Monday, April 7, 2025

Veit Etzold: „Befreiungstag“ mit Börsencrash – Trump und die Befreiung vom Wohlstand

FOCUS online Veit Etzold: „Befreiungstag“ mit Börsencrash – Trump und die Befreiung vom Wohlstand 4 Std. 4 Minuten Lesezeit In Trumps erster Amtszeit und auch nach der Wahl im November letzten Jahres sah es auch ganz danach aus, als würde es Trumps zwar nicht allen recht machen, aber dass immerhin die Wirtschaft florieren würde. Und wie macht man das alles kaputt? Richtig – mit einem „Liberation Day“! Am 2. April 2025 war es dann so weit: Trump verkündete voller Stolz neue Zölle, sprach vom „Tag der Befreiung“ – und befreite dabei vor allem die Amerikaner von ihren Ersparnissen. Herzlichen Glückwunsch! Was folgte, war kein wirtschaftlicher Befreiungsschlag, sondern eher das, was man von Friedrich Merz und Olaf Scholz kannte. Merz machte einen kenntnisreichen und durchaus guten Wahlkampf und riss dann mit seinem devoten Verhalten gegenüber SPD und Grünen mit dem Hintern alles wieder um, was er mit den Händen zuvor aufgebaut hatte. So wie Trump jetzt die jahrzehntelang gewachsene und erfolgreiche Weltordnung umreißt. Scholz erweckte oft den Eindruck, er lebe in seiner komplett eigenen Welt, ohne Kontakt zur wirklichen Realität. Das tut auch Trump, der offenbar tatsächlich glaubt, dass er den USA hilft, während die Börsenkurse so stark einbrechen wie seit Corona nicht mehr. Zölle, Inflation und Johnny Sixpack mit schmaler Brieftasche Was war passiert? Trump hatte beschlossen, dass Zölle eine gute Idee seien. Spoiler: Sind sie nicht. Alles wird teurer, die Handelsbeschränkungen sind so groß wie seit 1911 nicht mehr und die Inflation springt an, Johnny Sixpack hat weniger im Portemonnaie – aber immerhin darf er sich „befreit“ fühlen. Wahrscheinlich von seinen finanziellen Zielen. Nebenbei kann Johnny jetzt auch nicht mehr sicher sein, ob er in Zukunft noch seine heißgeliebten China-Grills bei Walmart bekommt – denn die wurden vermutlich in genau dem Land produziert, das Trump mit Strafzöllen überzieht. Liberation Day: Euphemismus oder Satire auf DDR Niveau? Dass Trump diesen Tag ausgerechnet „Liberation Day“ nennt, ist unfreiwillig komisch – oder genial zynisch. Denn was an diesem Tag befreit wurde, war vor allem das Vertrauen in stabile Märkte. Die DDR hätte an der Rhetorik ihre helle Freude gehabt: Man denke an den „antifaschistischen Schutzwall“, der die Bürger nicht etwa schützen, sondern einsperren sollte. Oder an Begriffe wie „Schutzhaft“, „Umerziehung“ oder „volksfreundliche Umstrukturierung“ – alles schöne Worte für ziemlich unschöne Maßnahmen. Trump macht’s ähnlich: Statt echter Reformen gibt es wohlklingende Bezeichnungen für wirtschaftliche Brechstangenaktionen. Und weil das alles nicht reicht, macht er’s per Executive Order – ganz ohne lästigen Senat. Fast schon romantisch-diktatorisch. Als ehemaliger Bewohner von Berlin habe ich gesehen, wie die Mietpreisbremse vor allem beim Wohnungsbau bremst und nicht bei den Preisen. Gregory Mankiw, ein ausgezeichneter Volkswirtschaftssprofessor und ehemaliger Berater von George W. Bush (würde gerade den in Deutschland vielgescholtenen George W. nicht mancher jetzt gern gegen Trump tauschen?) sagte, dass Mietpreisbremsen die zweitbeste Methode seien, um eine Stadt zu vernichten. Die beste sei Bombardierung. Bei den Zöllen ist es genau so. Sie sind die zweitbeste Methode eine Wirtschaft zu zerstören. Die beste wäre wahrscheinlich auch Krieg. Beiden gemein ist, dass sie etwas komplett kontraproduktives mit schönen Worten kaschieren. Beides erinnert an die DDR. Dass ich selbst, der ich mich mit einigen der disruptiven Ideen Trumps zu Beginn sogar ein wenig anfreunden konnte, Trump mit der DDR vergleiche, hätte ich letztes Jahr auch nicht geglaubt. Trump, Merz und der galoppierende Vertrauensverlust Wer dachte, nur Friedrich Merz könne Vertrauen in Lichtgeschwindigkeit verspielen, wurde nun eines Besseren belehrt. Auch Trump beweist: Vertrauen ist ein scheues Reh – es kommt wie eine Schnecke und rennt davon wie ein Pferd. Die USA, einst leuchtender Stern am Wirtschaftshimmel, verlieren mit jedem Tweet, jeder Zollmaßnahme und jedem Euphemismus ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit. Dabei stehen sie doch kurz vor einem runden Geburtstag! 2026 feiern die Vereinigten Staaten ihren 250. Jahrestag – ein Vierteljahrtausend amerikanischer Geschichte. Man könnte meinen, das sei Anlass für Stabilität, für wirtschaftlichen Weitblick, für eine neue Vision. Stattdessen bekommen wir Schlagzeilen wie „Dow Jones fällt über 2000 Punkte am Befreiungstag“, sprachliche Augenwischerei und ein Präsidentenbüro, das mehr nach Showbühne wirkt als nach Führungszentrale. Wie wird Amerika wohl am 4. Juli 2026 dastehen? Vielleicht gibt’s dann die „Freedom Fiesta“, bei der die Inflation gratis mitgeliefert wird. Oder einen „Patriotic Price Hike Day“ mit Sonderangeboten auf Kreditkartenschulden und bevorzugtem Zugriff auf Goldreserven. Sicher ist: Trump wird ein passendes Wort finden – ob es passt, ist Nebensache. Falls er bis dahin noch im Amt ist. Denn auch wie die DDR schneller Geschichte war, als Honnecker, Mielke und Konsorten dachten, so schnell könnte auch Trumps Regierung vorbei sein, bevor die erste Amtszeit beendet ist. Denn letztendlich haben alle Systeme versagt, die die Menschen ärmer gemacht haben. Dass man dies einem – wie ich immer dachte – überzeugten Kapitalisten wie Trump erklären muss, ist die eigentliche Tragik.