Thursday, December 28, 2023
Löst China einen Weltkrieg aus? Ex-Nato-Oberbefehlshaber benennt „Schonfrist“
Merkur
Löst China einen Weltkrieg aus? Ex-Nato-Oberbefehlshaber benennt „Schonfrist“
Artikel von Richard Strobl •
3 Std.
„Eine Menge Feuerkraft“
Ein chinesisches Kampfflugzeug patrouilliert die Inseln und Riffe des Südchinesischen Meeres.
China lässt besonders mit Blick auf Taiwan die Muskeln spielen. Doch droht ein Krieg? Ein Ex-Nato-Oberbefehlshaber sagt nein - noch nicht.
Washington/Peking – Krieg bestimmt aktuell die Weltpolitik. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine droht der Israel-Krieg zu einem Flächenbrand im Nahen Osten zu werden. Doch am Horizont droht schon ein weiterer sehr verhängnisvoller Konflikt. In der Hauptrolle dabei: China.
Peking beansprucht Taiwan seit Jahrzehnten für sich und lässt zuletzt vermehrt seine Muskeln spielen. Regelmäßig üben Chinas Luftwaffe und Marine in der Taiwanstraße, der Meerenge zwischen Taiwan und der südostchinesischen Provinz Fujian. Fast täglich dringen Kampfjets in Taiwans Luftverteidigungszone ein und versuchen laut Experten, die Streitkräfte zu ermüden und die Öffentlichkeit einzuschüchtern. Ein Angriff Chinas auf Taiwan könnte dabei eine Kettenreaktion auslösen, da die USA die Unabhängigkeit Taiwans unterstützen und etwa auch Waffen nach Taipeh liefern.
Droht Krieg mit China? Ex-Nato-Oberbefehlshaber benennt „Schonfrist“
Es wirkt fast so, als würde China auf den richtigen Augenblick warten, um seine Drohungen wahrzumachen. Einen Zeithorizont, wann es so weit sein könnte, hat nun der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber James Stavridis genannt, wie das US-Portal Newsweek berichtet.
Auf die Frage, ob die Spannungen im Südchinesischen Meer zu einem neuen Weltkrieg führen könnten, sagte Stavridis im Interview mit der Radiosendung The Michael Medved: „Meiner Einschätzung nach wird China erst in etwa zehn Jahren bereit sein, es mit den USA auf eine sehr ausgereifte Art und Weise aufzunehmen. Daher denke ich, dass wir hier eine Art Schonfrist haben“. In dieser Zeit müsse man nun das Militär und damit die Abschreckung stärken sowie Diplomatie und andere Wege nutzen, um die Spannungen abzubauen.
„Auch wenn China eine riesige Flotte aufbaut, obwohl es aggressiv agiert, ist es noch nicht bereit“, erklärte Stavridis weiter. Der pensionierte US-Marineadmiral verweist in dem Interview darauf, dass China bei einem möglichen Angriff nicht nur gegen die USA kämpfen würde. Vielmehr hätten die USA Vertragspartner, wie Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland und die Philippinen, die den Amerikanern beistehen würden. „Das ist eine Menge Feuerkraft“, so Stavridis.
China noch nicht bereit für Krieg? Experten stimmen Stavridis zu
Auch andere westliche und taiwanische Experten trauen China derzeit nicht zu, den Inselstaat Taiwan militärisch einzunehmen. „Obwohl die Gefahr eines Konflikts um Taiwan gestiegen ist, ist ein voller amphibischer Angriff durch China kurzfristig unwahrscheinlich“, sagte die China-Analystin der Nichtregierungsorganisation Crisis Group, Amanda Hsiao, der Deutschen Presse-Agentur. Mit „amphibischem Angriff“ ist ein Angriff über die Meerenge zwischen beiden Staaten gemeint.
Die Chancen einer erfolgreichen Operation seien unsicher, sagte Hsiao. Peking dürfte ihr zufolge im Moment nicht die militärischen Fähigkeiten für einen schnellen und entscheidenden Sieg über Taiwan haben.
China scheine auch erkannt zu haben, Taiwan nicht zum Aufgeben zwingen zu können, sagte David Gitter vom US-amerikanischen Forschungsinstitut National Bureau of Asian Research. „Peking arbeitet allerdings aktiv daran, diese Mängel zu beseitigen.“. Mittel- und langfristig könnten eine Invasion oder andere militärische Handlungen allerdings nicht ausgeschlossen werden. Die Kosten für einen Krieg sind jedoch hoch. Die Wirtschaftsprobleme Chinas und die Annäherungsversuche mit Taiwans Verbündetem, den USA, machten eine Invasion derzeit noch unwahrscheinlich.
China poltert offen: „Kann heute Nacht gelöst werden“
In Peking sieht man das anders: „Wenn China die Taiwan-Frage mit Gewalt lösen will, kann sie heute Nacht gelöst werden, und niemand kann dies aufhalten, nicht einmal die taiwanischen Unabhängigkeits-Elemente oder die USA“, sagte der Präsident des in Peking ansässigen chinesischen Thinktanks Zentrum für China und Globalisierung, Victor Gao. Die USA überschätzten entweder ihre eigene militärische Stärke oder unterschätzten die Chinas. China will laut Gao keinen Krieg. „Wir denken alle, dass eine friedliche Wiedervereinigung der bessere Weg ist“, sagte er. Taiwan werde immer ein Teil Chinas sein und China sei bei der Lösung der Frage nicht in Eile.
Peking beansprucht Taiwan unter der sogenannten Ein-China-Politik seit Jahrzehnten für sich. Der Streit geht auf den chinesischen Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten und der Regierung der Republik China zurück - nicht zu verwechseln mit der heutigen Volksrepublik China. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der japanischen Kolonialherrschaft gehörte Taiwan wieder für wenige Jahre zur Republik China. 1949 verlor die heutige taiwanische Oppositionspartei Kuomintang im Bürgerkrieg und floh nach Taiwan, wo sie als Republik China weiter regierte. Seit Ende der 1980er sitzt in der Hauptstadt Taipeh eine unabhängige demokratische Regierung.
Peking drohte Taiwan und seinen mehr als 23 Millionen Einwohnern schon mit einer Invasion, sollte eine „friedliche Wiedervereinigung“ nicht möglich sein. (rist mit dpa)