Monday, November 18, 2024
US-Präsident Joe Biden erlaubt Ukraine Einsatz von US-Langstreckenwaffen gegen Russland
Leipziger Volkszeitung
US-Präsident Joe Biden erlaubt Ukraine Einsatz von US-Langstreckenwaffen gegen Russland
5 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Der scheidende US-Präsident Joe Biden hat nach Informationen der „New York Times“ den ukrainischen Streitkräften genehmigt, erstmals auch amerikanische Waffen mit längerer Reichweite vom Typ ATACMS gegen Ziele auf russischem Territorium einzusetzen. Dies meldete die Zeitung am Sonntagabend unter Berufung auf Regierungsquellen in Washington. Weiteren Berichten zufolge könnte die Armee der Ukraine mit diesen Waffen, die eine Reichweite von etwa 350 Kilometern haben, bereits in den kommenden Tagen entsprechende Angriffe ausführen. Am Morgen hatte Russland zuvor erneut massive Luftschläge gegen ukrainische Städte und die Energieinfrastruktur des Landes geflogen.
Die Entscheidung bildet einen erheblichen Kurswechsel der US-Regierung kurz vor dem Ausscheiden Bidens aus dem Amt im Januar. Der künftige Präsident Donald Trump hat angekündigt, die Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Ukraine deutlich zu beschränken. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Washington und auch andere Verbündete, die seinen Streitkräften Waffen für den Abwehrkampf gegen Russland liefern, wiederholt aufgefordert, die Verwendung von Langstreckenraketen für das Ansteuern innerrussische Ziele zu erlauben.
Selenskyj: „Die Raketen werden für sich selbst sprechen“
Das US-Verteidigungsministerium wollte die Berichte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht kommentieren. Selenskyj deutete an, die Erlaubnis für den Einsatz erhalten zu haben. Doch Schläge würden nicht mit Worten geführt, sagte er in seiner abendlichen Ansprache. „Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen.“
Einsatz gegen russische und nordkoreanische Truppen?
Wie die „New York Times“ und später auch die „Washington Post“ weiter berichteten, dürfte der Beschluss Bidens auch mit der jüngsten Entwicklung im östlichen Frontgebiet der Ukraine und in der russischen Region Kursk zusammenhängen. Ukrainische Truppen sind seit einigen Monaten auf russisches Territorium vorgerückt – inzwischen hat Russland zur Rückeroberung sowie zur Stärkung seiner eigenen Offensivkraft auch nordkoreanische Soldaten zur Verfügung.
„Die (Langstrecken-)Waffen dürften zunächst gegen russische und nordkoreanische Truppen und zur Verteidigung der ukrainischen Kräfte in der westrussischen Region Kursk eingesetzt werden“, schrieb die „New York Times“ mit Verweis auf Aussagen nicht namentlich genannter Beamter der US-Regierung. Dem Blatt zufolge war Bidens Beraterstab in der Frage einer Freigabe der Langstreckenwaffen gespalten. Kritiker im Gremium wandten ein, eine solche Entscheidung könnte den Konflikt derart eskalieren lassen, dass Russland als Racheaktion US-Verbündete in Europa oder auch die USA selbst angreifen könnte. Befürworter im Beraterkreis sollen hingegen erwidert haben, dass derartige Befürchtungen völlig übertrieben seien.
Moskau schoss jedoch mit scharfen Worten zurück. Ein derartiger Schritt sei eine Eskalation, hieß es. Wladimir Dschabarow, erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des russischen Oberhauses, warnte laut der russischen Nachrichtenagentur TASS, eine solche Entscheidung könnte zu einem dritten Weltkrieg führen. Moskau werde schnell reagieren.
Was wird Trump tun?
Der designierte US-Präsident Donald Trump hat schon vor längerer Zeit angedeutet, er könnte die Ukraine dazu drängen, Territorium aufzugeben, das die Russen eingenommen haben, um den Krieg zu beenden. Im Wahlkampf war er Fragen größtenteils ausgewichen, ob er wolle, dass der US-Verbündete Ukraine den Krieg gewinne. Trump hat die Biden-Regierung wiederholt dafür kritisiert, der Ukraine Hilfe im Umfang von Milliarden von Dollar zur Verfügung gestellt zu haben.
Trump sagte, er wolle, dass der Krieg vorbei sei. Die internationalen Unterstützer der Ukraine befürchten indes, dass ein hastiger Lösungsversuch vor allem dem russischen Staatschef Wladimir Putin zugutekommen würde.
Scholz gegen Erlaubnis für ähnliche Waffen
Bei den infrage kommenden US-Langstreckenwaffen handelt es sich vor allem um das System ATACMS. In Deutschland läuft seit Längerem eine ähnliche Diskussion über den möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern der Bundeswehr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt deren Nutzung gegen russische Ziele strikt ab, weil er befürchtet, Deutschland könnte als Lieferant der Waffen in den Krieg hineingezogen werden. Ob ein solcher Einsatz völkerrechtlich gedeckt wäre oder einen möglichen Gegenschlag Russlands gegen den jeweiligen Unterstützerstaat rechtfertigen würde, ist unter Fachleuten strittig.
Habeck würde Raketen liefern
Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat angekündigt, dass er im Fall einer Wahl zum Regierungschef Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würde. Die Antwort auf diese Frage sei Ja, sagte er am Sonntagabend in einem Interview des ARD-Hauptstadtstudios auf die Frage, ob er die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) revidieren würde. Habeck wies darauf hin, dass er als Bundeswirtschaftsminister schon wiederholt über Waffenlieferungen habe entscheiden müssen. „Das gehörte zu meinem Amt dazu, und das waren mit die schwersten Entscheidungen, die ich zu treffen habe.“
Bislang beschränkten die USA den Einsatz ihrer Waffen gegen Russland auf die Abwehr der russischen Offensive gegen die ostukrainische Stadt Charkiw. Hier hat die US-Regierung den Einsatz des nicht sehr weit reichenden Raketenwerfersystems vom Typ Himars erlaubt.