Saturday, September 18, 2021

Wut wegen geplatzten U-Boot-Deals: Paris stellt Zukunft der Nato in Frage

Tagesspiegel Wut wegen geplatzten U-Boot-Deals: Paris stellt Zukunft der Nato in Frage Barbara Barkhausen vor 1 Std. | Frankreich ruft wegen eines geplatzten U-Boot-Deals seine Botschafter aus den USA und Australien zurück – und stellt die Nato in Frage. Worum es bei dem Streit geht. Der Streit um den geplatzten U-Boot-Deal zwischen Frankreich und Australien belastet nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian die Zukunft der Nato. Der Vorfall habe Auswirkungen auf die Festlegung des neuen strategischen Konzepts der Verteidigungsallianz, sagte Le Drian am Samstag dem Sender France 2. Den Verbündeten Frankreichs warf er „Lüge“ und „Doppelzüngigkeit“ vor, die eine „ernste Krise“ ausgelöst hätten. Aus Ärger über den geplatzten U-Boot-Deal mit Australien hatte Frankreich bereits zuvor seine Botschafter aus Washington und Canberra zu Konsultationen zurückgerufen. Das ist ein einmaliger Vorgang unter Verbündeten. Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte am Freitagabend, dieser „außerordentliche“ Schritt sei die Reaktion auf die „außerordentlich ernsten“ Ankündigungen der Regierungen der USA und Australiens. Letztere erklärten beide, sie wollten weiter eng mit Frankreich zusammenarbeiten. Die USA, Großbritannien und Australien hatten zuvor ein neues Sicherheitsbündnis für den Indopazifik bekannt gegeben – was Australien dazu veranlasste, ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Frankreich platzen zu lassen. Der Vorgang war bis zuletzt geheim gehalten worden. Paris reagierte erbost. Es ist das erste Mal in der Geschichte der US-französischen Beziehungen, dass Paris seinen Botschafter aus Washington zurückruft. Unter Verbündeten gilt ein solcher Schritt als äußerst ungewöhnlich. Zuvor hatte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian die Entscheidung Australiens als „Dolchstoß“ bezeichnet. Frankreich fühle, dass das gegenseitige Vertrauen „missbraucht“ worden sei. Was derzeit noch Symbolik ist, könnte in den kommenden Monaten jedoch deutlich schwerwiegendere Folgen haben. So twitterte Peter Ricketts, ein früherer britischer Botschafter in Frankreich: „Unterschätzen Sie die Reaktion in Paris nicht.“ Es sei nicht nur Wut, sondern ein echtes Gefühl des Verrats, nachdem Großbritannien sowie die USA und Australien sechs Monate lang hinter dem Rücken Frankreichs verhandelt hätten. Erst im Juni dieses Jahres war Australiens Premierminister Scott Morrison noch im Élysée-Palast zu Gast. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gab sich damals freundschaftlich, sicherte gar seine Unterstützung in der Region zu. Morrison bestätigte beim Abendessen, dass Australien und Frankreich gute Freunde und Partner seien. Doch zu diesem Zeitpunkt muss die trilaterale Partnerschaft mit den USA und Großbritannien bereits besprochen worden sein – höchstwahrscheinlich beim G7-Gipfel in Cornwall wenige Tage zuvor. In Washington löste die französische Reaktion Bedauern aus. „Wir bedauern, dass sie diesen Schritt unternommen haben“, sagte ein Vertreter des Weißen Hauses. „Wir werden uns in Zukunft weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Differenzen überwunden werden, so wie wir es zu anderen Momenten in unserer langen Partnerschaft getan haben.“ Außenamtssprecher Ned Price äußerte Verständnis für den Ärger in Paris und die Hoffnung, bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in der kommenden Woche in New York das Thema mit Frankreich besprechen zu können. Frankreich sei ein sehr wichtiger und „unser ältester Partner“. Pentagon-Sprecher John Kirby räumte ein, dass Telefonate zwischen US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und seiner französischen Kollegin Florence Parly gezeigt hätten, „dass es hinsichtlich unserer Beziehung in Verteidigungsfragen mit Frankreich noch viel zu tun gibt“. Australiens Außenministerin Marise Payne sagte zum Streit mit Frankreich, es seien nun „sehr schwierige Fragen zu behandeln“. Australien werde weiterhin „konstruktiv und eng“ mit Frankreich zusammenarbeiten. Australien will China wirksam abschrecken Angesichts der Expansionsbestrebungen Chinas im wirtschaftlich bedeutsamen Indopazifik-Raum hatten Washington, London und Canberra am Mittwoch ihr neues Bündnis bekannt gegeben. Es sieht unter anderem vor, dass Australien von US-Technologie beim Bau atombetriebener U-Boote, deren Raketenbestückung und von Know-how bei der Cyberabwehr profitiert. Auch wollen die USA ihre militärische Präsenz in Australien ausweiten. Der entscheidende Punkt ist: Die französischen U-Boote sind konventionell, die britisch-amerikanischen U-Boote dagegen hochmodern und kaum zu bezwingen. Mit den französischen U-Booten wäre es nicht möglich gewesen, China abzuschrecken. Die britisch-amerikanischen U-Boote dagegen lösten in Peking Entsetzen aus. Chinas immer stärker werdende Marine hat gegen die neuen U-Boote keine Chance. China verfolgt im Indopazifik seit Längerem eine aggressive Strategie, die Anrainerstaaten beunruhigt. Dabei geht es um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer. Seit 2018 haben sich überdies die Konflikte in den Handelsbeziehungen zwischen Peking und Canberra stetig verschärft. Den neuen Indopazifik-Pakt der drei westlichen Staaten bezeichnete China als „extrem unverantwortlich“. Dadurch würden der regionale Frieden und die Stabilität untergraben. Australiens Premier Scott Morrison sagte, China habe jedes Recht, Entscheidungen im nationalen Interesse für seine Verteidigung zu treffen – „das gilt natürlich auch für Australien und alle anderen Länder“. (mit AFP)