Sunday, September 19, 2021

Zweifel wachsen – Wird Olaf Scholz‘ millionenteurer Steuerdaten-Kauf zum Flop?

WELT Zweifel wachsen – Wird Olaf Scholz‘ millionenteurer Steuerdaten-Kauf zum Flop? Karsten Seibel | Mit dem Ruf des Robin Hood der Steuerzahler schaffte es Norbert Walter-Borjans vor zwei Jahren bis an die Spitze der altehrwürdigen SPD. Zig Steuer-CDs mit Schwerpunkt Schweiz hatte er auf der der Jagd nach Steuerbetrügern in seiner Zeit als Finanzminister in Nordrhein-Westfalen kaufen lassen – für ein paar Millionen Euro Einsatz sammelte er mehrere Milliarden Euro zusätzliche Steuern ein. Drei Monate nach dem Kauf muss man zumindest bezweifeln, dass Scholz sich tatsächlich noch einen Namen als Steuerjäger machen kann Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT© Martin U. K. Lengemann/WELT Drei Monate nach dem Kauf muss man zumindest bezweifeln, dass Scholz sich tatsächlich noch einen Namen als Steuerjäger machen kann Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT Mit dem Rückenwind eines erfolgreichen Steuerjägers an die Spitze; das wäre eine Geschichte, die auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gefallen würde – sieht er sich doch eher Vorwürfen ausgesetzt, er sei zu gnädig mit Kriminellen. Die Stichworte sind Cum-Ex-Geschäfte einer Hamburger Privatbank und die Probleme der ihm unterstellten Geldwäschekontrolleinheit FIU. Mitte Juni, die Umfrageergebnisse der Sozialdemokraten waren noch eher bei 15 Prozent als bei 25 Prozent, startete Scholz einen öffentlichkeitswirksamen Versuch zur Imagepolitur. Das Bundeszentralamt für Steuern habe auf seine Veranlassung hin im Februar einen Datenträger erworben, auf dem steuerlich relevante Daten aus dem Emirat Dubai zu „mehreren Tausend deutschen Steuerpflichtigen“ seien, verkündete er vor drei Monaten. Zwei Millionen Euro soll das Bundeszentralamt gezahlt haben „Wir nutzen alle Mittel, um Steuerstraftaten aufzudecken. Mit dem neuen Datensatz leuchten wir die dunklen Ecken aus, in denen sich Steuerstraftäter bisher verkrochen haben“, sagte Scholz. Jetzt sei die Steuerfahndung am Zug, die Täter aufzuspüren und ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Die Daten seien zur Prüfung an die Länder übergeben worden. Es gehe vor allem um mögliche Steuerstraftaten in Zusammenhang mit Immobiliengeschäften. Es war das erste Mal, dass der Bund solche Daten erworben hatte. Zuvor war das stets Sache der Länder, sind sie doch auch für die Strafverfolgung zuständig. Zwei Millionen Euro soll das Bundeszentralamt dem Informanten gezahlt haben, berichtete der „Spiegel“. Drei Monate später muss man zumindest bezweifeln, dass Scholz sich tatsächlich noch einen Namen als Steuerjäger machen kann. Bislang stießen die Länder bei ihrer Prüfung kaum auf die erhofften Steuerbetrüger, die Gewinne am deutschen Fiskus vorbeischleusten. Brandenburg hat bereits vollen Überblick Für ein abschließendes Urteil darüber, wie viel der Daten-Kauf des Finanzministers dem Staat brachte, ist es noch zu früh. Vielerorts laufen die steuerlichen Vorprüfungen durch die Steuerfahnder noch. In Bayern beispielsweise sind bislang 33 von 278 Prüfungen abgeschlossen. Der Zwischenstand: „Bisher hat sich in einem der Fälle der (Anfangs-)Verdacht einer Steuerstraftat ergeben und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet“, teilte das Bayerische Landesamt für Steuern in Nürnberg mit. Aus Brandenburg waren überhaupt nur 19 Namen auf dem Datenträger. Hier hat man bereits den vollen Überblick. Das Ergebnis: alles korrekt versteuert. „Die Überprüfung dieser für Brandenburg relevanten Daten führte zu keiner Einleitung von Strafverfahren“, teilte das Finanzministerium in Potsdam mit. Entsprechend sei auch kein steuerliches Mehrergebnis erzielt worden. Auch in Sachsen-Anhalt sind die Fahnder mit ihrer Arbeit bereits fertig. Sie mussten nur einen einzigen Fall prüfen. Auch da ist die Erkenntnis: Es hat sich „kein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ergeben“. Teil der Daten könnte veraltet sein In Sachsen wurden bislang vier von 25 Fällen abschließend bearbeitet. „Steuerstrafverfahren wurden bislang nicht eingeleitet“, so das zuständige Ministerium. Die Antwort des Finanzministeriums von Schleswig-Holstein lässt sogar darauf schließen, dass ein Teil der eingekauften Daten veraltet ist. Bislang stehe bei 26 von 58 Personen fest, dass sich aus „formalen Gründen“ kein steuerliches Mehrergebnis ergebe, heißt es aus Kiel. Als Beispiel für einen formalen Grund nennt das Ministerium: „Die Person ist ins Ausland verzogen“. Sprich, sie ist nicht steuerpflichtig in Deutschland und kann deshalb den deutschen Fiskus nicht betrogen haben. Einen weiteren Anhaltspunkt dafür, dass die eingekauften Steuerdaten weniger brisant sind, als erhofft, liefert die Zahl der bislang eingegangenen Selbstanzeigen. Kein Bundesland berichtet explizit davon, dass sich Steuerpflichtige bei den Finanzbehörden gemeldet haben, um glimpflich aus der Sache herauszukommen. Einzelne Länder führen Statistik nur „bei Bedarf“ Zur Erinnerung: Als die Steuer-CDs aus der Schweiz die Runde machten, zeigten sich allein im Rekordjahr 2014 fast 40.000 Bürger selbst an. Jetzt heißt es unter anderem aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen, dass bis dato keine Selbstanzeigen mit Bezug zu Dubai vorlägen. Andere Länder wiederum teilten mit, dass eine Selbstanzeigen-Statistik in Bezug auf einzelne Länder nur bei Bedarf geführt werde – wie damals nach dem Ansturm in der Causa Schweiz. In der Causa Dubai sieht man den Bedarf offenkundig nicht. Und was sagt Scholz dazu? In seinem Ministerium verweist man darauf, dass es voreilig wäre, jetzt schon Bilanz zu ziehen. Steuer-CD könnte sich doch noch rechnen „Erst nach Abschluss der Ermittlungen ist ein Gesamtüberblick über die Ergebnisse und damit auch über die Werthaltigkeit der Gesamtdaten möglich.“ Die Auswertung sämtlicher Daten werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dort weiß man, dass ein paar wenige, besonders dreiste Steuerbetrüger reichen, damit sich der Zwei-Millionen-Euro-Einsatz für die Dubai-Daten doch noch rechnet. Von einem Robin-Hood-Deal à la Walter-Borjans ist Scholz aber auch dann weit entfernt.