Wednesday, January 29, 2025

Länder beschwören ARD und ZDF: Reform steht vor dem Scheitern

Frankfurter Allgemeine Zeitung Länder beschwören ARD und ZDF: Reform steht vor dem Scheitern Helmut Hartung • 2 Std. • 4 Minuten Lesezeit Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Länder und Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz. Auf ihrer Konferenz am 12. Dezember des vergangenen Jahres einigten sich die Regierungschefs der Länder auf Veränderungen beim Finanzierungsstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Der Rundfunkbeitrag soll der Übereinkunft nach bis Ende 2026 bei 18,36 Euro bleiben. Damit wird die Empfehlung der Finanzkommission KEF, die Abgabe um monatlich 58 Cent zu erhöhen, nicht gesetzlich umgesetzt. Am 19. November reichten ARD und ZDF deshalb beim Bundesverfassungsgericht Klage ein. Bayern und Sachsen-Anhalt machten nun ihre Unterschrift unter den Staatsvertrag davon abhängig, dass die „beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren durch Rücknahme der Verfassungsbeschwerden gegenstandslos geworden sind. Über ein neues Finanzierungsverfahren kann nur auf Basis eines stabilen Rundfunkbeitrags entschieden werden.“ Doch ARD und ZDF setzen auf den Verfassungsstreit. Damit sei der Systemwechsel beim Rundfunkbeitrag „obsolet“, sagt der neue Chef der Thüringer Staatskanzlei, Stefan Gruhner, im Gespräch mit der F.A.Z. Die Rundfunkkommission der Länder hofft jedoch weiter auf einen Sinneswandel der Intendanten. Am Donnerstag soll der Gebührenkommission KEF als auch den Sendern der Beschluss „erläutert“ werden. Geplant ist ab 2027, dass nach der KEF-Empfehlung ein möglicherweise neuer Rundfunkbeitrag nicht mehr zwingend im Staatsvertrag festgeschrieben wird, sondern gilt, wenn nicht ein begründeter Widerspruch eingelegt wird. Der gültige Finanzierungsstaatsvertrag sieht vor, dass der Beitragsvorschlag der KEF die Grundlage für eine Entscheidung der Landesregierungen und der Landesparlamente ist. „Davon beabsichtigte Abweichungen“ soll die Rundfunkkommission mit den Sendern und der KEF erörtern und begründen. Dieser Pflicht zur „Begründung“ kommen die Länder nun nach. „Die Einsparungen und die Personalabgänge werden spürbar und messbar sein“ Wie Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkpolitik der Länder und Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz, der F.A.Z. sagt, wird die Nichtumsetzung der KEF-Empfehlung damit begründet, dass die geplanten Reformen „auch die Wirtschaftspläne der kommenden Jahre betreffen. Niemand kann bis Ende 2028 so tun, als würden diese sehr grundlegenden Veränderungen nicht kommen. Die Einsparungen und die Personalabgänge werden spürbar und messbar sein.“ Der Zugriff auf die Sonderrücklage von mehr als einer Milliarde Euro verschaffe den Sendern – für begrenzte Zeit – eine Finanzausstattung in Höhe des von der KEF anerkannten Bedarfs. In diesem Punkt unterscheide sich der aktuelle Plan der Länder grundlegend von ähnlichen Bestrebungen der Vergangenheit. 2004 hatten die Ministerpräsidenten beschlossen, aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus vom Vorschlag der KEF abzuweichen und den Rundfunkbeitrag geringer als vorgesehen zu erhöhen. Auch damals klagten die Sender und bekamen drei Jahre später recht. Im Urteil vom 11. September 2007 heißt es, Abweichungen von der Bedarfsfeststellung seien nicht ausgeschlossen. Doch kämen dafür nur Gründe in Betracht, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand hätten. Programmliche und medienpolitische Zwecke schieden aus. Wichen die Länder vom KEF-Vorschlag ab, müssten sie nachprüfbare Gründe angeben. Nach Auffassung der Länder liegen „nachprüfbare Gründe“ jetzt vor. Diese Überlegungen, so Heike Raab, könnten die Länder aber nur anstellen, „weil wir einen kürzeren Zeitraum als die KEF betrachten. Üblicherweise spricht die KEF immer eine Empfehlung für den festen Zeitraum von vier Jahren aus.“ Frühzeitige Planungen? Für den Zeitraum von 2027 bis 2030 soll die Kommission deshalb eine neue Bedarfsanmeldung sowie eine Neuberechnung der möglichen Kosten vornehmen. Das ist zeitlich schwer möglich, was der Rundfunkkommission bewusst ist. Sie habe die Hoffnung, sagt die Staatssekretärin, „dass die Anstalten nicht erst heute anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, wie sie mit dem Reformstaatsvertrag umgehen wollen.“ Die Eckpunkte der Reform lägen seit dem Sommer vor. Insbesondere bei der verstärkten Zusammenarbeit und Arbeitsteilung müssen die Anstalten nicht auf den Gesetzgeber warten. Doch wie ARD und ZDF gegenüber der F.A.Z. erklären, ermitteln sie ihren Finanzbedarf für die Zeit von 2025 bis 2028 nach dem gegenwärtig gültigen Auftrag und berücksichtigen mögliche Einsparungen nicht. „Sollten sich die Anstalten formell darauf zurückziehen, dass beispielsweise die ausdrückliche Pflicht zur Zusammenarbeit erst mit Inkrafttreten des Reformstaatsvertrags erfolgen muss, wäre dies sehr fadenscheinig. Die sechzehn Landtage werden diesen Staatsvertrag ratifizieren. Darauf muss man sich einstellen“, sagt Raab. Mit der KEF soll besprochen werden, inwieweit mögliche „Korrekturen“ der Bedarfsanmeldung möglich sind. Das alles fußt jedoch auf der Erwartung, dass die Sender Reformen schnell umsetzen. Dass das nicht sicher ist, wissen die für Medienpolitik Zuständigen in den Ländern. Heike Raab kann ihren Ärger über die Verfassungsklage und die „Zurückhaltung“ von ARD und ZDF, wirtschaftliche Effekte konkret zu benennen, nicht verbergen. „Wir Länder – und auch ich persönlich – sind hier immer wieder enttäuscht worden“, sagt die SPD-Politikerin. Wie aus den Staatskanzleien zu hören ist, hat das Verfassungsgericht die Klage von ARD und ZDF noch nicht an die Länder geschickt. Das wird als Indiz gewertet, dass Karlsruhe, anders als 2007 und 2021, nicht zugunsten der Sender entscheidet. Damit hätte der Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Chance. Doch liegt das Urteil mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bis zur nächsten Tagung der Ministerpräsidenten im März vor. Ohne die Unterschriften von Bayern und Sachsen-Anhalt, tritt er nicht in Kraft.