Thursday, April 28, 2022
Ukraine-Krieg:Schwere Waffen aus Deutschland, Milliarden Dollar aus den USA - das geschah am 64. Tag
DER SPIEGEL
Ukraine-Krieg:Schwere Waffen aus Deutschland, Milliarden Dollar aus den USA - das geschah am 64. Tag
Alwin Schröder - Gestern um 18:56
Der Bundestag stimmt der Lieferung schwerer Waffen zu, der US-Präsident bittet den Kongress um weitere Finanzhilfen für Kiew. Und gegen russische Soldaten wird wegen der Gräueltaten in Butscha ermittelt. Der Überblick.
Ukraine-Krieg: Schwere Waffen aus Deutschland, Milliarden Dollar aus den USA - das geschah am 64. Tag
Deutschland hat sich mit der Zustimmung im Bundestag zur Lieferung von schweren Waffen so klar wie nie zuvor als Unterstützer der Ukraine positioniert. Die Ampelfraktionen und die Union stimmten mit großer Mehrheit für einen gemeinsamen Antrag (lesen Sie hier mehr). Kanzler Olaf Scholz fehlte – er ist zurzeit in Japan. Von dort aus begrüßte er das deutliche Votum des Parlaments. »Wir sind sehr dankbar für die klare Unterstützung, die der deutsche Bundestag der Politik der von mir geführten Regierung gegeben hat«, sagte er.
Aus Kiew kam umgehend Lob dafür: »Diese Abstimmung wird als einer der letzten Sargnägel für Putins Lobbyarbeit in Europa in die Geschichte eingehen sowie als Rückkehr der deutschen Führung«, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf Twitter.
US-Präsident Joe Biden will die Ukraine-Hilfen deutlich aufstocken. Er wird den Kongress um die Freigabe von 33 Milliarden Dollar (31,4 Milliarden Euro) bitten. »Die Kosten für diesen Kampf sind nicht billig«, sagt Bide, es würde aber mehr kosten, der russischen Aggression nachzugeben.
Die Entwicklungen im Überblick.
Die militärische Lage
Gepard-Flugabwehrpanzer sind die ersten schweren Waffen, die direkt aus Deutschland an die Ukraine geliefert werden. Mit großer Mehrheit von 586 Stimmen forderte der Bundestag am Donnerstag die Bundesregierung auf, die »Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern«. Mit Nein stimmten 100 Abgeordnete, 7 enthielten sich. Vor dem Ukrainekrieg galt der Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete abzugeben.
Die Regierung in Kiew kann auch aus den USA mit mehr Waffen und Geld rechnen. US-Präsident Joe Biden beantragte beim Kongress zusätzliche 33 Milliarden Dollar (rund 31 Milliarden Euro) zur Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Davon sind 20,4 Milliarden Dollar für Militär- und Sicherheitshilfen vorgesehen, wie das Weiße Haus am Donnerstag mitteilte. »Damit werden weiterhin Waffen und Munition ohne Unterbrechung an die mutigen ukrainischen Kämpfer geliefert«, sagte Biden in einer Ansprache.
»Die Kosten dieses Kampfes sind nicht billig«, sagte der US-Präsident. »Aber vor Aggression zu kapitulieren wäre teurer. Entweder wir unterstützen das ukrainische Volk bei der Verteidigung seines Landes, oder wir sehen tatenlos zu, wie die Russen ihre Gräueltaten und ihre Aggression in der Ukraine fortsetzen.« Die Nato-Verbündeten und EU-Partner würden bei der Ukraine-Hilfe ihren »fairen Anteil an den Kosten« zahlen.
Biden betonte, die Waffenlieferungen an die Ukraine stellten keinen Angriff der USA gegen Russland dar. »Wir greifen nicht Russland an. Wir helfen der Ukraine, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen.« Er bekräftigte erneut, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin werde es »niemals gelingen, die Ukraine zu dominieren«.
Das sagt Moskau
Russlands ehemaliger Präsident Dmitrij Medwedew verglich den Bundestag wegen der Zustimmung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine mit Nazi-Deutschland. »Offenbar lassen den deutschen Abgeordneten die Lorbeeren ihrer Vorgänger keine Ruhe, die im vergangenen Jahrhundert unter anderem Namen im deutschen Parlament saßen«, schrieb der Vizechef des russischen Sicherheitsrats am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram. »Das ist traurig für das Parlament. Es wird traurig enden.«
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak kündigte als Vergeltung für russische Angriffe auf Zivilisten Angriffe auf Russland an. »Die Ukraine wird sich auf jede mögliche Weise verteidigen, einschließlich Attacken gegen Lager und Stützpunkte der russischen Mörder. Die Welt erkennt dieses Recht an.« Podoljak verwies dazu auf US-Außenminister Antony Blinken.
Die ukrainische Justiz leitete derweil Ermittlungsverfahren gegen zehn russische Soldaten wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Kiewer Vorort Butscha ein. Den Mitgliedern der 64. motorisierten Infanteriebrigade der russischen Armee werde unter anderem »die grausame Behandlung von Zivilisten« vorgeworfen, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Berichte über Gräueltaten hatten nach dem russischen Truppenabzug aus Butscha und anderen Orten international für Entsetzen gesorgt.
Das sagt die internationale Gemeinschaft
Als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine hat Uno-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag die Vororte von Kiew besucht, in denen russische Streitkräfte nach ukrainischen Angaben Gräueltaten an Zivilisten begangenen haben sollen. In Butscha forderte Guterres Moskau auf, mit dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) bei der Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen zusammenzuarbeiten.
»Ich unterstütze den IStGH voll und ganz«, sagte Guterres bei seinem Besuch in Butscha. Er appelliere »an die Russische Föderation, die Zusammenarbeit mit dem IStGH zu akzeptieren«. Vor Butscha war Guterres in die Stadt Borodjanka gefahren. »Der Krieg ist eine Absurdität im 21. Jahrhundert«, sagte er in dem Vorort von Kiew, wo wie in Butscha und Irpin russische Truppen nach ukrainischen Angaben Zivilisten getötet haben sollen.