Tuesday, July 9, 2024

Verdacht auf Manipulation: So werden die Inflationszahlen in der Türkei niedrig gehalten

Merkur Verdacht auf Manipulation: So werden die Inflationszahlen in der Türkei niedrig gehalten In der Türkei wächst die Kritik an der Statistikbehörde TÜIK. Erstmals nach zwei Jahren wurde bekannt, wie die staatliche Statistikbehörde die Inflationszahlen berechnet. Die Empörung ist groß und Experten werfen Manipulation vor. Ankara – Kaum eine andere Behörde in der Türkei steht so häufig in der Kritik, wie das staatliche Statistikbüro TÜIK. Immer wieder kritisieren Experten, dass die von der TÜIK veröffentlichten Wirtschaftszahlen nicht korrekt sind. So gibt das staatliche Statistikamt die aktuellen Inflationszahlen mit 71,6 Prozent an. Das unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitut Ena Grup kommt bei ihren Berechnungen dagegen auf 113,08 Prozent. „Nicht nur die Inflationsdaten, sondern auch die Berechnung des Volkseinkommens, das das Maß für den nationalen Wohlstand ist, ist falsch“, schreibt der Wirtschaftsexperte Prof. Veysel Ulusoy auf X. Ulusoy ist zudem auch Direktor der Ena Grup. Der Wirtschaftsexperte misstraut auch den anderen Zahlen der TÜIK, schreibt er an anderer Stelle auf X. „Nicht nur die Inflation, sondern auch verwandte Statistiken sind verdächtig. Das Wirtschaftswachstum ist dabei das wichtigste. Auch viele andere Wirtschaftsexperten schließen sich der Kritik von Ulusoy an. „Am Eingang der TÜİK sollte ein Schild mit der Aufschrift ‚Wenn Worte Silber sind, ist Schweigen Gold´ angebracht werden“, kommentiert der Wirtschaftsexperte Mahfi Egilmez ebenfalls auf X. Gewerkschaft spricht von „Manipulation“ durch Statistikbehörde Kritik kommt auch von der Konföderation der revolutionären Gewerkschaften DISK (Konföderation der revolutionären Gewerkschaften). Hatte die Ena Grup die Inflationszahlen für die ersten sechs Monate mit 41,16 Prozent berechnet, gibt TÜIK die Zahlen mit 24,73 Prozent an. Das sei Manipulation. „TÜIK hat eine schwerwiegende Manipulation vorgenommen, indem es die 6-Monats-Inflationsrate niedrig hielt, was sich auf Löhne, Gehälter und Renten auswirken wird“, schreibt das Forschungszentrum der DISK. Waren in Inflationskorb deutlich günstiger als beim Discounter Die Inflation wird in der Türkei mittels eines Korbes berechnet, der sich etwa aus verschiedenen Waren, Dienstleistungen sowie Energie zusammensetzt. Wie die einzelnen Posten in dem Korb gewichtet werden, war bislang nicht bekannt. Jetzt kam die Zusammensetzung dieses Inflationskorbes raus und damit auch die Empörung. Die Zahlen sind viel zu niedrig angesetzt. Die Experten geben darin die Miete mit 5.845 TL (164 Euro) an. Eine Facharztbehandlung soll 34 TL kosten (0,95 Cent) und Olivenöl wird mit 114 TL angegeben. Schaut man sich die Preise etwa des Discounters A101 an, so kostet dort ein Liter Olivenöl 249 TL (6,99 Euro). Auch andere Produkte sind im Discounter deutlich teurer, als von der TÜIK veranschlagt. TÜIK verheimlichte Berechnung von Inflationskorb Seit mehr als zwei Jahren wurde die Zusammensetzung des Inflationskorbes geheim gehalten um Falschinterpretationen zu verhindern. „Jetzt kommt raus, dass nicht umsonst die Preisliste zur Inflationsberechnung geheim gehalten wurde“, empört sich der Journalist Murat Yetkin auf Youtube. Gerade bei den Renten und den Beamtengehältern ist die Inflation maßgeblich. Niedrige Inflationszahlen, auch wenn diese nicht der Wahrheit entsprechen, bedeuten auch weniger Anstieg bei Renten und Beamtenbezügen. Der Staats spart sich dadurch Geld und die Menschen verarmen. Vor manipulierten Wirtschaftszahlen warnen die Experten schon lange. Deutliche Worte an Finanzminister Mehmet Simsek, der das Land aus der Wirtschafskrise bringen will, kommt vom ehemaligen Chef der türkischen Zentralbank, Durmus Yilaz auf X: „Wir wissen, dass die richtige Politik nicht mit falschen Daten gemacht werden kann“. Der hatte allerdings in den sozialen Medien bekannt gegeben, dass der Desinflationsprozess begonnen habe. (erpe)