wählern im Landtag. Mit dem Urteil des Finanzgerichts müsse sich die Landesregierung die Frage gefallen lassen, ob sie die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuerreform einer hinreichenden Prüfung unterzogen habe, meinte Fraktionschef Joachim Streit. „Das wäre dringend geboten gewesen. Denn im Licht der Geschehnisse rund um den Bundeshaushalt steht jetzt der Verdacht im Raum, dass es sich bei der Grundsteuerreform erneut um ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz handelt.“ Neue Grundsteuer soll ab 2025 gelten Anhand der Erklärungen der Eigentümer stellt das Finanzamt zwei Bescheide aus: einen Grundsteuerwertbescheid und einen Grundsteuermessbescheid. Sie bilden die Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer durch die Kommunen. Die neue Grundsteuer soll ab Anfang 2025 gelten. In Rheinland-Pfalz müssen insgesamt rund 2,5 Millionen Immobilien neu bewertet werden. Im November hatte das Finanzministerium in Mainz mitgeteilt, dass im Bundesland fast 279.000 Einsprüche gegen die Bescheide zur Berechnung der Grundsteuer eingelegt worden seien.