Wednesday, December 1, 2021
CDU-Vorsitz: Die Bilderbuchwahl
Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Helge Braun, die drei Kandidaten für den CDU Vorsitz, stellen sich in einer Townhall-Veranstaltung im Konrad-Adenauer-Haus den Fragen der Parteimitglieder.
ZEIT ONLINE
CDU-Vorsitz: Die Bilderbuchwahl
Ferdinand Otto - Gestern um 23:28
Norbert Röttgen ist im TV-Dreikampf um die CDU-Spitze in Form, Friedrich Merz kommt gut rein und Helge Braun wird übersehen. Dann wird das Gesprochene zur Nebensache.
Drei Bilder sagen mehr als 90 Minuten: Über diesen Wettbewerb um den CDU-Vorsitz und seine Protagonisten ist das Wesentliche längst geschrieben worden. Über Helge Braun, den Merkelismus-Konservator, Norbert Röttgen den Modernisierer und den Sehnsuchtsdarsteller der Konservativen, Friedrich Merz. Da kann auch das erste und einzige öffentliche Aufeinandertreffen der Drei im Konrad-Adenauer-Haus nicht mehr viel Neues hinzufügen. Außer eben vielleicht diese Schlusseinstellung.
Merz, Röttgen und Braun dürfen ihr letztes Statement vortragen. Und haben dafür jeweils ein Bild mitgebracht, das, so der Arbeitsauftrag, irgendwie zu dieser Wortmeldung passen soll. Merz ist als Erster dran. Er zeigt eine Fotocollage, sich selbst in der Mitte, Mario Czaja, seinen Wunsch-Generalsekretär links und Christina Stumpp als Vize-Generalsekretärin rechts. Es ist ein Wahlplakat.
Norbert Röttgen öffnet sein privates Fotoalbum. Seine Tochter, es ist ihr 18. Geburtstag, und seine Frau, die ihn in den Arm nehmen, draußen im Grünen, rechts steht die Kaffeetafel, im Hintergrund sitzt ein Baby auf einer Krabbeldecke.
Helge Brauns Foto ist auch eins von heiteren Zeiten, es zeigt aber weder ihn noch seine Familie oder sein Wahlkampfteam. Sondern den Wahlabend 2013, die CDU im Freudenrausch bei über 40 Prozent.
Es dominieren die Gemeinsamkeiten
Das hat schon Shakespeare-Qualität. Eine Bilderbuchwahl. Wer an dem Punkt noch nicht am Bewerber-Psychogramm sitzt, hat Politik mit ihren menschlichen Überraschungen nie geliebt.
Das Gesprochene ist bei so viel bildgewaltiger Charakterzeichnung natürlich Nebensache. Fürs Protokoll: Merz lobt Czaja aus dem Osten, Stumpp aus Baden-Württemberg und sich selbst aus dem Nordwesten. "Wir sind ein gesamtstaatliches Integrationsangebot für unsere Partei." Röttgen sagt, Familie zeige ihm, es gebe wichtigeres als Politik und wenn er sich frage, warum er sich das antue, schaue er "in das Strahlen in den Augen" seiner Tochter, dann wisse er warum. Und Helge Braun verspricht, dass die Oppositionsrolle der CDU die Chance gebe, sich schnell zu erneuern, damit es bald wieder 40 Prozent für die Partei bei Wahlen werden.
So unterschiedlich die Bilder, und so grundverschieden die Bewerber – über weite Teile dieses Trielles, das offiziell Townhall heißt, dominieren dennoch die Gemeinsamkeiten. Das Format: 25 ausgewählte Parteimitglieder aus allen Ecken und Enden der Partei sitzen auf Tribünen – coronasicher, verspricht die Moderatorin – und stellen ihre Fragen, die Kandidaten antworten reihum. Die Bandbreite ist groß. Die Themen Wohnungsmarkt, China, die Aussöhnung der CDU-Flügel, Ostdeutschland, die Frauenquote werden entsprechend kurzweilig behandelt. Auf die Mitglieder kommt es schließlich an. Sie dürfen diesmal abstimmen. Am 4. Dezember beginnt der erste Wahlgang. Die Ergebnisse kommen am 16. Vermutlich braucht es eine Stichwahl, die soll bis zum 12. Januar laufen. Ende des Monats bestätigt dann ein digitaler Parteitag das Ergebnis. Weil der Parteitag digital ist, müssen die Ergebnisse noch mal zertifiziert werden – eine Paradoxie. Onlineabstimmungen sind nicht rechtssicher. Das heißt, dass die 1001 Parteitagsdelegierten nach dem Parteitag ein zweites Mal per Brief abstimmen müssen.
