Tuesday, July 9, 2024

Jill ermuntert Joe Biden zum Durchhalten: Klammert sich die First Lady an die Macht?

Tagesspiegel Jill ermuntert Joe Biden zum Durchhalten: Klammert sich die First Lady an die Macht? Geschichte von Juliane Schäuble • 11 Std. • 5 Minuten Lesezeit Seine Familie formt den engsten Beraterkreis des US-Präsidenten: Experten erklären, wie sich die Bidens gegen den Sturm der Kritik wappnen und einen Rückzug vermeiden wollen. Es gibt dieser Tage zwei diametral entgegengesetzte Erzählungen über Jill Biden. Die eine lautet: Die First Lady treibt ihren altersschwachen Gatten machttrunken in eine weitere Wahl, ungeachtet der Tatsache, dass alle Welt gerade miterlebt hat, unter welchen Aussetzern er leidet. Die andere Erzählung lautet: Die zierliche Jill Biden ist in Wahrheit eine Löwin, wenn es um ihre Familie geht – loyal wie niemand sonst. Solange Joe Biden an seinem Weg festhalten will, steht das „Philly Girl“, wie die „New York Times“ sie jüngst in einem Porträt nannte, an seiner Seite und beschützt ihn vor allem Bösen. Wenn er das nicht mehr will, folgt sie ihm leichten Herzens aus dem Weißen Haus hinaus in den wohlverdienten Ruhestand. Zur ersten Erzählung, die vor allem in rechten Medien verbreitet wird, kommen Berichte über Hunter Biden, den gerade wegen Verstößen gegen Waffengesetze verurteilten zweiten Sohn von Joe Biden. Der habe seinen Vater nicht nur dazu ermuntert, für das Weiße Haus zu kandidieren, weil ihn nur das vor dem Gefängnis bewahren soll. Sondern angeblich wacht Hunter Biden auch darüber, wer Zugang zum US-Präsidenten hat und nimmt damit ungebührlich Einfluss auf die Politik der amerikanischen Regierung. Zur zweiten Erzählung passt die Erinnerung an das Leid, das Joe Biden bereits hat erleben müssen: vor allem den Tod seiner ersten Frau, seiner Tochter und seines ältesten Sohnes. Kein Wunder also, dass Jill Biden schon im Wahlkampf 2020 als oberste Beschützerin ihres Mannes auftrat. Damals stellte sie sich sogar physisch vor ihn, als zwei Demonstranten bei einer Kundgebung in Los Angeles die Bühne stürmten. „Dr. Biden“, wie auch ihr Mann sie respektvoll nennt, fing sie ab und verhinderte womöglich Schlimmes. Philadelphia, so schreibt die „New York Times“, sei hart. „So ist Dr. Biden, wenn es darum geht, ihren Mann zu beschützen und zu unterstützen, und zwar heftig und reflexartig. Diese Rolle spielt sie schon seit den Tagen, in denen das Paar umeinander warb, als er ein junger Senator war, der sich vom Verlust seiner ersten Frau und seiner kleinen Tochter bei einem Autounfall erholen musste. Und diejenigen, die sie dazu bringen wollen, Mr. Biden zu ermutigen, seine Präsidentschaftskandidatur zu überdenken, könnten sie – und ihre Ehe – gründlich missverstehen.“ Egal, welcher Version von Jill Biden man Glauben schenken möchte: Dass sie derzeit die wichtigste Beraterin ihres Mannes ist, gilt als Fakt. Als dieser bei der TV-Debatte gegen seinen Herausforderer Donald Trump patzte, hieß es, die First Lady sei die Einzige, die dem Präsidenten klarmachen könne, wann es Zeit zum Aufhören sei. Dieser Moment ist in Jill Bidens Augen ganz offensichtlich noch nicht gekommen. Als Joe Biden nach der Debatte erklärte, er wisse nicht, was los gewesen sei, soll sie geantwortet haben, sie werde nicht zulassen, dass 90 Minuten seine ganze Amtszeit definierten. Am Montag bekräftigte der US-Präsident erneut, dass er im Rennen bleiben werde – trotz des anschwellenden Chors, der ihn zum Rückzug bewegen will und trotz immer wilderer Spekulationen darüber, was mit ihm nicht stimmen könnte. Die demokratischen Kongressmitglieder forderte der 81-Jährige in einem Brief auf, sollten zusammenzukommen und sich auf den Gegner am 5. November konzentrieren: Donald Trump. Auch Jill Biden verbreitet diese Botschaft. Sie zieht raus ins Land, um die Sorgen der Wähler zu entkräften, dass der Name Joe Biden bald gar nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen könnte. Die Wähler, so die Hoffnung der Biden-Kampagne, schöpfen wieder Vertrauen, wenn die First Lady es ihnen persönlich versichert. Bei all dem Gerede über dieses Rennen hat Joe Biden deutlich gemacht, dass er voll dabei ist. Das ist die Entscheidung, die er getroffen hat, und so wie er meine Karriere immer unterstützt hat, bin auch ich voll dabei. Jill Biden, First Lady Dafür besucht sie für die Wahl am 5. November besonders wichtige Bundesstaaten. Denn da könnte sich die Zukunft ihres Mannes entscheiden: Sollten die Werte des Präsidenten und der Demokratischen Partei hier in den kommenden Tagen deutlich absacken, so heißt es, droht die nächste Panikwelle. Am Montag trat Jill Biden gleich in drei Bundesstaaten auf: in Wilmington/North Carolina, in Tampa/Florida und in Columbus/Georgia. Vor Militärangehörigen in einer Wilmingtoner Brauerei erklärte sie: „Bei all dem Gerede über dieses Rennen hat Joe Biden deutlich gemacht, dass er voll dabei ist. Das ist die Entscheidung, die er getroffen hat, und so wie er meine Karriere immer unterstützt hat, bin auch ich voll dabei.“ Trotz ihres Einzugs ins Weiße Haus und ihrer damit einhergehenden Aufgaben unterrichtet die 73-Jährige weiter an einem Community College. „Die Lehrerin Jill Bilden glaubt, dass die Biden-Magie darin besteht, den Kontakt zu einfachen, hart arbeitenden Menschen herzustellen. Damit ist sie die wichtigste Stimme im Ohr von Präsident Joe Biden. Wenn er sich entschließt, zurückzuziehen und den Parteitag der Demokraten für andere Nachfolger zu öffnen, dann nur, weil sie ihm gesagt hat: ,Es ist an der Zeit.’“ Aber das sei bisher nicht geschehen, und es werde auch nicht geschehen, ist der gut vernetzte Journalist sicher. „Jill Biden glaubt, dass ihr Mann die beste Alternative zu Donald Trump ist, ihn einmal geschlagen hat und ihn wieder schlagen wird, und dass die Demokraten mit überwältigender Mehrheit Joe Biden jeder anderen Wahl vorziehen.“ Während sie sich früher von Joe Bidens politischer Welt fernhielt, hilft sie jetzt, diese als Familienunternehmen zu führen. Steve Clemons, Chefredakteur des Politik-Blogs „The Washington Note“ Angesichts des heftigen Gegenwinds hat die First Lady Clemons zufolge ihre Strategie verändert: Sie grenze sich zunehmend von Mitarbeitern Bidens ab, da sie ihnen nicht zutraue, die Interessen ihres Mannes im Auge zu haben, sagt er. „Während sie sich früher von Joe Bidens politischer Welt fernhielt, hilft sie jetzt, diese als Familienunternehmen zu führen. Sie ist neben ihrem Mann die mächtigste Person im Weißen Haus und sei zentral für eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit: Soll er kandidieren oder nicht?“ „Es ist nicht überraschend, dass Jill Biden die Rolle der Unterstützerin und Verteidigerin ihres Mannes gespielt hat – aber sie ist sichtbarer, als wir sie bisher gesehen haben, und sie ist wütend“, sagt Christy Setzer, Gründerin und Präsidentin der Beratungsfirma New Heights Communications in Washington. „Die beiden verstehen wahrscheinlich, dass die Debatte ihnen geschadet hat.“ Aber das Ehepaar hätte das alles schon einmal erlebt und wüsste, dass er in der Lage ist, sich davon zu erholen. „Als jemand, der schon seit Jahrzehnten mit ihm zusammen ist, weiß Jill das so gut wie jeder andere“, so Setzer. Ihr jetziger Einsatz ist indes alles andere als unumstritten. Als sie ihren Mann nach der Debatte dafür lobte, dass er alle Fragen beantwortet hatte, erntete sie viel Spott im Internet. Und die Tatsache, dass wenige Tage später ein mit ihr – schon länger geplantes – Interview samt Fotoshooting für die Mode-Zeitschrift „Vogue“ stattfand, wurde von vielen als Beweis für ihren fehlgeleiteten Ehrgeiz interpretiert. Kritik musste sich die stets freundlich lächelnde First Lady, die immer für ihre Bescheidenheit gelobt wurde, bisher eher weniger anhören. Aber in einem Wahljahr gelten offenbar andere Regeln.