Monday, November 18, 2024

USA: Ganz seiner Meinung

SZ.de USA: Ganz seiner Meinung Peter Burghardt, Washington • 7 Std. • 4 Minuten Lesezeit Donald Trump macht den Hardliner Brendan Carr zum Chef der Kommunikationsbehörde. Für die Medien und die Meinungsfreiheit heißt das nichts Gutes. Im amerikanischen Wahlkampf durfte so ziemlich alles gesagt werden, vor allem Donald Trump und seinen Helfern ging nichts zu weit. So verkündete der frühere und künftige US-Präsident unter anderem, Immigranten ohne Papiere würden „das Blut des Landes vergiften“, und einer seiner Einpeitscher bezeichnete die Insel Puerto Rico als Müllhalde. Aber Trump ist überzeugt davon, dass eine Art linkes Meinungskartell die Nation beherrscht, jetzt schickt er Brandan Carr in diese Schlacht. Der Republikaner soll die Federal Communications Commission anführen, die Bundesbehörde für Kommunikation, kurz FCC. Carr sei „ein Kämpfer für die freie Meinungsäußerung“, schwärmte Trump, als er seine nächste Nominierung am Sonntagabend bekannt gab. „Er wird den regulatorischen Angriff beenden, der Amerikas Arbeitgeber und Innovatoren lähmt, und dafür sorgen, dass die FCC dem ländlichen Amerika hilft.“ Ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft könnte von dieser FCC noch nie gehört haben, doch diese Behörde ist von einiger Bedeutung. Die Federal Communications Commission regelt die Kommunikation über Radio, Fernsehen, Netz, Kabel sowie Satellit, sie soll die nationalen Vorschriften durchsetzen. Offiziell ist diese FCC unabhängig und steht unter Aufsicht des Senats, aber bis auf Weiteres werden also beide republikanisch angeführt. „Die Amerikaner haben eine noch nie dagewesene Zensur erlebt“, klagt er – auf X. Carr ist 45 Jahre alt und ist bereits seit 2012 in verschiedenen Funktionen bei der FCC tätig, in seiner ersten Amtszeit ernannte ihn Trump zu einem der fünf Bevollmächtigen. Nun wird er deren Nummer eins, der Jurist war zuletzt bereits als Hardliner der Kommission aufgefallen. So hat er im konservativen Bauplan namens Project 2025 das Kapitel über die Ziele der FCC verfasst, eines davon: „Zügelung von Big Tech“. Zwar tat Trump während seiner Kampagne so, als habe er mit diesem Projekt 2025 des Thinktanks Heritage Foundation nichts zu tun, allerdings scheint er manchen Vorgaben recht exakt folgen zu wollen. „Die Amerikaner haben eine noch nie dagewesene Zensur erlebt“, klagte sein Auserwählter Carr vergangene Woche auf X, dem Netzwerk des Trump-Vertrauten und Multimilliardärs Elon Musk. „Big Tech hat Menschen zum Schweigen gebracht, nur weil sie ihre 1 A-Rechte ausgeübt haben. Das Zensurkartell muss demontiert und zerstört werden.“ Die zunehmend rechte Echokammer X meint er damit nicht, er meint Unternehmen wie Apple, Meta, Google und Microsoft. Mit Elon Musk versteht sich der künftige Behördenchef bestens Trump hatte die Personalie noch gar nicht öffentlich gemacht, da legte der neue Oberaufseher bereits los. In der vergangenen Woche schickte er den Chefs dieser Konzerne einen Brief, wie US-Medien berichten. Darin warnte er demnach Tim Cook (Apple), Mark Zuckerberg (Meta), Satya Nadella (Microsoft) und Sundar Pichai (Alphabet) davor, bestimmte Ansichten zu zensieren, die Regierung könne die Aktivitäten überprüfen. „Die Amerikaner haben einen noch nie dagewesenen Anstieg der Zensur erlebt“, wird aus dem Schreiben zitiert. „Ihre Unternehmen haben bei diesem unzulässigen Verhalten eine wichtige Rolle gespielt.“ Er fühle sich geehrt, schrieb Carr nach seiner Ernennung wieder auf X. „Wir müssen das Zensurkartell zerschlagen und das Recht auf freie Meinungsäußerung für jeden Amerikaner wiederherstellen.“ Der X-Besitzer und Trump-Unterstützer Musk stimmte sogleich mit diesem Wort zu: „based“, was so viel bedeuten soll wie absolut treffend. Die beiden verstehen sich ausgezeichnet, wie es aussieht. Im August besuchte Carr den Weltraumbahnhof von Musk im Texas, ein Foto der beiden machte die Runde. Er beschwerte sich auch über Versuche aus Brasilien, Musks X und seinen Starlink-Satelliten Grenzen zu setzen. „Der DC-Bürokrat, der Elon Musk Milliarden liefern könnte“, betitelte das Magazin Politico im Oktober einen Text über Brendan Carr. Er könne Musks Starlink-Unternehmen „einen Geysir von Bundesgeldern eröffnen“. Unter Joe Biden wird die FCC von einer Demokratin angeführt, im Januar übernehmen auch an dieser Stelle Republikaner das Kommando. Was genau das für die von Trump verhassten Konzerne aus dem Silicon Valley im liberalen Kalifornien bedeutet, lässt sich schwer absehen. Jedenfalls hat der Rückkehrer ins Weiße Haus offenkundig einen Mann entdeckt, der ihm beim Feldzug gegen seine Kritiker behilflich sein könnte. Vor der Wahl hatte Trump gewütet, man müsse den Sendern CBS und NBC die Lizenz entziehen. CBS warf er vor, bei einem Interview mit seiner Rivalin Kamala Harris eine umständliche Antwort der Kandidatin durch eine kürzere Antwort ersetzt zu haben. NBC warf er vor, ihn benachteiligt zu haben, nachdem Harris in der Show „Saturday Night Live“ aufgetreten war. Auch Carr erklärte daraufhin, NBC umgehe eine FCC-Regel, die den Sendern vorschreibt, den Kandidaten die gleiche Sendezeit einzuräumen. NBC erwiderte, man hätte Trump diese Zeit gegeben. „Brendan Carr hat sich mit Versprechungen für diesen Posten beworben, um die Wünsche von Donald Trump und Elon Musk zu erfüllen“, zitiert die Washington Post Craig Aaron von der liberalen Lobbygruppe Free Press Action. „Er wird mit einer Beförderung belohnt, aber es ist die amerikanische Öffentlichkeit, die den Preis dafür zahlen wird.“