Saturday, December 30, 2023

„Wer hat uns denn erzogen?“ - Generation Z: Frech? Faul? Fordernd? 26-Jährige hat hitzige Debatte angeschoben

„Wer hat uns denn erzogen?“ - Generation Z: Frech? Faul? Fordernd? 26-Jährige hat hitzige Debatte angeschoben Artikel von Von FOCUS-online-Autorin Elisabeth Hussendörfer • 19 Std. Ein kürzlich bei FOCUS online erschienenes Interview mit „die Tischlerin" Isabelle Vivianne (26) über die Gen Z hat hohe Wellen geschlagen. Für die „Baufluencerin“ ist der Diskurs wichtig. Doch er müsste konstruktiver geführt werden. FOCUS online: Wir haben kürzlich ein Interview zur Gen Z mit Ihnen geführt, das hundertfach kommentiert wurde. Fanden Sie die vielen Reaktionen überraschend? Isabelle Vivianne: Einerseits ja, andererseits auch wieder nicht. Der Fachkräftemangel ist schließlich das alles bestimmende Thema. Ich glaube, die Leute spüren, dass sich ganz dringend etwas in Sachen Generationenmiteinander bewegen muss. Ich glaube, auch diejenigen, die sich kritisch und teilweise sogar herablassend geäußert haben, spüren das. Umso mehr frage ich mich, woher die Wut kommt, die in vielen Kommentaren zum Ausdruck kam. Ich meine: Wir, die Gen Z, sind erst seit fünf Jahren am Arbeitsmarkt, die große Welle kommt noch… Wo führt das hin, wenn wir uns die Situation nicht in Ruhe anschauen und den Diskurs vernünftig führen? Und das vermissen Sie also bei den Reaktionen auf das Interview: Ruhe, Unaufgeregtheit? Vivianne: Es geht nicht darum, auf der eigenen Meinung zu beharren, sondern lösungsorientiert die Zukunft zu gestalten. Der konstruktive Austausch ist für mich ganz klar Zielsetzung. Das treibt mich an. Wieso sollte ich mich derart in die Öffentlichkeit rein manövrieren, wenn ich keine Verbesserung der Situation für alle für nötig erachten würde? Aber zu Ihrer Frage: Ein Teil der Reaktionen scheint mir nicht zu Ende gedacht. Vieles wirkt wie aus einer Laune hingeschrieben. 

 Zum Beispiel?

 Vivianne: Unter anderem wurde immer wieder gesagt, wir Jungen seien schlecht erzogen. Ganz ehrlich, da musste ich fast lachen. Wer hat uns denn bitteschön erzogen? Genau das meine ich mit nicht zu Ende gedacht: Vieles, was da gesagt wurde, ist nicht schlüssig. Ich finde: Wenn wir eine qualitativ hochwertige Debatte führen wollen, sollten wir ein paar Grundlagen beachten. Nämlich? Vivianne: Manches lernt man im Deutschunterricht in der Schule. Etwa, dass Argumente nur dann Argumente sind, wenn sie dem Prinzip „These, Argument, Beleg/Beispiel“ folgen. Das habe ich bei den Kommentaren in vielen Fällen vermisst. Es wird behauptet, dass unsere Generation respektlos sei. Aber es fehlen konkrete Ausführungen, wo das der Fall ist, inwiefern das zutrifft und auch, was helfen könnte, den Konflikt zu lösen. So was macht mich traurig, denn ich selbst habe mich wirklich bemüht, mit Weitsicht, Einfühlungsvermögen und auch einer gewissen Vorsicht zu sprechen. Plumpe Phrasen und Beschwerden ohne Lösungsansatz bringen niemandem was! Mögen Sie weitere Beispiele nennen? Vivianne: Gerne. Die Sache mit dem Respekt, den man sich angeblich verdienen muss. Auch das habe ich oft gelesen. Schlimm.

