Friday, February 28, 2025
Richtlinie für Kommentare: Jeff Bezos ruiniert die „Washington Post“ und die Demokratie gleich mit
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Richtlinie für Kommentare: Jeff Bezos ruiniert die „Washington Post“ und die Demokratie gleich mit
Michael Hanfeld • 5 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Gibt der „Washington Post“ eine Kommentarlinie vor: Jeff Bezos.
Vor acht Jahren gab sich die „Washington Post“ einen pathetischen Leitspruch: „Democrazy Dies in Darkness“ – „Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit“. Populär gemacht hatte den Satz der Watergate-Enthüller Bob Woodward. In der Redaktion wurde er zum Mantra der Selbstvergewisserung: Wir bringen Licht ins Dunkel. Auch der neue Eigentümer der „Post“, der Amazon-Gründer und Multimilliardär Jeff Bezos, zitierte ihn gern. Als er die Zeitung 2013 übernahm, versicherte er, „die Werte der ,Post‘“ würden „sich nicht ändern“.
Das Lied des Eigentümers singen
Jetzt gibt Jeff Bezos der Meinungsredaktion des Blattes eine Kommentarlinie vor: Die Kommentare sollen sich an den „Säulen“ von „persönlicher Freiheit und freien Märkten“ orientieren. Im Klartext heißt das, die Kommentatoren sollen das Lied des Eigentümers singen, dessen Freiheitsverständnis sich mit dem der anderen Superreichen deckt, die in den USA mit Donald Trump an die Macht gekommen sind. So kündigt Bezos die „Werte“ der Zeitung auf. Meinungsfreiheit im Sinne von Meinungsvielfalt gehört der Vergangenheit an. Andere Meinungen könnten ja woanders erscheinen, meint Bezos, im Internet sei genug Platz. Der Satz des britischen Verlegers C.P. Scott „comment is free, but facts are sacred“ (Die Meinung ist frei, aber die Fakten sind heilig) gilt bei Bezos nicht.
Damit fügt er dem Demokratieabbau, den die US-Regierung von Donald Trump in rasendem Tempo vollzieht, ein weiteres Element hinzu. Trump und seine Leute höhlen den Staat aus, greifen die Unabhängigkeit der Justiz an und ziehen gegen die Presse los, gegen die informelle „Vierte Gewalt“, deren Beitrag zur Demokratie darin besteht, zu „sagen, was ist“. An ihre Stelle setzen Trump und sein Chefberater Elon Musk die Absicherung ihrer Macht.
Feldzug gegen die Medien
Der Feldzug gegen die unabhängigen Medien, die Trump und sein Gefolge seit jeher als „Fake News“-Macher denunzieren, fing kurz nach dem Amtsantritt des Präsidenten mit der Falschbehauptung an, unter der Vorgängerregierung von Joe Biden sei die „linke“ Presse, namentlich das Portal „Politico“, mit acht Millionen Dollar „subventioniert“ worden. Dabei kann von „Subventionen“ nicht die Rede sein. Was Musks Zerstörungstruppe „Doge“ skandalisierte, war die für alle schon immer einsehbare Summe aller Medienabonnements von Regierungsmitarbeitern in den letzten Jahren. Es folgte die Anweisung an Mitarbeiter von Ministerien und Behörden, alle Medienabonnements zu kündigen.
An der Nachrichtenagentur Associated Press statuierte Trump sodann ein Exempel. Weil sie seiner Vorgabe, den Golf von Mexiko gefälligst „Golf von Amerika“ zu nennen, nicht folgt, ist sie von Terminen im Oval Office ausgeschlossen worden. Im nächsten Schritt entmachtete Trump die White House Correspondents Association, ein Gremium von Journalisten, das darüber entscheidet, wer direkten Zugang zum Präsidenten hat und zum Beispiel mit an Bord der Air Force One darf. Das entscheiden Trumps Leute künftig selbst. Und so werden dort künftig nicht mehr Agenturjournalisten sitzen, die aufschreiben, „was ist“, sondern Claqueure und rechtslastige Propagandisten, die mit dem Präsidenten auf einer Linie sind.
Wer nicht auf Linie ist, wird verklagt
Wer nicht auf Linie ist, wird niedergeklagt. Der Sender ABC zahlte Trump wegen der verunglückten Äußerung eines Moderators 15 Millionen Dollar, den Sender CBS verklagt der US-Präsident gar auf 20 Milliarden, vom Meta-Chef Mark Zuckerberg, den er mit Gefängnis bedroht hatte, erhält er 25 Millionen Dollar. Währenddessen beschallt Trumps Chefberater Musk die Welt mit seiner eigenen Plattform X. Dort bestimmt er mittels Algorithmus, welche Informationen die größte Reichweite haben und welche untergehen. Musks eigene Meinung, gegründet auf „alternativen Fakten“ und Beleidigungen, geht selbstverständlich vor. Und gefördert werden vor allem jene, die dem autokratischen Gehabe von Donald Trump huldigen oder selbst auf den Umbau von der Demokratie zur Autokratie hinarbeiten. In Deutschland ist das die AfD.
So baut Donald Trump im Verein mit Tech-Tycoonen eine neue Öffentlichkeit auf. Die unabhängigen Medien werden geschreddert, sie werden mit Falschinformationen zugeschüttet, verleumdet, mit Klagen überzogen und wirtschaftlich angegriffen. An ihre Stelle tritt der eigene Verlautbarungsapparat und der beherrscht die digitale Welt: Elon Musk bringt die Plattform „X“ mit, Mark Zuckerberg liefert Facebook und Instagram, und wenn Tiktok bald folgt, ist alles „Truth Social“ im Sinne von Donald Trump, dessen eigene Plattform so heißt.
Unter den Digitalfürsten ist Jeff Bezos nun einer der letzten, der die Seiten wechselt. Er musste sich beeilen, schießlich will er mit der US-Regierung noch Geschäfte machen. Sein Beitrag zur Vernichtung einer demokratischen Öffentlichkeit ist freilich ein besonders wichtiger. Er zerstört ein Symbol der freien Presse – die „Washington Post“, die sich der Aufgabe verpflichtet hat, die Mächtigen zu kritisieren und zu kontrollieren, von innen. So geht der Demokratie das Licht aus.