Saturday, October 2, 2021
Linke will Wahlniederlage aufarbeiten: Wie Sahra Wagenknecht ihre Partei brüskiert
Tagesspiegel
Linke will Wahlniederlage aufarbeiten: Wie Sahra Wagenknecht ihre Partei brüskiert
Claudia von Salzen vor 30 Min.
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Die Linke will Konsequenzen aus ihrer Wahlschlappe ziehen. Doch ihr droht neuer Streit um Sahra Wagenknecht - die dem direkten Gespräch selbst aus dem Weg geht.
Sahra Wagenknecht bei einem Wahlkampfauftritt in Bonn.© Foto: imago images/Klaus W. Schmidt Sahra Wagenknecht bei einem Wahlkampfauftritt in Bonn.
Dietmar Bartsch gab seinen Anhängerinnen und Anhängern zum Wochenende eine Durchhalteparole mit auf den Weg. „Wir sind noch da, wir stehen wieder auf, kommen zurück und zwar stark, geeint und entschlossen“, betonte der Linken-Fraktionschef. Unstrittig innerhalb seiner Partei ist in diesen Tagen aber nur der erste Teil des Satzes, denn die Linke hat es nur ganz knapp in den neuen Bundestag geschafft. Ob es der Linken gelingt, sich nach der schweren Wahlniederlage wieder aufzurappeln und sich dabei nicht heillos zu zerstreiten, das ist keineswegs sicher.
„Harte innerparteiliche Kämpfe um die zukünftige Ausrichtung der Partei sind absehbar“, heißt es in einer ersten Wahlanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Um nach der verheerenden Niederlage Streit auf offener Bühne zu vermeiden, riefen Parteivorstand und Fraktionsführung die Linken auf, sich mit Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. An diesem Wochenende berät der 44-köpfige Parteivorstand in Berlin auf einer Klausurtagung über Konsequenzen aus der verlorenen Wahl. „Wir müssen in erster Linie eigene Fehler analysieren“, sagte die Parteichefin Janine Wissler am Samstagabend.
Als die neue Fraktion am Dienstag erstmals zusammenkam, sei die Stimmung nachdenklich gewesen, heißt es. Anders als in der Vergangenheit hätten nicht sofort Vorwürfe im Raum gestanden, stattdessen hätten sich Abgeordnete durchaus selbstkritisch zu Wort gemeldet. „Es ging nicht um die Fehler der anderen, sondern auch um eigene Fehler“, sagt ein Fraktionsmitglied.
Doch die größte innerparteiliche Kritikerin beteiligte sich an dieser Debatte nicht. Denn die Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen wieder in den Bundestag eingezogen war, erschien gar nicht erst zur ersten Sitzung ihrer Fraktion. Umso größer war der Ärger bei einigen in der Partei, als zeitgleich ein Interview veröffentlicht wurde, in dem Wagenknecht einmal mehr mit ihrer Partei hart ins Gericht ging – trotz der Aufforderungen zur Zurückhaltung.
Selbst den Wahlabend verbrachte Wagenknecht nicht mit ihrer Partei
Selbst den Wahlabend hatte sie nicht mit ihrer Landespartei in Nordrhein-Westfalen verbracht. Auf der Wahlparty in Kreuzberg tauchte sie ebenfalls nicht auf, obwohl sie in Berlin war. Aus dem „Spiegel“ konnten ihre Parteifreunde nun erfahren, dass Wagenknecht am Wahlabend mit einem Redakteur des Blattes ein italienisches Restaurant besucht hatte.
Ihre Positionen verkündet Wagenknecht lieber in Interviews und Talkshows, als sie parteiintern zu verteidigen. Im Frühjahr hatte sie in einem Buch eine „Lifestyle-Linke“ kritisiert, ihrer Partei warf sie Selbstgerechtigkeit und falsche Themensetzungen vor. Gerade die jüngeren Mitglieder, die den Klimaschutz nach vorn bringen wollen, fühlen sich von ihr brüskiert. Einige beantragten vergeblich Wagenknechts Ausschluss. Der Konflikt trug dazu bei, dass die Linke als tief zerstrittene Partei wahrgenommen wurde. „In vielen Fragen, die zentral waren, haben wir zu sehr mit unterschiedlicher Stimme gesprochen“, sagt Wissler.
Die Wahlniederlage könnte nun den jahrelangen Streit um Wagenknecht wieder aufleben lassen. Der Abgeordnete Alexander Ulrich, der Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz war, bemängelte den Umgang mit der Ex-Fraktionschefin. Es sei nicht richtig, eine der beliebtesten Politikerinnen in den eigenen Reihen jahrelang zu bekämpfen. Dafür habe man nun die Quittung erhalten. Dagegen kritisierte Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und Linken-Mitglied, dass Wagenknecht wenige Monate vor der Wahl eine „Abrechnung mit ihrer Partei oder Teilen ihrer Partei“ veröffentlicht habe.
Parteichefinnen bemühen sich um Schadensbegrenzung
Die Parteivorsitzenden, die um Schadensbegrenzung bemüht sind, riefen Wagenknecht und ihre Gegner gleichermaßen zur Zurückhaltung auf. „Die Erwartung an alle unsere Mitglieder ist, dass wir gemeinsam an der Neuaufstellung der Partei Die Linke arbeiten. Das betrifft sowohl Sahra Wagenknecht als auch die Mitglieder, die Sahra Wagenknecht kritisieren“, sagte die Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.