Sunday, November 17, 2024

Scholz reiste als Kanzler bis zum Mond: Die Bilanz ist bitter

Berliner Morgenpost Scholz reiste als Kanzler bis zum Mond: Die Bilanz ist bitter Jan Dörner • 13 Std. • 5 Minuten Lesezeit Olaf Scholz steigt noch einmal die Treppe zum Vordereingang des Luftwaffenairbus A350 hoch. Seine Frau Britta Ernst begleitet den Bundeskanzler. Scholz fliegt gut zwölf Stunden zum G20-Gipfel nach Rio de Janeiro. Der Besuch in Brasilien am Montag und Dienstag könnte nicht nur die letzte große Auslandsreise vor der Neuwahl im Februar sein, sondern auch der letzte Interkontinentalflug von Olaf Scholz als Bundeskanzler. Vor einem Jahr hatte die Bundesregierung schon einmal Bilanz gezogen: Seit seinem Amtsantritt hatte Scholz bis zu dem Zeitpunkt im Regierungsflieger eine Entfernung weiter als bis zum Mond zurückgelegt oder rechnerisch etwa zwölfmal die Erde umrundet. Weitere Reisen folgten seitdem und der Besuch in Brasilien lässt das Flugmeilenkonto des Kanzlers noch einmal anwachsen. Was bleibt von dem Außenpolitiker Scholz nach dieser Amtszeit? Seine erste Auslandsreise hatte Scholz im Dezember 2021 zwei Tage nach Amtsantritt nach Paris zu Präsident Emmanuel Macron geführt, wie es gute Sitte im deutsch-französischen Verhältnis ist. Bei Lammkotelett, Gemüse und „Kartoffeln Élysée“ saßen Scholz und Macron damals zusammen. Das persönliche Verhältnis der beiden soll nie so schlecht gewesen sein, wie bisweilen beschrieben. Aber in einen politischen Gleichschritt fand das deutsch-französische Tandem mit Scholz und Macron nie, während Europa in einer tiefen Krise steckt. Kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine flog Scholz im Februar 2022 noch zu Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Kiew und zum russischen Staatschef Wladimir Putin nach Moskau. Im Kreml saß Scholz Putin gegenüber, allerdings wegen der panischen Angst des Präsidenten vor dem Coronavirus am anderen Ende eines skurril langen Tisches. Scholz hörte dann Putins Lügen über den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine, obwohl der Krieg längst beschlossene Sache war. Ob Afrika, Asien oder Südamerika: Danach besuchte Scholz gezielt die wichtigsten Staaten der jeweiligen Kontinente wie Südafrika, Saudi-Arabien, China, Indien, Argentinien und Brasilien, um diese vom westlichen Blick auf den Krieg in Europa zu überzeugen. Der Kanzler wollte Putin isolieren – oder zumindest mithilfe der nicht-westlichen Länder Druck auf den russischen Machthaber aufbauen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Inzwischen ist der Kriegsbeginn fast 1000 Tage her. Auf vielen dieser Stationen bekam Scholz allenfalls hinter geschlossenen Türen Kritik an Putin zu hören. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der Scholz zwar stets freundschaftlich „Comrade“ (Genosse) nennt, inszenierte die Meinungsverschiedenheiten bei einer Pressekonferenz unter freiem Himmel in Pretoria so deutlich, dass Scholz sich genötigt sah, noch einmal ausdrücklich auf Englisch seinen Standpunkt klarzustellen. Eine seiner anstrengendsten Reisen unternahm Scholz im November 2022, um Chinas Staatschef und Putins engen Verbündeten Xi Jinping von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Die asiatische Großmacht schottete sich damals wegen der Corona-Pandemie strikt ab. Um nicht in die staatliche überwachte Quarantäne zu müssen, flog die Kanzlerdelegation nach Peking, war nur elf Stunden vor Ort, dann machte sich Scholz ohne Übernachtung auf den Rückweg. Trotz totaler Übermüdung waren der Kanzler und seine Entourage im Regierungsflieger euphorisch: Xi hatte nach dem Treffen mit Scholz Putin öffentlich vor einer nuklearen Eskalation des Krieges gewarnt. Die engsten Unterstützer der Ukraine, der in Kürze aus dem Amt scheidende US-Präsident Joe Biden und Scholz, kommen als „lame duck“ (lahme Ente) und gerupfter Kanzler nach Brasilien. Zwar will man in Scholz‘ Umfeld nichts davon wissen, dass dem Kanzler im Kreis der großen Industrieländer nur noch eine Statistenrolle zukomme. Als bedeutender Geldgeber für Entwicklungshilfe und Klimafinanzierung sei man „nach wie vor in der Champions League“.