Sunday, November 26, 2023
Habeck ist kein Aiwanger: „Spricht nicht die Sprache des kleinen Mannes“
Merkur
Habeck ist kein Aiwanger: „Spricht nicht die Sprache des kleinen Mannes“
Andreas Schmid • 7 Std.
„Der Ehrliche ist der Dumme“
In Krisenzeiten ist es wichtig, seine Politik zu erklären. Robert Habeck tut das auf seine ganz eigene Weise – kommt damit aber nicht bei allen an.
München – Robert Habeck hat derzeit viel zu erklären. Wie reagiert die Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts? Welche Projekte fallen der verhängten Haushaltssperre zum Opfer? Und was bedeuten die wegfallenden Milliarden für die Bevölkerung? Der Wirtschaftsminister sucht nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Nur: Kann Habeck die Menschen im Land noch erreichen? Oder wird er abermals zum Buhmann wie beim verkorksten Heizungsgesetz? Einschätzungen eines Kommunikationswissenschaftlers.
Grünen-Politiker am Pranger: „Habeck spricht nicht die Sprache des kleinen Mannes, wie Hubert Aiwanger“
„Habecks viel gerühmtes rhetorisches Geschick ist etwas gebrochen“, sagt Professor Ralf Hohlfeld im Gespräch mit unserer Redaktion. Er verantwortet den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Universität Passau und bezeichnet Habeck als „großen Politikerklärer“. Das Problem: „Er ist das nur für die gebildete und wirtschaftlich wohlsituierte bürgerliche Mitte, also für das großstädtische Milieu der Grünen.“ Aber: „Habeck spricht halt nicht die Sprache des kleinen Mannes, wie etwa Hubert Aiwanger, zum Teil auch Friedrich Merz.“
Habeck vereinfache selten, sagt Hohlfeld. „Er ist bemüht, der Komplexität der Probleme mit komplexer Sprache zu begegnen.“ In Krisenzeiten sei das allerdings der falsche Kommunikationsstil. Hier bräuchten die Menschen greifbarere Erklärungen. „Deshalb kann auch Friedrich Merz mit seinen einfachen Bildern von Paschas und blockierten Zahnarztterminen punkten.“
Habeck auf dem Grünen-Parteitag: „Eine Parteitagsrede ist keine Talkshow“
Habeck zieht Bildungssprache dem Stammtischsprech vor. Talkshow-Talk statt Bierzeltrede. So ist bei ihm etwa fehlendes Geld verausgabt statt ausgegeben. Der Energieverbrauch steigt nicht, er kumuliert. Zudem spricht er oft mit Sprachbildern, wie jüngst auf dem Grünen-Parteitag: „Mit der Schuldenbremse haben wir uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt und ziehen in einen Boxkampf. So wollen wir den gewinnen? Die anderen wickeln sich Hufeisen in die Handschuhe und wir haben nicht mal die Arme frei.“ Die Grünen-Basis scheint das verstanden zu haben. Es gab Applaus.
Habeck setzte auf dem Parteitag auf die Abteilung Attacke. „Ich habe Habeck als nun doch wieder sehr angriffslustig wahrgenommen“, sagt Hohlfeld mit Blick auf die Brandrede des Vizekanzlers. „Mit deutlich mehr Verve, aber auch mit Wut im Bauch.“ So griff Habeck mehrmals die Vorgängerregierung an, etwa für „immer nur leere Phrasen und Gesetze ohne Konsequenzen“ (siehe Video). „Aber wir wissen natürlich, dass eine Parteitagsrede keine Talkshow ist“, sagt Hohlfeld. „Hier spricht er zu seinen Leuten.“