Thursday, December 28, 2023

Neuer Job für Özdemir? Umfrage gibt Fingerzeig – doch in Öko-Kreisen gärt es

Merkur Neuer Job für Özdemir? Umfrage gibt Fingerzeig – doch in Öko-Kreisen gärt es Artikel von Florian Naumann • 4 Std. Kretschmann-Nachfolger gesucht Neuer Job für Özdemir? Umfrage gibt Fingerzeig – doch in Öko-Kreisen gärt es Cem Özdemir zählt zu den bekanntesten Grünen. Strebt er nach Höherem? Aktuell ist jedenfalls ein Balanceakt gefragt. Berlin/Stuttgart – Cem Özdemirs Berufung zum Landwirtschaftsminister war 2021 eine der größeren Überraschungen im Kabinett Scholz: Als ausgewiesener Agrar-Experte galt der Grünen-Promi nicht – anders als etwa der lange hoch gehandelte Anton Hofreiter. Knatsch zwischen „Fundis“ und „Realos“ fabrizierte die Entscheidung zudem. Dafür sendete die Nominierung ein den Grünen willkommenes Signal an Menschen mit Migrationshintergrund. Und Özdemir gilt als Mann mit Kompetenzen im Publikumskontakt: „Schwätza muass mer mit de Leit“, lautet ein vom Minister überlieferter Wahlspruch. Bald könnte für Özdemir die nächste Schwierigkeitsstufe im „Schwätza“ mit einer großen Bandbreite an Menschen anstehen: In Baden-Württemberg wird auf Sicht ein wichtiger Grünen-Posten frei. Allerdings gibt es auch Risiken – denn nicht nur bei den Landwirten, auch im ökologisch bewegten Kreisen wächst die Kritik. Özdemir Favorit auf Kretschmann-Nachfolge? Umfrage sieht Grünen weit vorne Worum es geht: 2026 wird Baden-Württemberg einen neuen Ministerpräsidenten bekommen. Seit 2011 amtiert Winfried Kretschmann dort als erster und einziger Landesregierungschef der Grünen. Zur nächsten Wahl ist für den heute 75-Jährigen aber Schluss. Gesucht wird ein auch in der politischen Mitte anschlussfähiger und weithin bekannter Kandidat. Auf den Schwaben Özdemir könnte das Profil passen. Eine Umfrage scheint nun weitere Argumente für Özdemir zu liefern: Die Befragung sieht den Grünen aktuell als beliebtesten Kandidaten für Baden-Württembergs Ministerpräsidentenposten – weit vor den möglichen Mitbewerbern von Grünen und CDU. Laut der Erhebung des Instituts Allensbach war 23 Prozent der Befragten Özdemir als Kretschmann-Nachfolger am liebsten. Auf Platz zwei und drei folgen CDU-Landespolitiker Thomas Strobl und der in Berlin wirkende Schwabe Thorsten Frei (ebenfalls CDU) mit 9 und 6 Prozent. Im Sommer begleitete Cem Özdemir Winfried Kretschmann beim Besuch in seine Heimatstadt Bad Urach. In der vom baden-württembergischen Staatsanzeiger am Mittwoch (27. Dezember) präsentierten – aber nicht eindeutig datierten – Erhebung wirken die Grünen-Konkurrenten chancenlos: Finanzminister Danyal Bayaz kommt auf drei Prozent, Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz auf zwei Prozent. „Allerdings ist er auch der Bekannteste, das darf man nicht unterschätzen“, relativierte Allensbach-Meinungsforscher Michael Sommer. Tatsächlich können Politiker in einem lange vorbereiteten Wahlkampf massiv an Bekanntheit gewinnen – zumal sich in der Umfrage immerhin 33 Prozent der Befragten für eine vorzeitige Amtsübergabe an einen Kretschmann-Nachfolger aussprachen. „Blasse“ Kandidaten sind allerdings auch ein Risiko. Bis zum Frühjahr 2026 kann in jedem Fall noch einiges passieren. Özdemir kassiert Zorn der Landwirte – steht aber auch unter Erfolgsdruck Das gilt allerdings auch für Özdemir. Zuletzt stand der Grüne wegen wohl wegfallender Subventionen für die Landwirtschaft massiv in der Kritik – und Landwirte sind auch in Baden-Württemberg eine wichtige Zielgruppe. In ihrer Wahrnehmung half offenbar auch Özdemirs Widerspruch gegen die Pläne im Ampel-Haushaltsstreit wenig. So deuteten es zumindest ein massives Pfeifkonzert und ein fragwürdiger Kommentar vom Podium bei einer Protestdemo in Berlin an. Mit einer „Aktionswoche“ wollen die Landwirte ihren Protest nun sogar noch verschärfen. Zugleich manifestiert sich allem Anschein nach ein zweites Problem: Denn Özdemir muss als Bundesminister und potenzieller Landeschef nicht nur massenkompatibel sein – sondern auch die Grünen-Basis zufriedenstellen. Ersteres will die Union auch mit gezielten Angriffen vermeiden. Dass Özdemir aktuell die Grünen-Wähler beglückt, scheint aber ebenfalls fraglich. In einer Analyse der in Grünen-Kreisen gerne gelesenen taz setzte es zuletzt einen massiven Verriss. Grüner Ärger auf Özdemir? „Er hat keinen Arsch in der Hose“ Die Liste der Vorwürfe in dem Artikel ist lang: Özdemir habe die Erwartungen an einen Grünen-Agrarminister „nicht einmal im Ansatz“ erfüllt: Beim angepeilten Glyphosat-Verbot sei Özdemir gegen die FDP eingeknickt, der Anteil der Landwirtschaft an den CO2-Emissionen steige, das Artensterben laufe ungebremst weiter, die Zustände für viele Tiere in deutschen Ställen seien „ethisch nicht vertretbar“. „Özdemir hat keinen Arsch in der Hose“, sagte schon zuvor der Greenpeace-Mitarbeiter Martin Hofstetter dem Blatt: Der Minister biedere sich im Subventionsstreit bei den Bauern und der CDU in Baden-Württemberg an. Statt zu opponieren, solle Özdemir lieber auf den großen „Subventionstropf“ der Landwirtschaft in Deutschland verweisen. Es scheint, als habe Özdemir aktuell einige „dornige Chancen“ zur Hand, wie es vielleicht Kabinettskollege Christian Lindner formulieren würde. Es ist die wohlklingende Umschreibung des FDP-Chefs für „Krisen“. (fn)