 Wieso? Vivianne: Eine verbreitete Auffassung ist anscheinend, dass Respekt an Leistung gekoppelt ist. Das sehe ich anders. Ich glaube, ich spreche hier für viele junge Menschen. Respekt ist nicht die Folge von etwas, sondern Voraussetzung für eine vernünftige Zusammenarbeit. Natürlich geht es in jedem Job immer auch um Leistung, auch ich muss mich und meine Fähigkeiten Tag für Tag unter Beweis stellen. Ich muss meine Rolle finden, immer wieder neu, so sehe ich das. Respekt, das ist eine andere Baustelle. Respekt sollte eine Art Grundrauschen sein, etwas, was einfach da ist. Mein Eindruck ist, dass viele junge Menschen das halbvolle Glas im Arbeitsleben vermissen. Ist das Glas bei den Jungen aus Ihrer Sicht denn eher halbleer?

 Vivianne: Nicht mal das, es ist zu Beginn oftmals sogar ganz leer. Jetzt mach du erst mal, dann werde ich auch respektvoll dir gegenüber sein – so läuft das leider allzu oft. Das sind genau die hierarchisch degradierenden Situationen, die ich im letzten Interview angesprochen habe und die junge Menschen so schrecklich unglücklich machen. Aber es gibt auch Anlass zur Hoffnung und Zuversicht, schließlich gab es auch eine Menge positiver Kommentare. Wacht auf, hat zum Beispiel eine Astrid geschrieben, vergesst den verstaubten Mist von gestern. Die FOCUS-online-Leserin, die sich als 47-jährige zu erkennen gab, findet es toll, „was sich entwickeln kann, wenn die Älteren auf die Ideen der Jüngeren eingehen“. Ich selbst würde gerne ergänzen, dass es natürlich auch darum geht, dass die Jüngeren sich auf die Älteren zubewegen. Ich will nicht blind für meine eigene Generation sein. Das wäre Quatsch. Es gibt Junge, die Idioten sind und Ältere, die Idioten sind. Darum geht es nicht. Sondern? Vivianne: Fakt ist: Wir Jüngeren sind auf die Erfahrungen der Älteren angewiesen, gleichzeitig können die Älteren von den Impulsen von uns Jungen profitieren. Es liegt nun mal in der Natur des Menschen, dass man im Alter ganz gerne den Mut verliert.

 Wie meinen Sie das?

 Vivianne: Naja, auch ich werde mit 50 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr so mutig und vorneweg sein wie heute. Ich würde mir das jedenfalls wünschen, dass ich mich dann gut in einem Unternehmen positioniert habe und mir sage, das Leben gefällt mir, es ist gut, so wie es ist. Aber dieses Grundgefühl darf nicht in die Bequemlichkeit führen. Ich hoffe, ich werde den Moment erkennen, in dem es darauf ankommt, den Jungen Raum zu geben. Ganz einfach, weil wir neue, starke Ideen brauchen, um die Gesellschaft voranzubringen. Genau das höre ich bei vielen Älteren übrigens ganz klar aus den Kommentaren heraus: Eine große Angst, den Anschluss zu verlieren.

 Was würden Sie diesen Menschen sagen wollen?

 Vivianne: Hey, wir wollen die Wirtschaft nicht auf links drehen. Wir wollen euch nicht die Jobs wegnehmen. Aber schaut mal, all das, was wir jetzt so dringend brauchen, leben wir längst. Wir sind digital. Und international. Es wäre schön, wenn bei euch die Bereitschaft wachsen würde, uns Schritt für Schritt den ein oder anderen Verantwortungsbereich zuzugestehen. Wenn wir einander vertrauen, wenn Kräfte gut gebündelt und genutzt werden, fahren wir gemeinsam besser. Wenn die Zahnräder der Generationen ineinandergreifen kann eine unfassbar perfekte Schweizer - oder auch Deutsche - Uhr dabei herauskommen, davon bin ich überzeugt. Daher werde ich mich auch künftig nicht scheuen, mutig zu sein und die Dinge klar zu benennen!