Sunday, July 28, 2024

Kamala Harris – die Göre für das Weiße Haus

RP ONLINE Kamala Harris – die Göre für das Weiße Haus • 24 Mio. • 4 Minuten Lesezeit Washington. Junge Frauen begeistern sich für Kamala Harris. Sie posten Kokospalmen, verleihen ihr den Ehrentitel „Brat – Göre“ und hoffen auf ihren Wahlsieg. Welche Wirkung das hat. Und was anders läuft als bei Hillary Clinton. Mit einer einer 17-minütigen Rede hat die mögliche US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, ihren Wahlkampf begonnen. Sie galt als durchsetzungsschwach, hölzern, politisch blass, ihr Lachen zu laut, ihr Gang zu lässig. Und nun das: Kamala Harris wirkt wie befreit, startet fröhlich und angriffslustig in die Vorbereitung, Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu werden – und bringt sich klug und unverzagt gegen Donald Trump in Stellung. Etwa, wenn sie selbstbewusst aufzählt, dass sie sich als Staatsanwältin mit jeder Art von Betrügern, Schwindlern, Männern, die Frauen schlecht behandeln, herumschlagen musste. Und dann nachsetzt, sie kenne Typen wie Donald Trump. Auf einmal werden Kamala Harris‘ vermeintliche Schwächen ihre Stärken – vor allem für den Wahlkampf in den digitalen Medien. Bei Tiktok und Instagram schneiden Fans Szenen zusammen, in denen Harris herzhaft lacht oder steife Auftritte durch ein Tanzschrittchen lockert. Plötzlich gilt Harris als „brat“. Ein Etikett, das ihr die britische Sängerin Charli XCX verliehen hat. Brat bedeutet Göre, die Sängerin hat ihr jüngstes Album so genannt und bestärkt darin junge Frauen, unangepasst ihren Weg zu gehen, sich nicht selbst in Barbie-Klischees zu zwängen, lieber anmaßend, unverblümt, chaotisch und vor allem bei sich selbst zu sein. Mit dem simplen Satz, Kamala Harris sei „brat“, hat Charli XCX einen Zusammenhang hergestellt, zwischen einer gebildeten, schwarzen Frau in den USA, die nach der Macht greift, und einer jungen Generation von Frauen, die nicht mehr um Anerkennung bei den Männern bittet, sondern selbstbewusst weibliche Vorbilder markiert. Das Team von Kamala Harris hat sofort reagiert. Das verschafft nun auch Charli XCX neue Aufmerksamkeit. Die Pop-Kultur ist angesprungen auf die Wende im amerikanischen Wahlkampf. Das liberale Amerika will den republikanischen Antidemokraten Donald Trump verhindern. Aber es geht auch um weibliche Selbstermächtigung. Um junge Frauen, die eine Kandidatin unterstützen, weil sie sich von ihr am ehesten repräsentiert fühlen. Mit einer einer 17-minütigen Rede hat die mögliche US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, ihren Wahlkampf begonnen. Es geht um „Femininomenon“. Auch das ist ein Begriff aus der amerikanischen Pop-Kultur. Das Wort setzt sich zusammen aus Feminismus und Phänomen und taucht im Song der Sängerin Chappell Roan auf. Darin singt sie über ermüdendes Online-Dating, über Frauen, die sich dem braven Vorstadtleben anpassen, die Wäsche falten, sich nicht ausleben. „Was wir wirklich brauchen, ist ein Femininomenon“, ruft sie, während ihr Song nach softem Einstieg, harte Beats entwickelt. Femininomenon ist in diesem Lied eine Mischung aus feministischer Erweckung und fröhlichem Staunen über das Phänomen. Auch dafür soll Kamala Harris nun stehen. Selbst ein eigenes Emoji, ein Bildchen für Kurznachrichten, wird ihr schon zugeschrieben: die Kokospalme. Das spielt an auf eine Anekdote, die Harris über ihre Mutter erzählt hat. Die habe ihre Kinder mal ermahnt, sie sollten die Zusammenhänge erkennen, sie seien schließlich nicht „aus einer Kokospalme“ gefallen. Wieder dieses herzhafte Lachen, als Harris davon berichtet. Eine Frau gibt die Weisheit ihrer Mutter weiter, um anderen Frauen klarzumachen: Achtet auf die Verhältnisse, die gesellschaftlichen Bedingungen, wenn sich für die Frauen wirklich etwas verändern soll. Die Kokospalme – ursprünglich von Trumps Leuten gegen Harris in Umlauf gebracht – ist zum kämpferischen Sinnbild geworden – und wird fleißig geteilt. All das sind bisher nur dünne Brücken aus der Pop-Kultur in die Politik. Man kann es auch als ein Aufatmen des demokratischen Amerika verstehen, das mit dem Rückzug Bidens und der wahrscheinlichen Kandidatur einer Frau neue Hoffnung schöpft, eine Antwort auf Donald Trump zu finden. Natürlich sagt das noch nicht viel über Harris‘ Chancen auf das Weiße Haus. Sie wird Wechselwähler überzeugen müssen. Hollywood und weite Teile der amerikanischen Pop-Kulturszene sind ohnehin demokratisch gestimmt. Doch dass ihr Lager nun in Schwung kommt, dass Größen aus dem Showgeschäft ihre Unterstützung kundtun, Leute wie Katy Perry, Ariana Grande oder George Clooney, das ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass die Demokraten am Ende auch in den Staaten mit noch unklaren Mehrheiten die entscheidenden Stimmen holen können. Harris hat in ersten Reden schon konkrete Ziele wie Verbot von Schnellfeuerwaffen und Recht auf Abtreibung benannt und versucht klarzumachen, dass es aus ihrer Sicht um eine Richtungsentscheidung geht: Freiheit, Mitgefühl, Rechtsstaatlichkeit gegen Chaos, Angst, Hass. Sie tritt entschieden auf, aber ohne Verbissenheit, intuitiv, lässig. Das unterscheidet sie von der anderen Frau, die vor ihr versucht hat, Donald Trump zu schlagen. Dass Hillary Clinton scheiterte, hatte auch mit ihrem Ehemann Bill zu tun, zu dem sie trotz dessen Affären stand. Hillary Clinton wurde das nicht als Loyalität zugutegehalten, sondern als Unehrlichkeit angekreidet. Befeuert von Donald Trumps ständigen Attacken gegen sie als Person, als Frau, als Teil der Eliten, denen er selbst angehört, entstand das öffentliche Bild einer machtgierigen Gattin, die an den Posten ihres Mannes will. Harris dagegen hat sich klassisch erst in das Amt der Vize-Präsidentin gekämpft, mit einem loyalen Mann an ihrer Seite. Douglas Emhoff gab seine Arbeit als Anwalt für die Karriere seiner Frau auf, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Er ist der erste Second Gentleman in der Geschichte der USA und füllt seine Rolle bisher durch unterstützende Auftritte für seine Frau. Kamala Harris geht also nicht als Mitglied eines Politiker-Clans ins Rennen, sondern als Selfmade-Frau. Die Zustimmungswerte bei Afro-Amerikanern und Latinos, die Hillary Clinton 2016 erreichte, muss sie erst noch erringen. Aber es heißt jetzt schon: Yes, we Kam. Sie hat begonnen.