Saturday, July 6, 2024
Präsident in der Krise: Biden weist Sorgen um seine geistige Verfassung zurück
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Präsident in der Krise: Biden weist Sorgen um seine geistige Verfassung zurück
Majid Sattar • 2 Std. • 3 Minuten Lesezeit
US-Präsident hat in einem Interview mit dem US-Sender ABC seinen Kandidatur verteidigt.
Während die Zahl der Kongressmitglieder zunimmt, die Joe Biden zum Verzicht auf eine abermalige Kandidatur auffordern, hat der amerikanische Präsident bekräftigt, den Willen und den Rückhalt unter ranghohen Demokraten zu haben, um Donald Trump im November zu schlagen
In seinem ersten Fernsehinterview seit dem Fernsehduell mit dem Republikaner übernahm Biden die Verantwortung für den desaströsen Auftritt. „Die ganze Art, wie ich mich vorbereitet habe: Niemand ist schuld, nur ich“, sagte er dem Sender ABC. Sein Auftritt sei ein „schlechter Vorfall“ gewesen, es gebe keine Anzeichen für eine ernsthafte Erkrankung. Er sei nach den vielen Reisen erschöpft gewesen und habe nicht auf seinen Instinkt gehört. Er habe einen „schlechten Abend“ gehabt. Biden verwies darauf, dass er vor und während der Debatte eine „wirklich schlimme Erkältung“ gehabt habe. „Ich habe mich schrecklich gefühlt.“ Weiter sagte er: „Wir haben versucht, herauszufinden, was los war. Sie (die Ärzte) haben einen Test gemacht, um zu sehen, ob ich eine Infektion, also einen Virus, hatte“. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Biden lehnte es ab, sich einer kognitiven Untersuchung zu unterziehen, um eine neurologische Erkrankung auszuschließen. Er mache jeden Tag einen solchen Test, erwiderte er mit Blick auf sein anspruchsvolles Tagesprogramm. Der Präsident wirkte in dem Interview konzentriert, klang aber weiterhin heiser. Konfuse Antworten waren die Ausnahme. Auf die Frage des Moderators George Stephanopoulos, ob er sich die Debatte danach noch einmal angesehen habe, sagte er: „Ich glaube nicht, dass ich das getan habe.“
Angeblich fit genug für vier weitere Jahre
Auf die Frage, ob er in seiner Selbsteinschätzung mit Blick auf seine Belastbarkeit ehrlich mit sich sei, sagte er, das sei er und insistierte, er sei der qualifizierteste Kandidat, um Trump zu schlagen. Und er sei auch fit genug, das Amt weitere vier Jahre auszuüben. Schon 2020 habe man an ihm gezweifelt. Zudem seien die Umfragen, die ihn schon vor der Debatte hinter Trump gesehen haben und die nun nahelegen, dass sich dessen Vorsprung vergrößert hat, nicht akkurat.
Der Präsident bestätigte indirekt Berichte, nach denen der demokratische Senator Mark Warner sich darum bemühe, andere Senatoren der Partei dafür zu gewinnen, den Präsidenten zu überzeugen, seine Kandidatur zurückziehen. Warner soll danach Fraktionskollegen sagen, er sei ernsthaft besorgt, dass Biden nicht in der Lage sei, einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen. Biden sagte, Warner, der Virginia vertritt, sei ein guter Mann; man habe aber einen unterschiedlichen Blick auf die Dinge.
Öffentlich hat sich bisher kein Senator gegen Biden gestellt. Im Repräsentantenhaus gibt es eine Handvoll Abgeordneter, die sich gegen Biden gestellt haben. Die Zahl jener, die hinter vorgehaltener Hand sagen, Biden müsse sich zurückziehen, ist viel größer. Biden hob hervor, er spreche mit führenden Demokraten – von Chuck Schumer, dem Mehrheitsführer im Senat, über Hakeem Jeffries, dem Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, bis hin zu Jim Clyburn, dem einflussreichen Abgeordneten aus South Carolina, der für die Mobilisierung afroamerikanischer Wähler wichtig ist. Alle sagten ihm, er solle im Rennen bleiben, hob der Präsident hervor. Die Frage, ob er Konsequenzen ziehe, sollten auch diese ihm raten, beiseitezutreten, nannte Biden hypothetisch und antwortete nicht. Ironisch sagte er lediglich, nur der „Allmächtige“ könne ihn bewegen, abzutreten. Jeffries will sich am Sonntagnachmittag mit den Ausschuss-Obleuten seiner Fraktion zusammenschalten, bevor die Fraktion sich zu Wochenbeginn wieder in Washington versammelt. Es heißt, man werde auch über die Sorgen vieler Abgeordneter über Bidens Lage reden.
Trump sei ein „pathologischer Lügner“
Mit Blick auf Trump sagte der Präsident, es gehe im Übrigen nicht nur um Fitness, sondern auch um den Charakter. Trump sei ein „pathologischer Lügner“. Und wenn am Ende doch Trump gewinne – wie werde er sich dann fühlen? Es gehe darum, im Wahlkampf alles zu geben, antworte Biden. Es gebe noch viel Zeit, es seien noch mehr als 125 Tage bis zur Wahl.
Vor dem Interview hatte der Präsident in einer kämpferischen Rede auf einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Wisconsin versichert, er werde entgegen allen Spekulationen im Rennen bleiben: „Ich bin der Kandidat dieser Partei“, sagte er. „Sie versuchen, mich aus dem Rennen zu drängen. Lassen Sie mich das so deutlich sagen, wie ich kann: Ich bleibe im Rennen!“
Biden bedankte sich auch für die Unterstützung von Vizepräsidentin Kamala Harris, die Biden im Fall der Fälle nachfolgen könnte. Harris schrieb danach auf der Plattform X, Biden habe sein Leben dem Kampf für die Amerikaner gewidmet. „Ich weiß es: In diesem Moment sind wir alle bereit, für ihn zu kämpfen.“ Sie war am Donnerstagabend bei den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag im Weißen Haus an seiner Seite aufgetreten.