Saturday, November 25, 2023

Was diese Karte von Finnland mit Velos, Migranten und dem Ukrainekrieg zu tun hat

watson.ch Was diese Karte von Finnland mit Velos, Migranten und dem Ukrainekrieg zu tun hat von Aylin Erol • 2 Std. Alle finnischen Grenzposten zu Russland, bis auf einen ganz im Norden Finnlands, sind seit Freitag dicht. Warum das so ist und was das für Migranten, Finninnen und Russen bedeutet. Fünf Kilometer Luftlinie liegen zwischen der russischen Siedlung Wjartsilja und der finnischen Gemeinde Niirala. Doch wollen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Orte besuchen, dauert das mit dem Auto neu über 24 Stunden. Fast 2000 Kilometer müssen sie zurücklegen. Vier von neun Grenzposten, darunter jener in Niirala, sind seit einer Woche geschlossen. Diesen Freitag folgten nun vier weitere Schliessungen. Damit ist nur noch ein einziger finnischer Grenzposten geöffnet, und zwar der nördlichste: Raja-Jooseppi. Eine Russin, die in Finnland lebt, erzählte der ARD kürzlich, dass sie diesen enormen Umweg nun auf sich nehmen muss. Denn in Russland wartet die kranke Mutter, die ihre Unterstützung braucht. Mehrere Karten, die im Internet kursieren, zeigen diese Absurdität: Die Grenzpostenschliessungen sollen eine Schutzmassnahme sein. Angesichts der zunehmenden illegalen Immigration sieht Finnland seine innere Sicherheit bedroht. In den Wochen davor sind hunderte Flüchtlinge illegal nach Finnland eingereist, wo sie Asyl beantragten. Die Migrantinnen und Migranten stammen vor allem aus dem Nahen Osten, Afrika, Irak und Jemen. Die Grenzen überquerten sie von Russland aus auf Velos. Denn russische Vorschriften verbieten den Grenzübertritt zu Fuss. «Hybride Kriegsführung» Die Schuld an dieser Ausgangslage trägt aus Sicht des finnischen Ministerpräsidenten, Petteri Orpo, Russland. In einer Medienkonferenz vergangene Woche sagte er, dass sich die Hinweise verdichteten, wonach Russland Menschen ohne gültige Reisepapiere mit Bussen vor die finnische Grenze transportieren würde. Orpo wirft Russland darum vor, die Geflüchteten zu missbrauchen, um Finnland zu destabilisieren. Er spricht von «hybrider Kriegsführung». Der Ministerpräsident Finnlands Petteri Orpo gehört der konservativen Nationalen Sammlungspartei an und wurde im Juni 2023 ins Amt gewählt. Der Vorwurf kommt nicht von ungefähr. Wegen des Ukrainekriegs trat Finnland in diesem Jahr dem Verteidigungsbündnis NATO bei. Die NATO-Aussengrenze zu Russland hat sich damit mehr als verdoppelt. Durch die geografische Lage Finnlands und seine gut ausgestatteten Streitkräfte geht die NATO davon aus, die Mitgliedsstaaten Estland, Litauen und Lettland im Falle eines russischen Angriffs künftig noch besser verteidigen zu können. Russland reagierte entsprechend unerfreut. Kurz nach dem Beitritt warnte Moskau Finnland vor «Gegenmassnahmen». Die finnische Regierung glaubt darum, dass die organisierten Flüchtlingsströme eine dieser «Gegenmassnahmen» sind. Ein russischer Rachefeldzug, in dem Migrantinnen und Migranten wie Schachfiguren auf einem Spielbrett herumgeschoben werden. Russland weist diese Anschuldigung indes als «unbegründet» von sich. Finnland würde «Falschinformationen» verbreiten und fördere «russophobe Gefühle», wie die französische Nachrichtenagentur AFP die russische Aussenministerin zitiert. Velofahren bei minus 20 Grad Die Leidtragenden dieses Konflikts sind am Ende nicht nur die Anwohnerinnen und Anwohner aus den Grenzgebieten, die regelmässig auf die andere Seite müssen, sondern vor allem die Geflüchteten. Vor den geschlossenen Grenzübergängen haben sich am vergangenen Wochenende unschöne Szenen abgespielt. Wie Videos zeigen, versuchten die Geflüchteten mit ihren Velos dennoch die geschlossenen Grenzen zu überqueren. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen Migranten und finnischen Soldaten. Viele andere versuchen indes, den einzigen noch offenen Grenzposten Finnlands zu überqueren: Raja-Jooseppi. Ein gefährliches Unterfangen. Migranten vor der finnisch-russischen Grenze in Lappland, am 23. November. Der Grenzübergang befindet sich oberhalb des Polarkreises in Lappland. Bei minus 20 Grad und in viel zu dünner Kleidung schieben die Migrantinnen und Migranten – darunter auch Kinder – ihre Velos durch die schneebedeckte Wildnis Russlands und schliesslich Finnlands, wie die ARD berichtet. In der Hoffnung auf ein besseres Leben im Schengenraum.