Die Gemeinsamkeiten also: Helge Braun sagt, er finde es gut, wenn im Januar über eine Impfpflicht abgestimmt werde. Norbert Röttgen meint, er habe sich zu einer Pflicht "durchgerungen". Und Friedrich Merz sagt, man solle nur auch auf die achten, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.
Alle drei wollen Frauen fördern und Menschen mit Migrationsgeschichte in der Partei sichtbarer machen. Sie bekennen sich zum C im Parteinamen. Und zum U. Sie wollen was für die Rente und die Bildung und gegen China tun. Und mehr fürs Klima. Ohne Klimakompetenz hörten die Jungen der CDU gar nicht mehr zu, sagt Röttgen. "Wir haben den Anspruch, dass wir die beste Klimapartei sind." Merz sagt, es werde ihm zu viel übers Aussteigen und zu wenig übers Einsteigen diskutiert, in neue Kraftwerkstypen etwa. Und Braun findet, das Alleinstellungsmerkmal der CDU beim Thema sei Marktwirtschaft und sozialer Ausgleich. Technologieoffen müsse die Energiewende ablaufen, finden sie alle. Beim Wasserstoff müsse was passieren und im Planungsrecht auch.
Röttgen ist gut in Form. Er liefert Zitierfertiges und eingängige Analysen. Bei der Frage, nach Mandatsträgern mit Migrationsgeschichte, mahnt er. "Es geht um die Gesellschaft von heute und nicht die von gestern." Und sagt, Junge gewinne man nur, wenn man wieder attraktiv diskutiere. "Kein normaler Mensch kommt zum Applaudieren zum Parteitag." Nur manchmal versteigt er sich im Überbau. Etwa wenn es um die Rolle Europas geht. Oder den Systemkonflikt mit China.
Auch Merz kommt immer wieder gut rein. Zum christlichen Menschenbild sagt er: "Wenn man in der säkularen Politik unterwegs ist, dann ist das C der Zwang zur Demut, zu wissen, dass wir Menschen nur die vorletzten Antworten haben." Er schlägt vor, die berufliche Bildung zu stärken. "Wir treiben viel zu viele junge Menschen in die Gymnasien," kritisiert Merz.
Ein Dachdecker aus dem Publikum fragt, warum sich Handwerker keine Häuser mehr leisten können. Da merkt Röttgen an, das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, wenn harte Arbeit nicht mehr für ein Häuschen reiche. Und Merz gibt zu bedenken, dass die Geldschwemme der EZB die Immobilienpreise treibe. "Was Sie an Zinsen sparen, finden sie im Kaufpreis wieder."
Die Kunst, nicht fies rüberzukommen
Da kann man manchmal übersehen, dass sich, etwas bieder aber durchaus bemüht, Helge Braun um Punkte abstrampelt. Einmal passiert das der Moderatorin wirklich, Braun wird vergessen. Sie will schon den nächsten Frager aufrufen, da winkt Braun etwas verlegen hinter seinem Pult vor. Röttgen geht dazwischen und erteilt dem Chef des Kanzleramts das Wort.
Zur Halbzeit kommt etwas Leben rein. Die Kandidaten dürfen sich gegenseitig Fragen stellen. Davon wussten die vorher nichts. Die Kunst ist es, möglichst eine Blöße des anderen zu finden aber, sich selbst profilieren aber dabei nicht fies rüberkommen. Braun fragt Merz zur Frauenquote. Röttgen will von Braun wissen, warum Politik so oft rein reaktiv sei und was man dagegen machen könne – eindeutig ein Rötten-Programmsatz verpackt in eine Spitze. Merz bleibt fair und fragt Röttgen zu dessen China-Politik. Die Drei duzen sich übrigens. Ab Samstag hat die CDU die Wahl.